30.10.2021, Italien, Rom: Die Staats- und Regierungschefs stehen für ein Gruppenfoto im Konferenzzentrum La Nuvola anlässlich des G20-Gipfels. Der zweitägige G20-Gipfel ist das erste persönliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der größten Volkswirtschaften der Welt seit Beginn der Corona-Pandemie. (dpa)
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Die Bemühungen um ein starkes Signal des G20-Gipfels vor dem Weltklimatreffen in Glasgow drohen zu scheitern. Die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte (G20) kann sich auf ihrem Gipfel in Rom offenbar nicht auf konkrete Ziele zum Klimaschutz einigen. Das geht aus einem jüngsten Entwurf des Abschlusskommuniqués hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Ursprüngliche beabsichtigte Zielvorgaben und konkrete Zusagen zum Kampf gegen die gefährliche Erderwärmung aus früheren Versionen wurden darin wieder gestrichen.

Der zweitägige Gipfel der Staats- und Regierungschefs endet an diesem Sonntag in der italienischen Hauptstadt, während in Schottland das zweiwöchige Klimatreffen (COP26) beginnt. Auf Einladung der Vereinten Nationen beraten in Glasgow Regierungsvertreter aus rund 200 Staaten zwei Wochen lang, wie die Menschheit die beschleunigte Erderhitzung auf ein erträgliches Maß eindämmen kann. 25.000 Menschen, darunter Tausende Journalisten und Klimaschutzaktivisten, wurden erwartet.

In dem Entwurf für das Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels gab es nicht mal mehr eine Einigung auf „sofortiges Handeln“, wie es in einem früheren Entwurf noch geheißen hatte. Beim Ziel der Kohlendioxidneutralität gab es auch keine Fortschritte. War ursprünglich 2050 als Zieldatum angestrebt worden, ist jetzt allgemeiner von „Mitte des Jahrhunderts“ die Rede. Das geschah offensichtlich auch aus Rücksicht auf China. Der größte Produzent von Kohlendioxid hatte sich bisher nur bis 2060 dazu verpflichtet.

Der Gruppe der Wirtschaftsmächte kommt eine wichtige Rolle zu, weil sie für rund 80 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich ist. Während die Positionen der G20 im Klimaschutz weit auseinander lagen, gab es in Rom allerdings eine weitgehende Einigung über Pläne für eine geplante Ausweitung der Impfrate gegen das Coronavirus weltweit, wie aus dem Entwurf weiter hervorgeht.

Die G20 stellt sich hinter die Ziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis Jahresende mindestens 40 Prozent „der Bevölkerung in allen Ländern“ impfen zu wollen. Bis Mitte nächsten Jahres sollen es 70 Prozent sein. Der Gastgeber, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, kritisierte die großen Unterschiede bei den Impffortschritten. Während in reichen Staaten rund 70 Prozent der Einwohner mindestens einmal geimpft seien, falle die Quote bei den ärmsten Ländern auf drei Prozent. Diese Unterschiede seien „moralisch nicht akzeptabel“.
Biden dringt auf Umsetzung des Abkommens zu Nord Stream 2
Mit Angela Merkel und Olaf Scholz hatte sich Biden bereits am Samstag, dem ersten Gipfeltag getroffen. Dabei betonte der US-Präsident die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Vereinbarung über die Gas-Pipeline Nord Stream 2. Darin verpflichtet sich Deutschland zu verhindern, dass Russland Erdgas-Exporte politisch instrumentalisiert - vor allem gegen die Ukraine. Sollte ein Ampel-Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP zustande kommen, würden die Positionen der Koalitionspartner in Sachen Nord Stream 2 sehr weit auseinandergehen. Die Grünen sind strikt gegen das Projekt, die SPD von Scholz befürwortet es dagegen eher.
Nord Stream 2 galt vor allem in der Ära von US-Präsident Donald Trump als ein Hauptstreitpunkt im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Ein anderer transatlantischer Streit wurde in Rom beigelegt. Die USA einigten sich mit der EU auf die vorläufige Beilegung ihres jahrelangen Streits um amerikanische Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Das erklärten beide Seiten am Samstagabend am Rande des Gipfeltreffens. US-Angaben zufolge sieht die Grundsatzeinigung vor, dass die EU-Staaten künftig bestimmte Mengen der Werkstoffe zollfrei in die USA importieren dürfen. Zudem setzen demnach beide Parteien in der Sache anhängige Verfahren vor den Gremien der Welthandelsorganisation (WTO) aus.

Vierer-Spitzentreffen thematisiert Atomstreit
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA warnten im Atomstreit mit dem Iran vor einer „gefährlichen Eskalation“. Nach einem Vierer-Spitzentreffen am Rande des G20-Gipfels in Rom forderten die westlichen Staaten Teheran zu einer baldigen Rückkehr in das Abkommen zur Verhinderung iranischer Nuklearwaffen auf. Das schrieben Bundeskanzlerin Merkel, die Präsidenten Biden und Macron sowie Premier Johnson am Samstag in einer Erklärung.
Man sei entschlossen „zu gewährleisten, dass Iran niemals Kernwaffen entwickeln oder erwerben kann“, hieß es darin. Der Iran will die zähen Atomverhandlungen im November wieder aufnehmen.

China setzt Deutschland im Patent-Streit unter Druck
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach nach Angaben von Teilnehmern in der Arbeitssitzung von einer moralischen Verpflichtung zur Weitergabe von Impfstoffen und forderte die Umsetzung von Spenden- und Lieferzusagen. Der per Video zugeschaltete chinesische Staatschef Xi Jinping warb für Ausnahmen bei den Patenten für Impfstoffe und setzte damit Deutschland unter Druck. Die Bundesregierung gilt als schärfster Gegner eines solchen Schritts. Sie argumentiert, eine Aussetzung der Patente könnte die Innovationsbereitschaft der Unternehmen bremsen. Der russische Präsident Wladimir Putin warb indes beim Westen für eine schnelle gegenseitige Anerkennung von Corona-Impfzertifikaten.
Während des Treffens der Spitzenpolitiker im Süden Roms protestierten in der Innenstadt Tausende Menschen gegen G20. Zunächst blieben die Kundgebungen friedlich. Bei einem Demo-Marsch zog ein Bündnis unter anderem mit Klima-Aktivisten und linken Gruppe knapp zwei Kilometer durch die Stadt; auf der Strecke hatte die Polizei Einfahrten und Brücken gesperrt. Einige Teilnehmer zündeten Bengalos und Feuerwerk, die Polizei musste aber ebenso wenig einschreiten wie bei einer fast parallelen Kundgebung der Kommunistischen Partei.
Am Morgen hatten einige Dutzend Klimaschützer in der Nähe des Tagungsgeländes eine Straße blockiert. Die Polizei trug die sitzenden Demonstranten von der Fahrbahn. Bereits am Freitag hatte es kleinere, friedliche Protestaktionen gegeben. Italien hatte für den G20-Gipfel das Polizeiaufgebot stark erhöht und fast 5300 zusätzliche Sicherheitskräfte angefordert. Das Militär sichert mit etwa 2000 Soldaten wichtige Orte wie Bahnhöfe, Botschaften und Ministerien.

dpa