Kemal Kılıçdaroğlu. / Photo: TRT World (TRT World)
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Das Gesicht der türkischen Oppositionsbewegung ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Kemal Kılıçdaroğlu. Der 74-jährige Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP) ist seit 2002 in der türkischen Politik aktiv. Allerdings scheinen seine Bemühungen, Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AK-Partei) bei den Wahlen zu verdrängen, jedes Mal zu kurz zu kommen.

Kılıçdaroğlu, geboren Karabulut (sein Vater änderte den Nachnamen), wurde am 17. Dezember 1948 in der türkischen Provinz Tunceli als viertes von sieben Kindern geboren.

Nachdem er 1971 seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften an der Gazi-Universität in Ankara – ehemals Akademie für Wirtschaft und Handelswissenschaften – abgeschlossen hatte, arbeitete Kılıçdaroğlu als Kundenbetreuer im Finanzministerium. Später wurde er zum Buchhalter befördert und in Frankreich weitergebildet. Innerhalb des Ministeriums stieg er anschließend zum stellvertretenden Generaldirektor der Finanzabteilung auf.

Vor seiner politischen Karriere war Kılıçdaroğlu vor allem als Präsident der Sozialversicherungsanstalt (SSK) bekannt. Die Position hatte er zunächst von 1992 bis 1996 inne, 1997 wurde er wiedergewählt. 1999 verließ Kılıçdaroğlu die SSK und konzentrierte sich auf die politische Arbeit.

Politischer Durchbruch unter Baykal

Kılıçdaroğlu versuchte zunächst, unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit auf die Kandidatenliste der Demokratischen Linkspartei (DSP) zu kommen. Obwohl er als Star der DSP gefeiert wurde, blieb er erfolglos.

Erst mit der Unterstützung des damaligen Vorsitzenden der CHP, Deniz Baykal, gelang Kılıçdaroğlu der politische Durchbruch. Dieser lud ihn ein, seiner Partei beizutreten. Baykal sollte damit, wohl eher unbewusst, den Aufstieg seines Nachfolgers in Gang setzen.

Nach Baykals Rücktritt im Jahr 2010 begann Kılıçdaroğlu, seinen Weg für die CHP-Führung zu ebnen. Als Mitglied der CHP war Kılıçdaroğlu bei den Parlamentswahlen 2002 ins türkische Parlament gewählt worden, wo er bis 2015 als Abgeordneter den zweiten Wahlbezirk von Istanbul repräsentierte.

Nach seiner Wiederwahl bei der Parlamentswahl 2007 wurde er stellvertretender Vorsitzender der CHP-Fraktion. 2009 kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters von Istanbul, verlor aber das Rennen gegen den Kandidaten der AK-Partei, Kadir Topbaş. Kılıçdaroğlu erhielt 37 Prozent der Stimmen, während Topbaş 44,71 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnte.

Ein Jahr danach kandidierte Kılıçdaroğlu für den Vorsitz der CHP, nachdem Baykal wegen eines Videoskandals zurückgetreten war. Anhand einer Bildaufnahme war Baykal vorgeworfen worden, eine Affäre mit einer Parteikollegin eingegangen zu sein, die einst seine Sekretärin gewesen sein soll. Obwohl Baykal die Anschuldigungen zurückwies und sie als Verschwörung bezeichnete, trat er zurück. Kılıçdaroğlu erhielt daraufhin die Unterstützung von 77 Provinzvorsitzenden, um an Baykals Stelle für das Amt zu kandidieren. Auf dem Parteitag im Mai 2010 wurde er schließlich zum Parteivorsitzenden gewählt.

Als Vorsitzender der CHP wurde Kılıçdaroğlu auch zum Kopf der Hauptopposition, da seine Partei die zweitgrößte politische Partei in der Großen Nationalversammlung (TBMM) war und blieb.

Mit Sechser-Tisch ins Rennen

Nur wenige Monate nach der Ernennung von Kılıçdaroğlu zum CHP-Chef fand in Türkiye am 12. September 2010 ein Verfassungsreferendum statt. Der Oppositionsführer hatte für ein Nein gegen die von der AK-Partei vorgeschlagene Verfassungsreform geworben – jedoch vergebens. Dabei versuchte er auch, die Gesetzesvorschläge rechtlich anzufechten, aber das Verfassungsgericht entschied gegen ihn. Die Reformen wurden mit 58 Prozent der Stimmen angenommen.

Im folgenden Jahr nahm Kılıçdaroğlu an den Parlamentswahlen als Vorsitzender der CHP teil. Seine Partei gewann 25,98 Prozent der Stimmen, was ihr 135 gewählte Abgeordnete einbrachte, während die AK-Partei als Wahlsieger 49,83 Prozent und die Nationalistische Bewegungspartei (MHP) 13,01 Prozent der Stimmen erhielt.

Bis 2015 saß Kılıçdaroğlu als Abgeordneter für den zweiten Wahlbezirk der Provinz Izmir im TBMM. Bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 trat er erneut gegen Präsident Erdoğan an, diesmal erhielt seine Partei 24,95 Prozent der Stimmen – etwas weniger als bei den Wahlen zuvor.

Bei den Wahlen 2018 gründete Kılıçdaroğlu die „Allianz der Nation“ (millet ittifakı), zusammen mit der IYI-Parteivorsitzendin Meral Akşener, Saadet-Parteichef Temel Karamollaoğlu und Gültekin Uysal von der Demokrat-Partei. Kılıçdaroğlus Partei-Allianz wurde im Februar 2022 erweitert: Ahmet Davutoğlu von der Gelecek-Partei und Ali Babacan von der DEVA-Partei traten offiziell dem Bündnis bei. Die Allianz der Parteichefs wird auch als „Sechser-Tisch“ bezeichnet.

Jetzt, wo fünf weitere Parteien Kılıçdaroğlus jüngste Kandidatur für die türkische Präsidentschaft unterstützen, bleibt abzuwarten, was passieren wird. Wird Kılıçdaroğlu diesmal gewinnen können oder wird sich Präsident Erdoğan erneut als Sieger erweisen?

TRT Deutsch