08.03.2022, Ukraine, Kiew: Freiwillige aus Belarus erhalten eine militärische Ausbildung in der Basis der belarussischen Kompanie in Kiew. (dpa)
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Experten beobachten eine Uneinigkeit in der Positionierung der radikalen Rechten in Deutschland zum Ukraine-Krieg. Dem Rechtsextremismus-Forscher Johannes Kiess zufolge gibt es sowohl Unterstützer der Ukraine als auch Befürworter der russischen Angriffe, wie mehrere Medien am Montag berichteten.

NPD-Connections reichen zurück in die 1990er Jahre

„Zugespitzt sehen sie im massiven ukrainischen Widerstand die Verteidigung des Abendlandes vor den russischen Barbaren“, begründete der Experte die Unterstützung der Ukraine durch manche Rechte in Deutschland. Ein Neonazi aus Görlitz bemühe sich gar aktiv um die Rekrutierung von Kämpfern für die Ukraine. „Sie sollen sich dem rechtsextremistischen Asow-Regiment anschließen“, fügte Kiess hinzu.

Noch im Jahr 2013 hatte die sächsische Landtagsfraktion der NPD eine Abordnung der rechtsextremen ukrainischen „Swoboda“-Partei in Dresden empfangen. Die ersten offiziellen Kontakte zwischen ukrainischen Neonazis und dem deutschen NPD-/JN-Umfeld datieren weit in die 1990er Jahre zurück. Auch jetzt im Vorfeld der bewaffneten Eskalation in Ukraine hat das unter dem Pseudonym „Baldur Landogart“ agierende frühere NPD-Vorstandsmitglied Tobias Schulz in einem Gespräch mit dem sogenannten Volkslehrer Nikolai Nerling auf Dailymotion von Lwiw aus zur Unterstützung nationalistischer Milizen aufgerufen.

Die Partei selbst ist jedoch nach dem Machtwechsel von 2014 teilweise auf Distanz zu den ukrainischen Ultranationalisten gegangen. Deren Mitwirkung am Umsturz auf dem Maidan und an der Übergangsregierung wurde dort als Handeln im Interesse von USA, EU und Nato wahrgenommen.

Riss geht auch durch die Reihen von „Freien Sachsen“ und „Compact“

Andere Mitglieder der rechten Szene positionierten sich jedoch klar gegen Kiew. „Die Freien Sachsen verhehlen überhaupt nicht, dass sie sich einen starken Mann wünschen, der die Ukraine und später auch Sachsen ‚befreien‘ soll“, so der Rechtsextremismus-Forscher. Die Ukraine sahen sie hierbei als einen „Vasallen-Staat“ des Westens an.

Aus Sicht von Kiess birgt der Ukraine-Krieg auch eine Gefahr für die Rechten in sich. „Sie merken selbst, dass aktuell aus ihrer Sicht die Gefahr besteht, dass sich der Mobilisierungsgrad verschlechtern könnte, und appellieren an ihre Anhänger, sich vom Ukraine-Krieg nicht ablenken zu lassen“, erklärte er bezüglich der Freien Sachsen.

Teilweise scheint der Riss auch durch publizistische Projekte zu gehen. Der Herausgeber des rechtsextremistischen Magazins „Compact“, Jürgen Elsässer, hat offenbar sogar die Erwiderung eines eigenen Redakteurs auf seinen zuvor veröffentlichten Leitartikel von der Seite gelöscht. Der Redakteur hatte in seinem Beitrag Kritik an der russischen Offensive geübt hatte. Er hatte in sozialen Medien schon mehrfach eine Übernahme russischer Geschichtsnarrative auch durch deutsche Rechte beklagt.
Keine klare Linie bei der AfD
Die Uneinigkeit bezüglich der Positionierung zum Ukraine-Krieg lässt sich auch in den Reihen der AfD wiederfinden. Die Partei war bislang eher für Moskau-Sympathie bekannt. Nun gibt es Parteimitglieder, die die russischen Angriffe scharf kritisieren. Andere zeigen sich jedoch eher zurückhaltend.

„Der Angriff Russlands ist durch nichts gerechtfertigt“, erklärten Alice Weidel und Tino Chrupalla nach der russischen Invasion. Jedoch wird innerhalb der Partei nicht ausschließlich der Kreml kritisiert. „Russland ist nicht unser Feind. Ich wünsche mir, dass der Bundeskanzler eine neutralere Haltung einnimmt und weiterhin den Dialog mit den Konfliktparteien sucht“, erklärte Chrupalla gegenüber der „Welt“. 2020 war der AfD-Politiker vom russischen Außenminister Sergej Lawrow und von Verteidigungsminister Schoigu empfangen worden.

Auch der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Petr Bystron, positionierte sich zunächst klar gegen Moskau. „Russland ist der Aggressor, und daran gibt es nichts zu deuteln“, betonte er. Deutschland habe jedoch eine „Mitverantwortung an der Eskalation der Lage“, monierte er anschließend.

Unter einfachen Mitgliedern und Sympathisanten der Partei in sozialen Medien ist die Bandbreite der Auffassungen zum Ukraine-Konflikt noch größer: Von Mordaufrufen gegen Putin reicht diese bis zur Forderung einer sofortigen Kapitulation der Ukraine.

TRT Deutsch