Die Profis von İstanbul Başakşehir gingen nach dem Rassismus-Vorfall im Champions-League-Duell mit Paris Saint-Germain geschlossen vom Feld. Der französische Meister folgte Sekunden später. Auslöser: Ein Gespräch zwischen den Unparteiischen beim Spiel am Dienstag, das von Istanbuls Co-Trainer Pierre Pierre Webó als rassistisch empfunden worden war. Die Solidarität der Spieler war sofort groß – so wie mit Kevin-Prince Boateng, als er vor bald acht Jahren den AC Mailand vom Feld führte. Ein Rückblick auf rassistische Vorfälle im Fußball.
November 2004: Beim Länderspiel England gegen Spanien in Madrid werden die schwarzen Fußballer im Team der Briten um Ashley Cole vom Publikum systematisch ausgebuht und mit Affengeschrei verhöhnt. Vorausgegangen war eine rassistische Aussage des spanischen Trainers Luis Aragonés über den damaligen Stürmer des FC Arsenal, den Franzosen Thierry Henry, aus dem sich ein Streit zwischen der britischen Presse und dem Nationaltrainer entwickelte.
Februar 2006: Im Trikot des FC Barcelona wird Stürmer Samuel Eto'o bei Real Saragossa von Zuschauern mit rassistischen Rufen beleidigt. „Ich spiele nicht weiter“, sagte er und strebte festen Schritts dem Ausgang entgegen. Nach langer Diskussion ließ sich der Kameruner aber von Mitspielern zum Weitermachen überreden.
Januar 2013: Nach 26 Minuten im Testspiel des AC Mailand gegen Pro Patria reichte es Kevin-Prince Boateng. Der gebürtige Berliner, damals Nationalspieler Ghanas, führte sein Team vom Feld, weil er und seine dunkelhäutigen Teamkollegen wiederholt von gegnerischen Fans rassistisch verhöhnt worden waren. „Schon nach fünf Minuten gab es Affengeräusche auf der Tribüne, wenn ich am Ball war“, sagte Boateng. Das Spiel wurde abgebrochen. Für die konsequente Reaktion bekamen der Bruder von Jérôme Boateng und sein Team viel Anerkennung.
Mai 2013: Beim Duell der AS Rom gegen den AC Mailand beleidigen die Heimfans die dunkelhäutigen Milan-Profis Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng mit rassistischen Sprechchören. Das Spiel wird unterbrochen, über die milde Geldstrafe von 50 000 Euro für die Römer diskutieren Italien und der internationale Fußball danach tagelang.
Oktober 2013: Manchester City spielt in der Champions League bei ZSKA Moskau. Wegen rassistischer Rufe von den Rängen beschwert sich City-Kapitän Yaya Touré bei Schiedsrichter Ovidiu Hategan. Weil der Unparteiische das aber nur in seinen Spielbericht aufnimmt, aber nicht mit einem Abbruch der Partie droht, hagelt es Kritik. ZSKA muss im nächsten Heimspiel gegen den FC Bayern München auf einen Teil der Zuschauer verzichten.
Oktober 2019: Im englischen FA Cup verlassen Torwart Douglas Pajetat und Teamkollege Coby Rowe nach einer Stunde den Rasen. Die Spieler von Haringey Borough waren zuvor von Fans des Gegners Yeovil Town rassistisch beleidigt worden. Die Partie wird abgebrochen, zehn Tage später gewinnt Yeovil das Wiederholungsspiel.
Oktober 2019: Das EM-Qualifikationsspiel Englands gegen Bulgarien wird in der ersten Halbzeit zweimal wegen rassistischer Äußerungen bulgarischer Fans unterbrochen. Der Schiedsrichter warnte über den Stadionsprecher vor dem Abbruch der Partie. Englische Spieler hatten bereits vor der Begegnung gedroht, den Rasen in Sofia bei rassistischen Vorfällen gegen einen Spieler zu verlassen. Das taten sie allerdings nicht und gewannen 6:0.
November 2019: Der damals 31 Jahre alte Brasilianer Taison von Schachtjor Donezk wird im Duell mit Dynamo Kiew von Zuschauern beleidigt. Er zeigt den Fans den Mittelfinger und schießt den Ball in Richtung Tribüne. Dafür wurde er mit Rot bestraft und verließ unter Tränen das Spielfeld. Im Anschluss ermittelte die Polizei gegen die Zuschauer.
November 2019: Fans von Hellas Verona beleidigen Stürmer Mario Balotelli beim Gastspiel mit Brescia Calcio mehrfach mit Affenlauten und rassistischen Rufen. In der 54. Minute stoppt Balotelli während eines Angriffs den Ball, nimmt ihn in die Hände und schießt ihn in Richtung eines Fanblocks der Gastgeber. Anschließend will er den Platz verlassen, Mitspieler und Gegner überreden ihn aber, weiterzuspielen.
Februar 2020: Nach den Beleidigungen und Affenlauten gegen FC-Porto-Profi Moussa Marega meldete sich sogar der portugiesische Ministerpräsident António Costa zu Wort. Marega verließ im Februar wenige Minuten nach seinem Siegtor zum 2:1 (60. Minute) gegen Vitoria Guimarães wütend das Spielfeld, weil Fans ihn beleidigt und Affengeräusche gemacht hatten. Der Fußball-Nationalspieler aus Mali ließ sich weder von seinen Teamkollegen noch von Trainer Sérgio Conceição oder Profis des Gegners von seinem Vorhaben abbringen - die später dafür kritisiert wurden, sich nicht angeschlossen zu haben.
Februar 2020: Im DFB-Pokalspiel des FC Schalke 04 gegen Hertha BSC beleidigen Schalke-Fans Hertha-Profi Jordan Torunarigha mit Affenlauten. Die Polizei nahm Ermittlungen auf. Der 22 Jahre alte Torunarigha selbst stellte eine Strafanzeige gegen Unbekannt. Schalke bekommt eine Geldstrafe von 50 000 Euro.
November 2020: Youssoufa Moukoko wird im A-Jugend-Duell zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 massiv beschimpft und rassistisch beleidigt. Schalke bekommt eine Geldstrafe und muss die Anzahl der Ordner für Junioren-Spiele gegen Dortmund erhöhen.
9 Dez. 2020
Rassismus im Fußball: Von Boatengs Zeichen bis hin zum Abbruch in Paris
Während der Champions-League-Partie Paris Saint-Germain gegen Başakşehir Istanbul ist es zu einem rassistischen Vorfall gekommen. Rassismus ist im europäischen Fußball schon lange kein Einzelfall mehr – ein Rückblick von 2004 bis 2020.
dpa
Ähnliche Nachrichten
Hertha BSC-Spieler Torunarigha Opfer rassistischer Beleidigungen
Bei dem DFB-Pokalspiel am Dienstag ist der Hertha BSC-Spieler Torunarigha Opfer rassistischer Beleidigungen geworden. Die FIFA fordert eine Null-Toleranz-Politik für Diskriminierung im Fußball und scharfe Sanktionen für rassistisches Verhalten.
Selbe Kategorie
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.