Symbolbild. 10. Mai 2022, Washington, USA: Die neue US-Botschafterin in der Ukraine, Bridget Brink, sagt bei ihrer Anhörung im Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen im US-Kapitol in Washington aus. (dpa)
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Wegen der Zunahme des Hungers in der Welt fordern die Vereinten Nationen von Russland dringend die Freigabe blockierter Getreidevorräte aus der Ukraine. „Russland muss den sicheren Export von in ukrainischen Häfen gelagertem Getreide zulassen“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei einem Außenministertreffen in New York. Der durch die russische Invasion im Februar eskalierte Krieg in der Ukraine drohe, viele Millionen in Ernährungsunsicherheit zu stürzen und eine Krise auszulösen, „die Jahre andauern könnte“.

US-Botschaft in Kiew nimmt Arbeit wieder auf

In der Ukraine gingen unterdessen die Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Truppen auch in der Nacht zum Donnerstag weiter. In Kiew bereitete Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bevölkerung auf einen weiter andauernden Krieg vor und plädierte für die Verlängerung des Kriegsrechts um 90 Tage bis in den August. „Unsere Armee und alle, die den Staat verteidigen, müssen über alle rechtlichen Mittel verfügen, um in Ruhe zu agieren“, sagte der Staatschef in einer Videoansprache am späten Mittwochabend.

Unterdessen laufen am Donnerstag die Vorbereitungen auf den NATO-Beitritt von Finnland und Schweden weiter. Als Zeichen der Unterstützung empfängt US-Präsident Joe Biden Spitzenvertreter aus den beiden nordischen Ländern, die bislang neutral waren. Die US-Botschaft in Kiew nahm am Mittwoch nach fast drei Monaten Unterbrechung wieder die Arbeit auf, der US-Senat bestätigte eine neue Botschafterin.

Kämpfe mit zivilen Opfern im Donbass

Die Lage an den einzelnen Fronten in der Ukraine blieb weitgehend unverändert. Im Osten versuchen russische Truppen weiter, die Gebiete Donezk und Luhansk vollständig zu erobern. Die Härte der Angriffe zeige sich auch am Tod von 15 Zivilisten in der Region am Mittwoch, teilte die ukrainische Armee mit. Demnach wurde auch mindestens ein Kind getötet. Seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten im Jahr 2014 starben bereits mehr als 10.000 Menschen bei Kampfhandlungen.

Ihrerseits nahmen die ukrainischen Streitkräfte für sich in Anspruch, im Norden der Großstadt Charkiw ein weiteres Dorf zurückerobert zu haben. In den vergangenen Wochen hatte die ukrainische Armee die russischen Truppen im Norden und Nordosten Charkiws eigenen Angaben zufolge immer weiter Richtung Grenze zurückgedrängt. Wie die meisten Militärberichte auf beiden Seiten waren auch diese Angaben nicht sofort zu überprüfen.

Russische Truppen beschossen laut Kiewer Angaben von eigenem Staatsgebiet aus auch die nordostukrainischen Gebiete Sumy und Tschernihiw. Russland wiederum machte die Ukraine für den Beschuss auf das Grenzdorf Tjotkino und andere Orte im Gebiet Kursk verantwortlich.

Moskau dehnt Gebietsansprüche auf Saporischschja aus

Als bislang ranghöchster Politiker aus Moskau besuchte Vize-Regierungschef Marat Chusnullin das teilweise eroberte Gebiet Saporischschja im Südosten der Ukraine. Die Perspektive der Region liege darin, „in unserer einträchtigen russischen Familie zu arbeiten“, sagte er in der Kleinstadt Melitopol. Die Gebietshauptstadt Saporischschja ist weiter in ukrainischer Hand.

Für besondere Empörung in Kiew sorgte Chusnullins Forderung, die Ukraine solle für Strom aus dem von russischen Truppen besetzten Kernkraftwerk von Saporischschja bezahlen. Auch in Cherson sucht die Invasionsmacht nach einem Weg, das Gebiet an Russland anzuschließen.

In New York warf Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Russland vor, die „Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine als Kriegswaffe“ einzusetzen. „Durch die Blockade ukrainischer Häfen, durch die Zerstörung von Silos, Straßen und Eisenbahnen und insbesondere der Felder von Bauern hat Russland einen Kornkrieg begonnen, der eine globale Nahrungsmittelkrise anfacht“, sagte sie am Mittwoch bei dem Außenministertreffen.

Nach Angaben der Bundesregierung unterbindet Russland in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide vor allem nach Nordafrika und Asien, ein Großteil davon im Hafen von Odessa. UN-Generalsekretär Guterres sagte, es sei notwendig, die Ukraine als großen Produzenten wieder auf den Weltmarkt zu lassen – genauso wie Russland und Belarus, die ebenfalls große Mengen Lebens- und Düngemittel produzierten.

Senat bestätigt neue US-Botschafterin für die Ukraine

Nach der Ankündigung der USA, ihre Botschaft in Kiew wiedereröffnen zu wollen, hat der Senat die Karrierediplomatin Bridget Brink für den Posten der Botschafterin für die Ukraine bestätigt. Die Kongresskammer stimmte der Personalie am Mittwoch (Ortszeit) in Washington zu. Zuvor hatte das Außenministerium mitgeteilt, dass die zuvor wegen des Krieges geschlossene US-Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt ihren Betrieb wieder aufnimmt.

Brink war bislang die US-Gesandte in der Slowakei. Zuvor hatte sie unter anderem im Außenministerium in Washington als Expertin für Osteuropa und den Kaukasus sowie als stellvertretende Botschafterin in Usbekistan und Georgien gearbeitet.

Angesichts des geplanten NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands hält der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, auch einen NATO-Beitritt seines Landes für umsetzbar. „Klar ist: Wir wollen schnell in die NATO. Das kann genauso rasch gehen wie im Fall von Schweden oder Finnland. Es bräuchte nur eine rein politische Entscheidung, um die Ukraine zügig ins Bündnis zu integrieren“, sagte Melnyk den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

„Wenn die Ukraine im Bündnis wäre, sinkt das Risiko eines Atomkrieges. Dann würde Putin wissen: Würde die Ukraine mit Nuklearwaffen angegriffen, müsste er mit einem atomaren Gegenschlag rechnen. Das würde ihn davon abhalten.“ Melnyk hält zudem eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine innerhalb der nächsten zehn Jahre für möglich.

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dpa