Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat Deutschland vorgeworfen, sich in die Innenpolitik seines Landes einzumischen. Çavuşoğlu kritisierte am Samstagabend bei einem Auftritt in Antalya die Reaktion der Bundesregierung auf die Verurteilung von Osman Kavala zu lebenslanger Haft. „Sie können sich nicht in unsere innere Angelegenheiten einmischen“, sagte er an die Bundesregierung gerichtet nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.
Osman Kavala war am vergangenen Montag zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Istanbul sprach Kavala wegen Umsturzversuches im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 in der Türkei schuldig.
Wegen des „Versuchs, die Regierung der Republik Türkei abzuschaffen oder sie ganz oder teilweise an der Erfüllung ihrer Aufgaben zu hindern“ verurteilte das 30. Oberste Strafgericht in Istanbul den Angeklagten Kavala gemäß Artikel 312/1 des türkischen Strafgesetzes zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe.
Der 64-jährige Kavala saß seit November 2017 in Untersuchungshaft. Sieben weitere Angeklagte wurden zu 18 Jahren Haft verurteilt. Die deutsche Bundesregierung protestierte dagegen und bestellte am Freitag auch den türkischen Botschafter zum Gespräch ins Auswärtige Amt.
Wiener Konvention schon 2021 überschritten
Der türkische Justizminister Bekir Bozdağ kritisierte die Einbestellung des türkischen Botschafters ins Auswärtige Amt scharf. In einer Erklärung auf seinem Twitter-Account wertete der Minister den diplomatischen Schritt als einen „Einmischungsversuch in die inneren Angelegenheiten der Türkei“ und verwies auf Versäumnisse der Justiz in Deutschland. „Deutschland sollte den Blick zuerst auf sich selbst richten und nicht auf die Türkei“, forderte er.
Bereits 2021 hatte der Fall Kavala für einen diplomatischen Eklat gesorgt. Çavuşoğlu sagte nun, schon damals hätten die Botschafter die Grenzen der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen überschritten. Die Türkei hatte die beteiligten Länder vor einer Wiederholung gewarnt. Artikel 41 der Wiener Konvention weist Diplomaten an, sich nicht in innere Angelegenheiten des jeweils anderen Staats einzumischen.
Mehr zum Thema: Justizminister kritisiert Einbestellung von türkischem Botschafter scharf
1 Mai 2022
TRT Deutsch und Agenturen
Ähnliche Nachrichten

Türkei: Armenien muss die Realität in Berg-Karabach akzeptieren
Armenische Truppen haben den Waffenstillstand in Berg-Karabach gebrochen. Die Türkei verurteilte den jüngsten Angriff, bei dem ein aserbaidschanischer Soldat starb. Ankara rief Armenien dazu auf, die neue Realität in der Region zu akzeptieren.
Selbe Kategorie

Gespräche über NATO-Norderweiterung: Türkei erwartet „konkrete Schritte“
Die Türkei fordert von Schweden und Finnland „konkrete Schritte“, um die Sicherheitsbedenken auszuräumen. Anderenfalls seien keine Fortschritte beim NATO-Beitrittsprozess möglich, betont der türkische Präsidentensprecher Kalın.

NATO-Erweiterung: Altun wirft Schweden Doppelstandard im Umgang mit PKK vor
Der türkische Kommunikationsdirektor Altun hat bezüglich eines möglichen NATO-Beitritts von Schweden auf die Sicherheitsbedenken der Türkei hingewiesen. Beim Umgang mit der Terrororganisation PKK warf er dem nordischen Staat einen Doppelstandard vor.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt

Rekordzahl: Weltweit über 45 Millionen Binnenflüchtlinge
Eine Rekordzahl von Menschen ist wegen Konflikten und Katastrophen auf der Flucht im eigenen Land. Das Schicksal derer, die vertrieben aber nicht über Grenzen geflüchtet sind, werde international zu wenig beachtet, erklärt eine Hilfsorganisation.