01.06.1921, USA, Tulsa: Schwarzer Rauch steigt während der Rassenunruhen über Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma auf. Vor 100 Jahren hatten Mobs weißer Angreifer in Tulsa unzählige von Schwarzen betriebene Unternehmen zerstört, hunderte Häuser gingen in Flammen auf. Dutzende Schwarze wurden getötet, hunderte verletzt. (dpa)
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Zum 100. Jahrestag eines rassistisch motivierten Massakers in Tulsa reist US-Präsident Joe Biden am Dienstag in die 400.000-Einwohner-Stadt im Bundesstaat Oklahoma. In Tulsa hatte 1921 ein weißer Mob bis zu 300 Schwarze getötet - dies war eines der schlimmsten Massaker an Afroamerikanern in der Geschichte der USA.

„Ich sehe immer noch schwarze Männer vor mir, die erschossen werden, die Leichen von Schwarzen in den Straßen“, sagte Mitte Mai die 107-jährige Tulsa-Überlebende Viola Fletcher vor dem US-Kongress. „Ich sehe immer noch Geschäfte von Schwarzen vor mir, die niedergebrannt werden. Ich höre immer noch die Schreie.“

Vergewaltigungsvorwurf als Initialzündung für Lynchmob

Ausgangspunkt der Gewalt waren Vorwürfe gegen den jungen Schwarzen Dick Rowland, er habe sich in einem Fahrstuhl an einer weißen Frau vergangen. Rowland wurde am 31. Mai 1921 festgenommen. Vor dem Gerichtsgebäude, in dem er festgehalten wurde, gab es daraufhin Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen von Schwarzen und Weißen. Die Afroamerikaner befürchteten offenbar, Rowland könnte gelyncht werden.
Am Morgen des 1. Juni überrannte ein weißer Mob den von Afroamerikanern bewohnten Stadtteil Greenwood, der wegen seines regen Geschäftstreibens als „Wall Street der Schwarzen“ bezeichnet wurde. Die Angreifer erschossen zahlreiche Schwarze, plünderten das Viertel und brannten mehr als 1200 Häuser nieder, außerdem Kirchen, Schulen und Geschäfte. Während die Behörden die Zahl der Todesopfer zunächst mit weniger als 40 angaben, gehen Historiker inzwischen von 100 bis 300 Toten aus.
Kommission: Polizei stattete weiße Angreifer mit Waffen aus
2001 legte eine Kommission einen Untersuchungsbericht zu dem Massaker vor. Darin ist unter anderem festgehalten, dass viele der weißen Angreifer von der Polizei selbst mit Waffen ausgestattet und mit einer Unterstützung der Sicherheitskräfte beauftragt worden waren. Stattdessen hatten sie die Gewalt angeheizt. Viele gewählte Vertreter der Stadt, Polizeibeamte, Richter und Geschäftsleute gehörten damals dem rassistischen Ku Klux Klan an.
Niemand wurde je juristisch wegen des Massakers zur Verantwortung gezogen. Die Familien der Opfer erhielten keine Entschädigungen. „Fast 100 Jahre lang hat sich niemand für uns interessiert“, sagte die Überlebende Fletcher Mitte Mai vor dem Kongress. „Wir und unsere Geschichte wurden vergessen, weggewaschen.“
2018 kündigte Tulsas Bürgermeister G. T. Bynum eine Suche nach möglichen Massengräbern an. Im Oktober 2020 wurden in einem Gebiet mindestens zwölf Särge entdeckt - unklar ist bislang aber, ob es sich bei den bestatteten Toten um Opfer des Massakers handelt.

AFP