Archivbild: Mateusz Morawiecki (l.), Ministerpräsident von Polen, und Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, nehmen an einer Pressekonferenz teil. (dpa)
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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat sich im Streit der EU mit Polen um die dortigen Justizreformen auf die Seite Warschaus gestellt. Der jüngst von der EU-Kommission gestellte Antrag auf finanzielle Sanktionen gegen Polen sei „beispiellos“, heißt es in einem von Orban unterschriebenen Regierungsbeschluss, den das Ungarische Amtsblatt am späten Donnerstagabend veröffentlichte. „Ungarn steht für Polen ein“, heißt es in dem Dokument. Mit ihrem Sanktionsantrag habe die EU-Kommission „zahlreiche Bestandteile der Souveränität eines Mitgliedslandes verletzt“. Justizministerin Judit Varga soll nun prüfen, wie Ungarn in das vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) laufende Verfahren zugunsten Polens eingreifen könne. Tusk schließt polnischen EU-Austritt nicht aus Der ehemalige EU-Ratspräsident und polnische Oppositionsführer Donald Tusk hält einen Austritt seines Landes aus der EU nicht für ausgeschlossen. Polen könne „schneller, als es irgendwem scheint“ kein EU-Mitglied mehr sein, wenn die „derzeitige Kampagne der nationalkonservativen Regierungspartei PiS aus den Händen“ gleite, sagte Tusk am Freitag dem Sender TVN24. Tusk ist kommissarischer Vorsitzender von Polens größter Oppositionspartei, der linksliberalen Bürgerplattform. Ein hochrangiger Vertreter der PiS hatte vor zwei Tagen die weitere Zusammenarbeit Polens mit der EU infrage gestellt und damit eine landesweite Debatte angestoßen. „Wir müssen darüber nachdenken, wie viel weiter, wie viel mehr wir noch zusammenarbeiten können, damit wir alle in der EU bleiben, und damit diese EU für uns annehmbar ist“, hatte PiS-Fraktionschef Ryszard Terlecki am Mittwoch bei einem Wirtschaftsforum in Karpacz gesagt und auf den Brexit verwiesen. Polen müsse auch über „drastische Schritte“ nachdenken. Ein Regierungssprecher betonte daraufhin, ein Austritt Polens aus der EU sei nicht geplant. Streitthema Justizreformen Die EU-Kommission hatte ihren Sanktionsantrag am letzten Dienstag mit der fortgesetzten Tätigkeit der Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern in Polen begründet. Diese sei laut Entscheidungen des EuGH nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar. Auch dem seit 2010 von Orban regierten Ungarn wirft Brüssel „Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit“ vor. Unter anderen würde die ungarische Staatsanwaltschaft Kritikern zufolge dermaßen von Orban-Loyalisten kontrolliert, dass Verfahren wegen mutmaßlicher Korruption im Umfeld der Regierungspartei Fidesz und der Orban-Familie so gut wie nie eingeleitet würden. Ungarn und Polen erhalten bedeutende Transferzahlungen von der EU. Beide Länder betrachten das Pochen der EU auf deren Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit beim Umgang mit diesen Geldern als Eingriff in ihre Souveränität.

dpa