Archivbild. 10.03.2015, Sachsen, Marienberg: Soldaten des Panzergrenadierbataillons 371 zeigen ihre Ausrüstung, die vor einem Schützenpanzer Marder liegt. (dpa)
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In ihren Verhandlungen über ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr haben sich Koalition und Union angenähert. Damit rücken Waffenbestellungen bei der Rüstungsindustrie in großem Stil näher. Nach zwei zunächst ergebnislosen Verhandlungsterminen wollten Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU und der Ampel-Koalition am Sonntagabend erneut über die gesetzlichen Grundlagen dafür beraten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte als Reaktion auf Russlands Einmarsch in die Ukraine am 27. Februar im Bundestag eine massive Aufrüstung angekündigt: Der Haushalt werde einmalig mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen in Rüstungsvorhaben ausgestattet; Jahr für Jahr werde mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert. Weil das Sondervermögen im Grundgesetz verankert werden soll, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich. Deshalb ist die Koalition auf Stimmen der Opposition angewiesen.

Signale der Annäherung:

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt auf eine Einigung, wie er der „Welt am Sonntag“ sagte. Diese solle umfassen, „dass die Bundeswehr möglichst viele neue Waffen und eine funktionsfähige Ausrüstung erhält und die Finanzierung notwendiger sicherheitsrelevanter Systeme nicht ausgeschlossen ist“. Der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), zeigte sich in der „Rheinischen Post“ optimistisch, „dass wir am Sonntag eine Einigung hinbekommen“.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt pochte in der Online-Ausgabe der Zeitung auf die Einhaltung von Scholz' Versprechen: „100 Milliarden Euro für die Streitkräfte und dauerhaft das Zwei-Prozent-Ziel erreichen – wir erwarten, dass die Ampel dieses Doppelversprechen einlöst und es konkret mit Leben füllt.“ Das bedeute, das Sondervermögen im Grundgesetz zu verankern und das Zwei-Prozent-Ziel per einfachem Gesetz festzuschreiben. „Für diesen Weg bieten wir der Ampel unsere Unterstützung an.“

Zwei-Prozent-Ziel nicht ins Grundgesetz:

Auch aus den Regierungsfraktionen hieß es am Wochenende, dass die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels wohl nicht im Grundgesetz verankert werden solle, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen erfuhr. Der Hauptgrund sei, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei der Haushaltsfestsetzung noch gar nicht bekannt sei und eine Verletzung des Grundgesetzes vermieden werden solle. Das Statistische Bundesamt teilt das Ergebnis von Berechnungen zum BIP rund 15 Tage nach Ablauf eines Jahres mit.

Gleichwohl kündigte SPD-Chefin Saskia Esken in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ an: „Wir werden das Zwei-Prozent-Ziel nicht in jedem Jahr gleichermaßen erreichen.“ Wenn man heute Großgerät bestelle, bekomme man das erst in drei oder vier Jahren. „Möglicherweise sind die Summen in den ersten zwei Jahren nicht so hoch, und dann kommt ein Jahr, in dem sehr viel notwendig wird.“

Eine Einigung zeichnet sich auch bei der weiteren parlamentarischen Begleitung der Rüstungsbeschaffung ab. Dies solle in einem Unterausschuss des Haushaltsausschusses geschehen, hieß es in den Kreisen weiter. Auch bei der Frage eines Tilgungsplans für die vorgesehenen Kredite habe es Bewegung gegeben, hieß es.

Verwendung des Geldes:

Die Union wollte klargestellt wissen, dass das Sondervermögen ausschließlich für die Bundeswehr verwendet wird. Eine bisher geplante Formulierung – „zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ – war ihr zu unspezifisch. Habeck sagte: „In meinen Augen ist diese Debatte um das Geld leicht zu lösen.“ Unstrittig sei, dass die Bundeswehr jetzt einsatzfähig gemacht werde. „Nur definiert sich die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht allein durch die Zahl der Waffen, sondern auch durch einen Schutz vor digitalen Angriffen auf kritische Infrastruktur.“

Geht es nach den Grünen, wird mit dem frischen Geld also auch Cyberabwehr sowie Unterstützung für Partnerstaaten finanziert. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) sagte der «Rheinischen Post», dass die Kompromisssuche hier schwierig sei. „Es muss schon klar sein, dass das Sondervermögen für die Bundeswehr eingesetzt wird, nicht für andere Zwecke.“

Verhandlungen unter Zeitdruck:

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, sagte der dpa: „Das Sondervermögen muss vor der Sommerpause ins Grundgesetz, weil wir sonst viel Zeit verlieren.“ Bevor die Industrie neues Personal einstelle und Material und Vorprodukte bestelle, wolle sie die Sicherheit haben, dass die Gelder auch gesetzlich abgesichert seien. „Die nötigen Schiffe, Fahrzeuge und Schutzwesten liegen ja nicht im Schaufenster, sondern müssen neu produziert werden.“ Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte der „Rheinischen Post“, der Erwartungsdruck der Verbündeten sei in vielen Bereichen groß.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verwies auf die Frage, bis wann eine Einigung stehen müsse, auf die diese Woche geplante Verabschiedung des Haushalts. „Da bietet es sich an, auch das Sondervermögen zu beschließen“, sagte er der „Passauer Neue Presse“. Ob die Gespräche am Abend einen Durchbruch bringen würden oder danach noch einmal weiterverhandelt wird, war vorher offen. Eine Informierung der Öffentlichkeit am Abend war zunächst nicht geplant.

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dpa