Bund-Länder-Beschluss: Lockdown-Verlängerung bis 7. März – mit Ausnahmen (dpa)
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Der Corona-Lockdown wird um weitere drei Wochen bis zum 7. März verlängert. Darauf einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder in ihren Beratungen am Mittwoch. Friseure allerdings dürfen unter Auflagen ab dem 1. März wieder öffnen, über Schulen und Kitas entscheiden die Länder in eigener Regie. Als Zielmarke für weitere Lockerungen gilt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35. Beim Unterschreiten dieser Marke können die Länder weitere Öffnungen vornehmen. Merkel sagte, die derzeit geltenden Maßnahmen zeigten Wirkung: „Wir können sehr zufrieden ein.“ Der Dank dafür gebühre den Bürgerinnen und Bürgern. Dennoch sei weitere Vorsicht nötig - vor allem wegen der hoch ansteckenden Virusmutanten.

Öffnung erst bei „stabiler“ Inzidenz

Die nächsten Schritte zur Öffnung sollen deshalb erst erfolgen, wenn es eine „stabile“ Inzidenz von höchsten 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gebe, sagte Merkel. Dieser Wert sei „bei weiter sinkendem Verlauf“ durchaus „in Reichweite“. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, die 35 sei im März erreichbar. Geöffnet werden soll dann unter anderem der Einzelhandel, wobei nur ein Kunde oder eine Kundin pro 20 Quadratmeter Ladenfläche erlaubt sein soll, wie Merkel sagte. Auch sollten Museen und Galerien wieder aufmachen. „Andere körpernahe Dienstleistungen“ als Friseure seien dann ebenfalls an der Reihe. Laut dem Beschlusspapier sollen diese nächsten Öffnungsschritte „durch die Länder“ erfolgen - es könnte also ein Flickenteppich entstehen. Merkel betonte, es müssten dann jeweils mit den benachbarten Bundesländern Absprachen getroffen werden, um etwa „Einkaufstourismus“ zu verhindern. „Wir haben heute etwas Stilbildendes gemacht: Wir haben den ersten größeren Öffnungsschritt mit einer Inzidenz versehen“. lobte Merkel. „Dies wünsche ich mir beizubehalten.“

Schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht

Zum stets besonders umkämpfen Thema Schulen und Kitas heißt es im Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde, dieser Bereich solle „als erster schrittweise“ wieder geöffnet werden. „Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung.“ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz, Berlin und andere Länder wollten ab dem 22. Februar die Schulen schrittweise öffnen. Im Fokus stünden zunächst die Grundschulen. Bayerns Ministerpräsident Söder kündigte an, sein Land werde bei dem Thema „eher etwas vorsichtig“ sein. Merkel sagte, sie habe hier „bestimmte eigene Vorstellungen“, die von denen der Länder abwichen. Jedoch liege dieses Thema in der Zuständigkeit der Länder - „die Kultushoheit zählt“. Es sei „einfach nicht möglich, dass ich mich durchsetzen kann, als hätte ich ein Vetorecht“, räumte die Kanzlerin ein.

Handwerk und Reisebranche reagieren unzufrieden

Zugleich allerdings warnte die Kanzlerin vor der Gefahr durch Corona-Mutanten. Die Zeit bis Mitte März sei „existenziell“ für die weitere Entwicklung der Pandemie - laut wissenschaftlichen Modellen werde sich in dieser Phase entscheiden, ob mutierte Coronaviren die Oberhand gewinnen. Das Thema Öffnungsstrategie werde bei der nächsten Beratungsrunde am 3. März wieder aufgegriffen, kündigte Merkel an. Es sollten für „Kontaktbeschränkungen im persönlichen Bereich, Kultur, Sport in Gruppen, Freizeit, Gastronomie und Hotelgewerbe Schritt für Schritt weitere Öffnungsschritte“ vereinbart werden. Die Opposition im Bundestag kritisierte die Beschlüsse. „Eine wirkliche Strategie, die über die einfältige Schließung und Verbote hinausgeht, fehlt nach über einem Jahr Pandemie noch immer“, sagte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki der „Rheinischen Post“. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einer „willkürlichen Einschränkung von Grundrechten der Bürger“. Auch das Handwerk und die Reisebranche reagierten unzufrieden auf die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse zur Corona-Politik. Der Deutsche Lehrerverband kritisierte die Beschlüsse zur Öffnung der Schulen und warnte vor Alleingängen der Bundesländer.

Wirtschaftsvertreter und Lehrer vermissen Planungssicherheit

Städte und Gemeinden haben nach den Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern die uneinheitliche Linie bei den Schulöffnungen kritisiert. „Wenn unterschiedliche Länder jetzt unterschiedliche Stufenpläne umsetzen, wird das für die Bürgerinnen und Bürger noch unübersichtlicher“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“. Notwendig seien „bundeseinheitliche Leitplanken, wie es weitergehen wird“. Dies gelte auch für die möglichen Öffnungen von Schulen. „Hier wäre eine Orientierung an einem bundeseinheitlichen System, bei welchen Inzidenzwerten welche Schritte folgen, wichtig gewesen“, sagte Landsberg. Er zeigte jedoch Verständnis für die Fortsetzung des Lockdowns. „Die Infektionszahlen sind weiterhin zu hoch.“ Auch im Hinblick auf die noch kaum verfügbaren Informationen zur Verbreitung von Virus-Mutationen sei es deshalb richtig, den Lockdown zunächst zu verlängern, um die Zahlen weiter herunterzubringen, sagte Landsberg. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), begrüßte hingegen die Beschlüsse von Bund und Ländern zu den Schulen. „Die ersten, die von Lockerungen profitieren, sind Kinder und Jugendliche. Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte Ernst der „Rheinischen Post“. „Die Länder werden jetzt verantwortungsvoll bei den Grundschulen mit schrittweisen Öffnungen beginnen.“ Ebenso begrüße die KMK die Prüfung, ob Erzieher und Lehrer früher geimpft werden können.

Lockdown an Akzeptanz und Vertrauen der Menschen gekoppelt

Der Deutsche Landkreistag spricht sich dafür aus, möglichst bald die strengen Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu lockern. „Der fortgesetzte Lockdown ist an die Akzeptanz und das Vertrauen der Menschen gekoppelt“, sagte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. „Deshalb sollten wir neben der Öffnung der Schulen und der Friseure die ganz enge Kontaktbeschränkung auf eine Person außerhalb des eigenen Haushalts so schnell wie möglich aufgeben.“ „Der erkennbare Rückgang bei den Infektionszahlen eröffnet perspektivisch die Spielräume, um zu Lockerungen zu gelangen“, fügte Sager hinzu. „Dafür ist es wichtig, dass Bund und Länder zügig weitere Öffnungsschritte abstimmen.“ Die fortdauernden Belastungen durch den Lockdown seien nur vermittelbar, „wenn der Plan mit realistischen, erreichbaren Zahlen unterlegt wird, anhand derer man abschätzen kann, was ab welchem Wert wieder geöffnet werden kann“, führte Sager aus. Die bereits vorgelegten Stufenpläne einzelner Bundesländer wiesen dabei in die richtige Richtung.

AFP