04.11.2022, China, Peking: Xi Jinping (lM), Präsident von China, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, rM) kommen in der Osthalle der Großen Halle des Volkes zum Gespräch zusammen. / Photo: DPA (dpa)
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Es ist ein sehr spezieller Empfang, der Bundeskanzler Olaf Scholz am Flughafen von Peking bereitet wird. Menschen in weißen Schutzanzügen rollen den roten Teppich vor seiner Regierungsmaschine aus. Bis er ihn betreten kann, dauert es jedoch ein paar Minuten. Scholz muss für die Einreise nach China erst noch einen dritten PCR-Test machen - nach zweien im Abstand von 24 Stunden vor der Abreise in Berlin. Die Probe nimmt ein Arzt, der aus Deutschland mitgereist ist - allerdings unter chinesischer Aufsicht. Es gab bisher nur eine Kanzler-Reise, bei der das genauso ablief: Als Scholz im Februar den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Moskauer Kreml besuchte - nur wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Trotz negativen Tests unterhielten sich die beiden später an einem riesigen Tisch in sechs Meter Abstand. Kein Handschlag und kein Fäusteln mit Xi In ähnlicher Entfernung nehmen Scholz und Xi Platz, als sie zu ihrem Gespräch in der Großen Halle des Volkes zusammenkommen. Schon die Begrüßung ist distanziert. Kein Handschlag, nicht einmal ein Fäusteln, nur ein fester Blick. Immerhin haben die beiden - anders als die Mitglieder ihrer Delegationen - keine Masken auf. Die Worte zum Auftakt sind höflich. Man werde über eine Weiterentwicklung der Wirtschaftsbeziehungen reden, aber auch Differenzen nicht aussparen, sagt Scholz. „Das ist das Ziel eines guten Austauschs.“ Zum Mittagessen im Goldenen Saal gibt es Rindfleischstreifen in Senfsoße, Süßwassergarnelen und gebratenen Fisch süß-sauer. Viel mehr erfährt man zunächst nicht. Scholz will „intensiven Austausch“ Am dem Ort, an dem Xi und Scholz speisen, hat der chinesische Staatschef erst vor zwei Wochen beim Parteitag der Kommunistischen Partei seine Macht zementiert. Eine dritte Amtszeit hat der 69-Jährige nun sicher. Die künftige Führungsriege ist ganz auf seiner Linie. Der Präsident ist so mächtig wie zuvor nur Mao Tsetung, der das Land allerdings ins Chaos stürzte. Scholz ist der erste westliche Regierungschef, der dem Präsidenten seit dem Parteitag seine Aufwartung macht. Kritiker sehen das als Anbiederung an einen immer unheimlicher werdenden absoluten Herrscher. Scholz meint, dass man auch mit schwierigen Leuten reden muss, jedenfalls wenn sie so mächtig sind wie Xi Jinping, und wenn sie ein Land regieren, von dem Deutschland wirtschaftlich noch abhängiger ist als es von Russland jemals war. Der „intensive Austausch“ sei wichtig, sagt Scholz beim Treffen mit Xi. Zehn Tage Quarantäne bei Kontakt zur „Kanzler-Blase“ Sein Bewegungsradius in Peking ist eng begrenzt. Der Kanzler kann lediglich zwischen dem Staatsgästehaus Diaoyutai und der Großen Halle des Volkes pendeln. Auch das ist dem knallharten chinesischen Corona-Regime geschuldet. Scholz und die begleitenden Mitarbeiter, Unternehmer und Journalisten - insgesamt mehr als 60 Leute - werden während ihres nur elfstündigen Aufenthalts streng abgeschottet. Wer diese „Kanzler-Blase“ betritt, muss für zehn Tage in Quarantäne. Zumindest fast jeder - auch auf chinesischer Seite. Und noch ein Kuriosum: Um die Quarantäne für die Crew zu vermeiden, wird der Regierungsflieger des Kanzlers für die Zeit des Wartens in Südkorea geparkt - 1000 Kilometer Luftlinie von Peking entfernt. „Sondierungsreise“ oder Handelsreise? Scholz in Begleitung von zwölf Managern Begleitet wird Scholz von zwölf Top-Managern, die milliardenschwere Interessen verfolgen. Der Platz in der Business Class des Regierungsfliegers ist für sie Gold wert. In Peking wird genau beobachtet, wem der Kanzler die Ehre gibt. Als Türöffner kann das sehr hilfreich sein. Unter rund 100 Bewerbern wurden zwölf ausgewählt. Volkswagen, Deutsche Bank, BASF, BMW, Siemens. Es sind fast nur Schwergewichte der deutschen Wirtschaft dabei. Für Scholz ist der Wirtschaftstross im Schlepptau allerdings auch eine Hypothek. Auch wenn die Manager-Truppe viel kleiner als sonst ausfällt: Der Eindruck, Scholz komme auch als Handelsreisender, lässt sich nicht wegdiskutieren. Bisher hat das nie jemanden gestört. Kanzler Gerhard Schröder reiste einmal sogar mit zwei Flugzeugen an, weil er möglichst viele Vorstandschefs mitnehmen wollte. Jetzt ist das anders. Spätestens seit dem Parteitag ist Scholz klar, dass er den pragmatischen, auf wirtschaftliche Zusammenarbeit fokussierten Kurs seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) gegenüber China so nicht weiterführen kann. Das Reich der Mitte wird immer unheimlicher. China stellt nationale Interessen über alles, geht immer rigoroser gegen Oppositionelle und Minderheiten vor, droht Taiwan unverhohlen mit Invasion. Die Furcht vor einem Russland-Szenario, nur noch viel schlimmer, wächst. „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel“, so Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

dpa