Bundestag und Bundesrat haben die bundesgesetzlich geregelten Corona-Auflagen abgeschafft (dpa)
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Ungeachtet neuer Rekordwerte bei den Infektionen wird der Großteil der Corona-Maßnahmen bald entfallen: Bundestag und Bundesrat billigten am Freitag das neue Infektionsschutzgesetz, das die meisten der bisherigen Corona-Maßnahmen nur noch übergangsweise bis Anfang April erlaubt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die Neuregelung, die im Bundesrat auf heftige Kritik stieß.

Maskenpflicht als Basisschutz

Für die Vorlage der Ampel-Koalition stimmten im Bundestag 388 Abgeordnete, 277 waren dagegen, es gab zwei Enthaltungen. Der Bundesrat verzichtete trotz aller Bedenken darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ohne das neue Gesetz wären alle bisherigen Corona-Beschränkungen am Samstag ausgelaufen. An ihre Stelle tritt nun ein so genannter Basisschutz, der im Kern lediglich eine Maskenpflicht für öffentliche Verkehrsmittel und für Einrichtungen mit vulnerablen Menschen vorsieht. Schärfere Maßnahmen dürfen die Länder nur für so genannte Hotspots anordnen. Übergangsweise dürfen die Länder aber die bisherigen Regeln noch bis zum 2. April in Kraft lassen. Lauterbach räumte im Bundestag ein, das neue Infektionsschutzgesetz sei ein „schwerer Kompromiss“ der Ampel-Koalition. Die Neuregelung erlaube aber weiter ein zielgerichtetes Vorgehen gegen die Pandemie. Die Opposition kritisierte die Vorlage als Pfusch: Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge sprach von einem gesetzgeberischen „Wirrwarr“.

Gesetz soll bei Bedarf geändert werden

Lauterbach ließ durchblicken, dass er sich eine schärfere Nachfolgeregelung gewünscht hätte - die in der Koalition aber nicht durchsetzbar war: „Ich hätte als Epidemiologe gewünscht, wir hätten mehr für diejenigen tun können, die jetzt im Risiko stehen.“ Er kündigte an, das Gesetz bei Bedarf erneut zu ändern. Die Opposition kritisierte das Gesetz - und das Erscheinungsbild der Koalition. „Der Minister redet so, als ob er in Opposition zu dem Antrag stehen würde“, sagte der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel. Auch die Linksfraktion kritisierte das Gesetz als handwerklich schlecht. Die Koalition treibe Gesetze „im Schweinsgalopp“ durch das Parlament, sagte die Linken-Abgeordnete Susanne Ferschl. Angesichts der neuen Rekordwerte bei den Infektionen sende das Gesetz das falsche Signal: „Bei Höchstständen lockert man doch nicht von 100 auf nahezu null.“ Die AfD-Abgeordnete Christina Baum bemängelte rechtliche Unklarheiten in der Vorlage - und zog daraus den Schluss: „Die Corona-Maßnahmen müssen komplett vom Tisch.“ Die Begründung für die Einschränkungen - nämlich eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden - lasse sich nicht halten. Der Änderung des Infektionsschutzgesetzes waren Spannungen innerhalb der Koalition vorausgegangen: Die FDP hatte darauf bestanden, künftig möglichst wenige Eingriffe im öffentlichen Leben im Namen der Pandemiebekämpfung zuzulassen. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther formulierte im Plenum abermals die Bedenken in ihrer Fraktion. „Aus meiner Sicht als Ärztin und Gesundheitspolitikerin braucht es für einen guten Infektionsschutz vermutlich mehr als das, was heute mit diesem Gesetz vorliegt“, sagte sie. Aus Sicht der FDP sei „nur das an Freiheitseinschränkungen möglich, was nötig ist“, sagte Köhler.

Kritik kommt von der Opposition

Im Bundesrat warf Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warf der Bundesregierung vor, das neue Gesetz ohne Abstimmung mit den Ländern fertiggestellt zu haben. „Die heutige Beratung ist ein Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Bund und Ländern“, sagte er. „Das Verfahren ist unsäglich und unwürdig.“ In der Sache sei die Neuregelung „rechtlich nicht sicher" und „für ein Flächenland praktisch nicht umsetzbar“, so Bouffier. Kritik kam auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Leider ist die vom Grundsatz her richtige Hotspotregelung nicht mit nachvollziehbaren und einheitlichen Kriterien hinterlegt worden“, erklärte KBV-Chef Andreas Gassen.

AFP