10.08.2020, Mecklenburg-Vorpommern, Sassnitz-Mukran: Das russische Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ liegt im Hafen Mukran auf der Insel Rügen. Das Spezialschiff wird im Hafen für seinen Einsatz zum Weiterbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorbereitet. (dpa)
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Willen der Bundesregierung zur Fortsetzung und Vollendung des Baus der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 bekräftigt. Dazu äußerte sich Merkel am Dienstag in Stralsund zum Abschluss eines Besuches ihres Wahlkreises – vor dem Hintergrund von Sanktionsdrohungen aus dem US-Kongress.

„Wir halten auch diese exterritorialen Sanktionen, also die über das Gebiet der Vereinigten Staaten hinausgehen, für nicht rechtens“, sagte die Kanzlerin. Drei US-Senatoren hatten Anfang August in einem Schreiben an den deutschen Ostseehafen Sassnitz-Mukran Strafmaßnahmen gegen Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte und Aktionäre angedroht.

Nicht nur aus den USA werde Skepsis über das deutsch-russische Projekt geäußert. Der Osteuropa-Experte der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR), Gustav Gressel, erklärte im Gespräch mit TRT Deutsch, dass „Deutschland mit Nord Stream 2 auch innerhalb der Europäischen Union isoliert“ sei.

Deutschland befinde sich mit dem Projekt „in einer Art Gesetzeslücke, die es ausnutzen kann, um Geschäfte mit Russland zu treiben, die andere nicht treiben können“. Das stoße vielen osteuropäischen Staaten sauer auf. „Sie fühlen sich ungerecht behandelt“.

Gressel erklärte weiter, dass die Haltung Deutschlands gegenüber Russland durchaus als „doppelzüngig“ bewertet werden könne. Berlin gehe bei Punkten der Uneinigkeit durchaus auf Konfrontation, aber bei Wirtschaftsfragen sei man „konziliatorisch“. „Die Risiken überwirken die positiven Maßnahmen“, gab der Analyst mit Blick auf Sorgen osteuropäischer Staaten über ein aggressiver auftretendes Russland zu bedenken.

Nord Stream 2 könnte Russland in Osteuropa stärken

Russland sei zwar bislang auf konstruktive Beziehungen mit seinen osteuropäischen Nachbarn angewiesen, da diese oft als Transitgebiet für russisches Gas nach Zentraleuropa dienen. Das könnte sich mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 und Turk Stream jedoch ändern, argumentiert Gressel. Den Preis in Form einer stärkeren Militärpräsenz, um ein selbstbewussteres Russland abzuschrecken, müssten die USA bezahlen.

„Entweder Deutschland stellt mehr Truppen in Rahmen der NATO zur Verfügung“, sagte Gressel. Die zweite Alternative wäre, dass Berlin das Projekt „zumindest derweil“ stoppen könnte. „Aber man kann das Problem selber, das diese Pipeline kreiert, nicht einfach abschaffen.“

Nord Stream 2 spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns. Vom Hafen Sassnitz werden Pipeline-Rohre verschifft, in Lubmin soll das russische Gas ankommen.

Es war der erste Besuch Merkels in ihrem Wahlkreis in Vorpommern seit Beginn der Corona-Pandemie. Dabei traf sie sich mit Vertretern von Kliniken und Pflegeheimen sowie mit Schulleitern und Lehrern. Sie betonte, dass für den weiteren Verlauf der Pandemie Prioritäten gesetzt werden müssen. „Die Wirtschaft muss am Laufen bleiben, soweit das möglich ist.“ Kitas und Schulen müssten geöffnet bleiben.

TRT Deutsch und Agenturen