Handy-Tracking in der Corona-Krise (dpa)
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Das Robert Koch-Institut (RKI) hat von der Deutschen Telekom kostenlos anonymisierte Bewegungsdaten von Handy-Nutzern erhalten, damit es den Erfolg von Maßnahmen gegen die Coronavirus-Ausbreitung einschätzen kann.

„Die Daten zeigen uns, ob insgesamt die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen hat“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Mittwoch in Berlin. „Es sind aggregierte, anonymisierte Daten und keine individuellen Daten“, betonte er. Das Robert Koch-Institut müsse beurteilen können, warum es Rückgänge oder Anstiege bei Infektionszahlen gibt. „Wenn wir sehen, dass die Menschen die Maßnahmen gar nicht umsetzen - und das sehen wir anhand dieser aggregierten Daten - dann sehen wir den Grund dafür, dass die Intervention, die wir wünschen, nicht erfolgreich ist“, erläuterte Wieler. Die Daten könne man sowieso kaufen, „wir kriegen sie nur diesmal umsonst“. Wieler ging davon aus, dass es wiederholte Lieferungen solcher Bewegungsdaten ans RKI geben wird. Mit den Daten ließen sich „Bewegungsströme modellieren – bundesweit, auf Bundesland-Ebene sowie bis auf die Kreis-Gemeinde-Ebene heruntergebrochen“, sagte eine Telekom-Sprecherin.

Datenschutzbeauftragter: Maßnahme in der gewählten Form vertretbar Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält die Maßnahme in der gewählten Form für vertretbar. „Vor allem unter den aktuellen Umständen spricht nichts gegen die Weitergabe dieser Daten zum Zweck des Gesundheitsschutzes“, schrieb Kelber am Mittwoch bei Twitter. Es handele sich um Daten, die keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichten. Aktuell werde in anderen Staaten während der Coronavirus-Pandemie der Datenschutz teilweise vernachlässigt. „In Deutschland sehe ich dafür keinen Grund, denn alle Lösungen lassen sich auch grundrechtskonform gestalten.“ Die Bundesregierung betonte, die Einführung einer flächendeckenden Handydaten-Auswertung sei in Deutschland nicht geplant. „Das Robert Koch-Institut begleitet erste wissenschaftliche Ansätze, die sich damit beschäftigen, wie Standortdaten zur Verfolgung von Infektionsketten eingesetzt werden können“, hieß es auf Anfrage.

Für viele Länder Handy-Tracking längst Alltag

In anderen Ländern ist das Handy-Tracking längst Alltag. In China, Südkorea und in Israel wird die Methode zur Ortung von Infizierten gezielt eingesetzt - ohne Einwilligungsprozedur und mit dem Ziel, die Verbreitung des Virus aufzuhalten. Auch Österreich will von dem Verfahren Gebrauch machen und prüfen, ob die aktuellen Ausgangsbeschränkungen Wirkung zeigen oder nicht.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat dem Auslesen von Handy-Daten zur Ortung von Corona-Infizierten eine Absage erteilt. „Mal abgesehen von der rechtlichen Bewertung, ob so etwas überhaupt so einfach statthaft ist, müssen wir bei allen Maßnahmen immer schauen, ob die Relation noch stimmt“, sagte KBV-Vorstandschef Andreas Gassen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

RKI: Sehr aufwändige Suche vereinfachen Gassen reagierte auf die Aussagen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Dessen Präsident Robert Wieler hatte gesagt, das Auslesen von Mobilfunkdaten sei „eine gute Möglichkeit, um Kontaktpersonen von Infizierten aufzuspüren“. Dies könne die bisher sehr aufwändige Suche vereinfachen. „Der massive Eingriff in Persönlichkeitsrechte erscheint mir im Falle von Corona nicht gerechtfertigt“, sagte dazu Gassen. „Über solche Maßnahmen könnte man meiner Einschätzung nach allenfalls nachdenken, falls es sich um eine in der Regel schwer oder tödlich verlaufende Erkrankung wie zum Beispiel Ebola handeln würde.“ Zurückhaltend zu den Überlegungen äußerte sich auch das Bundesinnenministerium. Mit den Handy-Standortdaten lasse sich die jeweilige Funkzelle bestimmen, in der sich deren Nutzer aufgehalten habe, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. „Für mich ist schwer vorstellbar, daraus abzuleiten, wer mit wem Kontakt hatte“, fügte er hinzu. Auch Datenschützer hatten sich zu den Überlegungen kritisch geäußert.

Handy-Tracking laut DSGVO nur mit Einwilligung

Für das Handy-Tracking bedarf es laut DSGVO-Verordnung eine Einwilligung und die muss freiwillig und jederzeit widerrufbar sein. Einige Regelungen im Infektionsschutzgesetz regeln tatsächlich die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Robert-Koch-Institut zur effektiven Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Hier steht das Wohl der Bevölkerung im Vordergrund.




dpa