Italien, Rom: Giuseppe Conte, Premierminister von Italien, informiert das Parlament über den Coronavirus-Notstand.  (dpa)
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Trotz einer dramatischen Nachtsitzung haben die EU-Staaten vorerst kein gemeinsames Corona-Rettungspaket zustande gebracht. Eurogruppen-Chef Mario Centeno vertagte die Sitzung der Finanzminister am Mittwochmorgen nach 16 Stunden auf Donnerstag. Ein Kompromiss „sei noch nicht geschafft“, schrieb Centeno.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz appellierte gemeinsam mit seinem französischen Bruno Le Maire an seine EU-Kollegen: „In dieser schweren Stunde muss Europa eng zusammenstehen.“

Es ging um ein „Sicherheitsnetz“ im Umfang von rund 500 Milliarden Euro mit drei Elementen, um die Folgen der schweren Corona-Wirtschaftskrise gemeinsam zu bewältigen: vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM, die besonders betroffenen Staaten zugute kommen könnten; ein Garantiefonds für Unternehmenskredite der Europäischen Investitionsbank EIB; und das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kurzarbeiter-Programm namens „Sure“.

Scholz hatte vor der Videoschaltung mit seinen EU-Kollegen, die am Mittwoch kurz nach 16.00 Uhr begann, für diese drei „Instrumente der Solidarität“ geworben. Und diese schienen vorab auch im Kreis der Finanzminister weitgehend konsensfähig. Im Detail gab es dann dennoch Differenzen, die die Minister die ganze Nacht beschäftigten.

Die schwierigste Hürde war jedoch nach Angaben von Teilnehmern immer noch der Streit über die gemeinsame Schuldenaufnahme. Zunächst beharrten Frankreich, Italien, Spanien und andere nach Angaben aus Verhandlungskreisen darauf, gemeinsame europäische Schuldtitel zumindest für Wiederaufbauprogramme nach der Pandemie ins Auge zu fassen. Deutschland, die Niederlande und andere hätten dies abgelehnt, hieß es.

Spanien und Italien drohen mit Abkehr von EU

Der spanische Premierminister Pedro Sánchez warnte sogar davor, dass der Block „auseinanderfallen“ könnte, wenn die EU keinen ehrgeizigen Plan zur Unterstützung vorlegt.
Am Mittwochmorgen standen sich nach Angaben mehrerer Teilnehmer vor allem Italien und die Niederlande mit unvereinbaren Positionen gegenüber. Die Niederlande hätten auf strikten Bedingungen für Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM bestanden, hieß es. Italien habe diese abgelehnt und zudem weiter auf Eurobonds beharrt.

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beschrieb die Aussicht auf Kredite des Eurorettungsschirms ESM als „absolut unzureichend“. „Wenn wir es angesichts dieser Herausforderung nicht schaffen, eine koordinierte, einheitliche, starke, entschiedene Antwort zu geben, werden sich unsere Bürger möglicherweise von diesem gemeinsamen Haus entfernen“, warnt der Premier im „ARD“-Gespräch am Dienstag. „Sie würden sich nicht mehr beschützt fühlen.“

Die Positionen Deutschlands und Frankreichs näherten sich hingegen diesen Angaben zufolge an. Scholz betonte denn auch den Schulterschluss mit seinem französischen Kollegen: „Gemeinsam mit Bruno Le Maire rufe ich deshalb alle Euroländer auf, sich einer Lösung dieser schwierigen Finanzfragen nicht zu verweigern und einen guten Kompromiss zu ermöglichen - für alle Bürgerinnen und Bürger.“

Tiefe Klüfte zwischen Norden und Süden Europas

Für die Europäische Union ist die Hängepartie ein politisches Alarmzeichen: Die Klüfte sind tief, vor allem zwischen dem wohlhabenderen Norden und den von der Pandemie schwer gezeichneten Südländern wie Italien. Schon bei einem Videogipfel Ende März hatten die Staats- und Regierungschefs keinen Kompromiss gefunden und deshalb die Finanzminister mit der Lösungssuche beauftragt. Vorige Woche sagte Eurogruppen-Chef Centeno bereits, es gebe breite Unterstützung für das debattierte Paket mit den drei Punkten - doch nun klappte es immer noch nicht.

Von EU-Diplomaten hieß es, die Diskussion sei sehr hart gewesen. Auch Italien habe sich aber konstruktiv gezeigt. Der italienische Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri schrieb auf Twitter, man bleibe dran. „Jetzt ist die Zeit für gemeinsame Verantwortung, für Solidarität und für mutige und gemeinsame Entscheidungen.“

Eine für 10.00 Uhr am Mittwochmorgen angekündigte Pressekonferenz Centenos wurde verschoben. Wann die Sitzung der Eurogruppe am Donnerstag fortgesetzt wird, war zunächst nicht bekannt.

TRT Deutsch und Agenturen