02.06.2021, Niedersachsen, Buchholz (Aller): Eine Anzeigetafel an einer Tankstelle an der Autobahn A7 im Landkreis Heidekreis zeigt die Preise für Kraftstoff an. Die Benzinpreise in Deutschland sind bereits jetzt auf den höchsten Stand seit zwei Jahren gestiegen. (dpa)
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Die künftige Entwicklung der Spritpreise hat knapp vier Monate vor der Bundestagswahl für heftigen Streit zwischen den Parteien gesorgt. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach am Donnerstag von einer „populistischen Benzinwutkampagne“, nachdem SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich gegen deutlich höhere Benzinpreise ausgesprochen hatten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warf den beiden Ministern eine „besondere Form der Selbstvergessenheit“ vor.
Bundesfinanzminister Scholz hatte der „Bild“-Zeitung zu den Benzinpreisen gesagt: „Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind.“ Ein immer höherer CO2-Preis sorge „nicht für mehr Klimaschutz, sondern nur für mehr Frust“. Verkehrsminister Scheuer sagte dem Blatt, es gehe nicht, „dass die Preise immer weiter nach oben gehen“. Mobilität sei „auch ein sozialer Aspekt“.

Grünen-Fraktionschef Hofreiter warf daraufhin Union und SPD vor, sie hätten gerade ein höheres Klimaziel beschlossen, verweigerten aber die Umsetzung ihrer Beschlüsse. Jetzt zündeten „Scholz, Scheuer und Co. die nächste Stufe der Unredlichkeit“. Obwohl sie selbst einen ansteigenden CO2-Preis beschlossen hätten, starteten sie eine „populistische Benzinwutkampagne“.

Grüne wollen Kostenexplosion mit „Energiegeld“ auffangen

„Wer Ängste schürt und Halbwahrheiten verbreitet, untergräbt bewusst die Akzeptanz für die zentrale Zukunftsaufgabe Klimaschutz“, kritisierte Hofreiter. Klimaschutz brauche ambitionierte Maßnahmen zusammen mit einem starken sozialen Ausgleich wie ein Energiegeld als Rückerstattung des CO2-Preises.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte dem „Handelsblatt“ vor dem Hintergrund der Äußerungen von Scholz und Scheuer, die Koalition habe zu Recht einen CO2-Preis selbst eingeführt und gerade die Klimaziele geschärft. Dann müsse sie aber auch zu den eigenen Beschlüssen stehen und sie umsetzen – „und zwar so, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammenpassen“.

Hintergrund der Debatte ist, dass durch die Einführung von CO2-Preisen für mehr Klimaschutz auch die Spritpreise in die Höhe gehen. Sie waren deshalb auch schon zum Jahresbeginn gestiegen. Der CO2-Preis pro Tonne Kohlendioxid liegt derzeit bei 25 Euro und soll nach der bisherigen Beschlusslage schrittweise auf 55 Euro im Jahr 2025 steigen. Die Grünen wollen die Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen.

Kubicki: Politik auf Kosten der Pendler auf dem Land
Baerbock sagte dem „Handelsblatt“, der CO2-Preis müsse weiter steigen, um Klimaschutzinnovationen weiter anzureizen. Das mache beim Benzin bei 60 Euro dann nochmal zehn Cent aus. Sie verwies zugleich darauf, vor allem Geringverdiener entlasten zu wollen: „Das heißt, wir geben die Einnahmen aus dem CO2-Preis als Energiegeld an die Menschen zurück, fair aufgeteilt pro Kopf, und senken den Strompreis.“ Davon profitierten vor allem Kleinverdiener und Familien.
Kritik an den Grünen kam auch von der FDP. Wer die Preisschraube für die Menschen im Land immer weiter anziehen wolle, „wird die Quittung für diese Ignoranz am Wahlsonntag im September bekommen“, sagte Parteivize Wolfgang Kubicki der „Augsburger Allgemeinen“. Die vielen Pendlerfamilien auf dem Land spielten in dieser Welt keine Rolle. „Grün wählen muss man sich finanziell leisten können“, sagte Kubicki.
Der Linken-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin sprach von einer „wahlkampfgetriebenen Debatte“, die zeige, „dass Klimapolitik über die Verbraucherpreise sozialpolitisches Kamikaze ist“. Die Linke sei für starken Klimaschutz durch verbindliche Klimaschutzvorgaben wie ein Ende des Verbrenner-Pkw bis 2030, einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 und Klimaneutralität in Deutschland schon 2035.

AFP