24.06.2021, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klappt nach der Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel bei der Sitzung des Deutschen Bundestags das Redemanuskript zu. (dpa)
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Die Kanzlerin nimmt Abschied vom Parlament: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Donnerstag ihre wahrscheinlich letzte Rede im Bundestag gehalten, dem sie seit 1990 als Abgeordnete angehört. Auf eine Bilanz ihrer 16-jährigen Kanzlerinnenschaft verzichtete Merkel, sie hielt sich an das Kernthema ihrer Regierungserklärung: die Europapolitik. Mit Ausnahme der AfD zollten Rednerinnen und Redner aller anderen Fraktionen der Kanzlerin Respekt für ihr politisches Werk.

Merkel legte in ihrer Rede ein Bekenntnis zu Europa ab. „Ich bin überzeugt, dass wir nur zusammen als Staatengemeinschaft erfolgreich die Herausforderungen der Pandemie wie auch der anderen großen Aufgaben meistern können“, sagte sie. „Eine souveräne Europäische Union sollte hier ein starker Partner sein.“

Die Kanzlerin mahnte allerdings auch eine ehrliche Fehlerbilanz beim Umgang der EU mit der Corona-Pandemie an. Die ersten Reaktionen darauf seien auf Nationalstaatsebene erfolgt, erst danach hätten sich die EU-Partner abgestimmt – etwa in Fragen von Grenzschließungen und Freizügigkeit. „Wir wissen heute, dass wir das besser können und es auch in Zukunft besser machen“, sagte Merkel.

Gemeinsamer Kurs gegen Russland

Die Bundeskanzlerin rief vor dem EU-Gipfel in Brüssel zudem zu einem gemeinsamen Kurs gegenüber Russland auf. „Denn die Ereignisse der letzten Monate – und nicht nur in Deutschland – haben deutlich gezeigt, dass es nicht reicht, wenn wir auf die Vielzahl russischer Provokationen unkoordiniert reagieren“, sagt sie im Bundestag. „Stattdessen müssen wir Mechanismen schaffen, um gemeinsam und geeint auf Provokationen antworten zu können.“ Nur so werde man lernen, „den hybriden Angriffen Russlands etwas entgegenzusetzen“, so Merkel.

Die EU sei wegen ihrer räumlichen Nähe und ihrer Verantwortung gegenüber „Ländern in der östlichen Partnerschaft“ gefordert, „eine angemessene Antwort auf die russischen Aktivitäten zu geben“. Die Kanzlerin nannte die Ukraine, Belarus und Länder auf dem Westbalkan. Dafür müsse die EU auch den direkten Kontakt mit Russland und dem russischen Präsidenten suchen und Gesprächsformate schaffen.

Redner der anderen Fraktionen äußern Dank und Anerkennung

Rednerinnen und Redner von SPD, Grünen, FDP und Linken äußeren Dank und Anerkennung für Merkels langjährigen Einsatz in der Europapolitik – nur die AfD beließ es bei vernichtender Kritik.

„Ich möchte mich bei der Bundeskanzlerin für die Zusammenarbeit in der Europapolitik in den letzten vier Jahren bedanken“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz, der als SPD-Kanzlerkandidat für Merkels Nachfolge antritt. „Wir haben viele Fortschritte für Europa erreicht.“

Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zeigte Respekt für Merkels Leistung – und verband dies mit einem Seitenhieb auf die Union. Viele Menschen seien Merkel „dankbar dafür, dass Sie in Krisensituationen in den letzten 16 Jahren dieses Europa zusammengehalten haben – gerade auch gegen große Widerstände aus Ihrer eigenen Fraktion und vor allen Dingen von Ihrer Schwesterpartei.“

FDP-Chef Christian Lindner sprach Merkel „große Verdienste“ zu, weil sie „ihre Kraft und ihre intellektuellen Gaben stets uneigennützig in den Dienst Deutschlands und Europas gestellt“ habe.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, Merkel habe in der Europapolitik "vielfach Schlimmeres verhindert". Allerdings sei dies "für die Ambitionen, die wir mit Europa haben sollten, zu wenig".

Laschet rechnet mit der AfD ab

Als grundsätzlich falsch bewertete AfD-Fraktionschefin Alice Weidel die Politik der Kanzlerin. Weidel sprach von „Fehlentscheidungen, die dieses Land tief gespalten und ihm schweren Schaden auf Jahre und Jahrzehnte hinaus zugefügt“ hätten.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) nutzte seine erste Rede im Bundestag seit 23 Jahren für eine Abrechnung mit der AfD. „Sie schaden deutschen Interessen“, sagte Laschet an die AfD gerichtet. „Das ist es, was sie anstellen mit ihrem Gegröle.“ Insbesondere kritisierte er die Forderung der AfD nach einem EU-Austritt Deutschlands. Laschet sprach als Mitglied des Bundesrats im Plenum; dem Bundestag hatte er von 1994 bis 1998 angehört.

Merkel will bei der Wahl im September nicht mehr kandidieren und scheidet dann aus dem Bundestag aus. Die laufende Woche ist die letzte reguläre Sitzungswoche des Bundestags vor der Wahl am 26. September. Anfang September wird das Parlament aber voraussichtlich noch einmal zu einer Sitzung zusammenkommen.

Agenturen