Symbolbild: Verfassungsschutz (dpa)
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Das bayerische Verfassungsschutzgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Bei mehreren Vorschriften muss nachgebessert werden, wie das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschied. Sie können aber größtenteils eingeschränkt bis Ende Juli kommenden Jahres weiter gelten. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit, die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit des bayerischen Geheimdiensts verfassungskonform auszugestalten, sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth.

Hier stünden zwei „Herzensanliegen“ der Verfassung im Spannungsfeld zueinander – die wehrhafte Demokratie und der Schutz der persönlichen Freiheit, erläuterte Harbarth in seinen einführenden Bemerkungen. Die Frage sei zudem eingebettet in ein „Spektrum neuer informationstechnologischer Möglichkeiten“.

Die Gesetzesnovelle von 2016 gibt dem bayerischen Verfassungsschutz weitreichende Befugnisse wie etwa die verdeckte Onlinedurchsuchung von Computern mit sogenannten Staatstrojanern, die Ortung von Handys, den Einsatz von V-Leuten zur Beobachtung und unter bestimmten Voraussetzungen die akustische und optische Überwachung von Privatwohnungen. Sie regelt auch die Übermittlung und Verarbeitung von Informationen.

Diese Regelungen seien zwar in ihrer aktuellen Ausgestaltung mit der Verfassung unvereinbar, sagte Richterin Gabriele Britz, die in dem Fall als Berichterstatterin fungierte. Der Gesetzgeber könne aber nachbessern.

Für nichtig erklärt wurde dagegen die Regelung zum Zugriff auf Daten, die aus Vorratsdatenspeicherung gewonnen wurden. Die Vorratsdatenspeicherung liegt in Deutschland aktuell bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ohnehin auf Eis. Die Bundesregierung will sie einschränken. Gesetz war schon bei seiner Einführung umstritten

Das bayerische Gesetz war schon bei seiner Einführung umstritten und allein mit den Stimmen der CSU im Münchner Landtag verabschiedet worden. Bayern ging dabei weiter als andere Länder. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Novelle bei der Verhandlung im Dezember 2021 unter anderem mit der Notwendigkeit von besserem Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verteidigt, die Anschläge wie den auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016 verhindern sollten.

Nach Karlsruhe zogen drei Mitglieder einer Organisation, die bis vor Kurzem im Verfassungsschutzbericht des Freistaats erwähnt wurde, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Die Kläger hielten es für möglich, dass sie selbst überwacht werden könnten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützte ihre Verfassungsbeschwerden.
Der GFF-Prozessbevollmächtigte Bijan Moini erklärte am Dienstag nach dem Urteil, für den Inlandsgeheimdienst gelte kein Freifahrtschein bei Grundrechtseingriffen. „Wer im Auftrag der wehrhaften Demokratie für den Schutz der Verfassung arbeitet, muss sich auch selbst an ihre Regeln halten.“

Minister Herrmann war zur Urteilsverkündung nach Karlsruhe gereist. Bayern werde die geforderten Änderung schnell umsetzen, „aber das ist machbar“, sagte er. Das Urteil zeige, dass das Verfassungsgericht die Tätigkeit des Verfassungsschutzes richtig, wichtig und notwendig finde.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) teilte mit, die Entscheidung sei ein „klares Signal für die Stärkung der Bürgerrechte, gerade auch im digitalen Raum“. Das Gericht habe erneut deutlich gemacht: „Sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und Grundrechtsschutz sind kein Widerspruch.“

Die Entscheidung könne und müsse Signalwirkung entfalten, erklärte der Deutsche Anwaltverein. Es müsse vermieden werden, dass sich die übrigen Verfassungsschutzämter ein Beispiel an Bayern nähmen. Das Karlsruher Urteil bezieht sich zwar auf den bayerischen Verfassungsschutz. Andere Länder und der Bund können ihm aber ebenfalls Hinweise darauf entnehmen, wie die Befugnisse der Geheimdienste ausgestaltet werden müssen.

Das Grundgesetz lasse dem Gesetzgeber „substanziellen Raum, den sicherheitspolitischen Herausforderungen auch im Bereich des Verfassungsschutzes Rechnung zu tragen“, sagte Harbarth am Dienstag. Zugleich setze die Verfassung „gehaltvolle grundrechtliche Schranken“.

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AFP