Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will laut Berichten zurücktreten. / Photo: DPA (dpa)
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Eigentlich wollte Christine Lambrecht schon vor der letzten Wahl ihre Karriere in der Bundespolitik beenden. Doch dann machte Kanzler Olaf Scholz (SPD) seine Parteigenossin überraschend zur Bundesverteidigungsministerin. In Zeiten des Ukraine-Kriegs stand Lambrecht schnell unter Dauerbeschuss - und agierte zuweilen erstaunlich ungeschickt. Nun will die 57-jährige Juristin nach Medienberichten zurücktreten. Als Lambrecht ihr Amt im Dezember 2021 antrat, war ihr bewusst, dass sie eine über viele Jahre zusammengesparte Truppe mit massiven Ausrüstungsmängeln übernahm. Sie versprach, die Verbesserung des Beschaffungswesens bei der Bundeswehr zur Priorität zu machen. Morawiecki bezeichnete Lambrechts Helm-Zusage als „Witz“ Wie mühsam das sein würde, musste sie erkennen, als wegen des im Februar begonnen Ukraine-Kriegs plötzlich ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro eingerichtet wurde, um die Bundeswehr wieder fit für die Landes- und Bündnisverteidigung zu machen. Es dauerte bis Dezember, bis die ersten der vielen geplanten Rüstungsprojekte auf den Weg gebracht waren. Unter Druck geriet Lambrecht auch international wegen des zögerlichen Kurses bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. Als sie im Januar 2022 angesichts des drohenden russischen Einmarsches Kiew 5000 Schutzhelme zusagte, sprach Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki von einem „Witz“. Für andere Schlagzeilen sorgte Lambrecht kurz vor Ostern, als sie mit ihrem erwachsenen Sohn vor einem gemeinsamen Sylt-Urlaub in einem Bundeswehrhubschrauber zu einem Truppenbesuch nach Schleswig-Holstein reiste. Der Sohn postete auf Instagram ein Bild von sich im Helikopter. Laut Verteidigungsministerium war der Mitflug des Sohnes zulässig, Lambrecht habe sämtliche Kosten dafür übernommen. Der Vorgang bot ihren Kritikern aber willkommene Angriffsfläche. „Peinlich“ und „vollkommen überfordert“ Kopfschütteln löste zuletzt ihr offenbar improvisiert aufgenommenes Silvester-Video aus: „Mitten in Europa tobt ein Krieg“, sagt Lambrecht darin und ist wegen Böllerlärms im Hintergrund kaum zu verstehen. „Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke.“ Das Video war eine Steilvorlage für die Union: Als „peinlich“ und „vollkommen überfordert“ kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz die SPD-Frau und forderte von Scholz ihre sofortige Entlassung. Auch in den eigenen Reihen fragten sich viele, wie einer erfahrenen Politikerin solche Fehler unterlaufen können.

Denn Lambrecht ist seit zweieinhalb Jahrzehnten in der Bundespolitik. Nach Juristen-Ausbildung und Arbeit als Anwältin wird sie 1998 erstmals als Abgeordnete in den Bundestag gewählt. Nach der Geburt ihres Sohnes nimmt sie ihn mit zur Arbeit. „Mein Sohn ist im Bundestag groß geworden“, erzählte sie einmal der „Zeit“. Gewickelt habe sie das Kind auf dem Schreibtisch. Fünf Mal schafft die gebürtige Mannheimerin dann bis 2017 die Wiederwahl, ist mehrere Jahre Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Als Olaf Scholz im März 2018 Finanzminister wird, holt er sie als Parlamentarische Staatssekretärin in sein Ressort. Lambrechts Gesetzesentwurf brachte Seehofer auf die Palme Im Juni 2019 wird Lambrecht Justizministerin, als die damalige Amtsinhaberin Katarina Barley in die Europapolitik wechselt. Den damaligen Innenminister Horst Seehofer bringt sie 2020 auf die Palme, als sie einen Gesetzentwurf zum Insolvenzrecht mit rein weiblichen Bezeichnungen verfassen lässt. Der CSU-Mann lässt die Vorlage unter Protest zurückschicken. Ein Jahr nach ihrer Scheidung kündigt sie im November 2020 an, nicht mehr für eine Wiederwahl zu kandidieren. „22 Jahre Bundestag bedeuten 22 Jahre zweiter Wohnsitz, 22 Jahre aus dem Koffer leben“, sagt sie damals dem „Spiegel“. Sie sei „in einem Alter, wo man noch etwas Neues beginnen kann“. Dabei fasst sie ins Auge, wieder als Anwältin zu arbeiten - ein Job, der nun wieder eine Option für sie werden könnte.

AFP