Londra'da Assange destekcileri gosteri duzenledi / Photo: AA (AA)
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Lowkey, der mit bürgerlichem Namen Kareem Dennis heißt, ist bekannt für seine unerschrockenen Analysen und treffenden Beobachtungen. Er verkörpert damit den perfekten „Artivisten“. Lowkey versucht, mit seiner Kunst auf wichtige gesellschaftliche oder politische Probleme aufmerksam zu machen.

Eines seiner Hauptthemen ist der Kampf der Palästinenser für Freiheit und Gerechtigkeit. In seinen Beiträgen scheut er sich nicht, die politischen Unterstützer im Westen beim Namen zu nennen.

Wie kamen Sie auf die Idee, Hip-Hop mit Aktivismus für Palästina zu verbinden?

Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich die Gemeinschaft vor Augen führen, aus der ich komme – Ladbroke Grove im Westen Londons. Dort leben viele junge Leute, darunter eine große marokkanische Gemeinschaft. Sie alle verbindet eine starke Affinität zu den Palästinensern.

Es ist aber auch ein Ort, an dem die Widersprüche unserer Zeit sehr deutlich werden. Einerseits leben wir in einer Gesellschaft, in der die Magna Carta hochgehalten wird: das Recht auf unabhängige Richter; das Recht auf Zugang zu Beweisen, die gegen einen sprechen; das Recht auf demokratische Meinungsäußerung. Andererseits sehen wir im Fall von Palästina, dass all diese Rechte verwehrt werden.

Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist. Großbritannien hat eine historische Rolle bei der Unterstützung der von Israel geführten zionistischen Bewegung in Palästina gespielt. Und es spielt eine aktuelle Rolle bei der Aufrechterhaltung einer rassistischen Herrschaft in Palästina.

In Ladbroke Grove lebt man wie jemand, der von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt wurde. Viele von uns wurden politisiert. Wir sahen den Staat in so vielen Aspekten unseres Lebens und nahmen eine fast schon feindselige Haltung gegenüber unseren Mitbürgern wahr – so wie bei Israel gegenüber den Palästinensern.

Ich hatte das Glück, zu Hause mit Musik aufzuwachsen, die ich irgendwann als die Kunst des Unmöglichen betrachtete. Durch sie konnte ich Dinge erreichen, die innerhalb der uns vom politischen System auferlegten Grenzen nicht leicht zu erreichen waren. Ich konnte mit Menschen reden, mit denen ich sonst nicht hätte sprechen können – auch mit Menschen, für die es in dieser Gesellschaft sehr schwierig ist.

In diesem Sinne sah ich in der Musik mehr als nur einen künstlerischen Ausdruck. Ich sah sie als das ultimative Kompensationsmittel, durch das die Stimmlosen endlich eine Stimme bekommen konnten. Vielleicht nicht auf Augenhöhe mit den Mächtigen, aber laut genug, um gegen die von ihnen verursachten Ungerechtigkeiten anzutreten. Ich habe gesehen, dass einige Hip-Hop-Künstler dies in ihrer Musik verkörpern. Das hat mich besonders inspiriert, vor allem in Bezug auf Palästina.

Diese Inspiration hat sich in letzter Zeit verstärkt: So viele Stimmen, die nicht alle gehört werden, fordern von den Regierungen Gerechtigkeit für Palästina. Doch die Regierenden handeln nicht. Sie ignorieren diese Stimmen.

Metaphorisch ausgedrückt kann ich zur Musik zurückkehren, um Lieder zu schaffen, die die momentane Anteilnahmslosigkeit verändern, stören – bevor ich in die Welt zurückkehre, in der diese Lieder veröffentlicht werden. Musik war für mich schon immer ein Zufluchtsort.

Gibt es im Vergleich zu anderen Kunstformen besondere Merkmale beim HipHop, die diese Musikrichtung als politisches Protestmittel besonders wirksam machen?

Es ermöglicht eine sehr direkte Kommunikation, so wie es die Dichter der arabischsprachigen Gesellschaften mit ihren Werken getan haben, um die politischen Akteure zu konfrontieren und zu kritisieren. Dabei haben sie Slogans kreiert, die in der Bevölkerung populär wurden.

Beim Hip-Hop sehe ich die gleiche Möglichkeit, vor allem durch eine scharfe Lyrik. Auf diese Weise kann man politischen Druck ausüben. Ich erinnere hier an den palästinensischen Dichter Mahmoud Darwish, der schrieb: „Wenn Du dich in einer Metapher befreist, denke an die anderen, die das Recht zu sprechen verloren haben.“

Das ist etwas, dessen ich mir in meiner Musik bewusst bin. Meine höchste Solidarität gilt den Anderen. Ich denke, mein Wirken in der Musikindustrie hat mich sowohl befähigt als auch begrenzt. Wenn man ein Gespür für das Leiden der Stimmlosen hat, erlaubt man sich eine gewisse Intimität mit den Menschen, die die eigene aktivistische Botschaft unterstützen. Das ist jedoch schwer zu erreichen.

Dadurch schneidet man sich aber auch von der Möglichkeit ab, in der Musikindustrie aufzusteigen. Denn letztlich ist die Musikindustrie eine Erweiterung des politischen und wirtschaftlichen Systems: Dieselben Machtverhältnisse, die in der Gesellschaft existieren, gibt es auch in der Musikindustrie. Jemand, der sich gerne für die Rechte der Unterdrückten einsetzt, wird in den Hallen der Macht und des Erfolgs wohl kaum willkommen sein.

Sie sind sowohl Hip-Hop-Künstler als auch Journalist. Wie stellen Sie fest, ob eine Idee besser in die eine oder andere Richtung verarbeitet werden sollte?

Ich denke, es gibt Informationen, die sich eher für die journalistische Aufarbeitung eignen. Und das ist es, was ich normalerweise sofort im Kopf habe. Wenn ich zum Beispiel Informationen über Organisationen veröffentlichen will, die illegale israelische Siedlungen finanzieren oder mit politischer Lobbyarbeit zu tun haben, dann weiß ich, dass es nicht der beste Weg ist, das mit einem Song zu tun.

Bei der journalistischen Art der Präsentation stehen Emotionen nicht im Vordergrund. Das kann man mit der Musik besser erreichen. Sie ist mehr auf der emotionalen Ebene angesiedelt und erlaubt es daher, an das menschliche Empfinden zu appellieren. Beim Journalismus hingegen geht es um das logische Verständnis. Man vermittelt Informationen, die den Leser zu einer bestimmten Schlussfolgerung bringen können.

Es gibt Dinge, bei denen man sich in die Fakten vertiefen und sie schriftlich darstellen muss. Aber egal, ob es um Hip-Hop oder Journalismus geht, ich versuche immer, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Ich will das aufdecken, was normalerweise an den Rand gedrängt wird. Die sozialen Medien waren da sehr hilfreich.

Apropos soziale Medien… Immer mehr Menschen kritisieren Israel in den sozialen Medien. Wie wird Tel Aviv darauf reagieren?

Wir treten in eine Phase ein, in der Israel nicht mehr alles haben kann. Einerseits strebt die politische, militärische und geheimdienstliche Elite Israels die Verwirklichung des Projekts „Großisrael“ an. Das bedeutet aktuell, dass Israel ganz Gaza einnehmen und mehr als zwei Millionen Palästinenser in die Sinai-Wüste vertreiben will. Das ist nicht einfach. Es ist ein idealistisches Ziel.

Andererseits verliert Israel bei der Verfolgung dieses Ziels an öffentlichem Ansehen, schadet seiner eigenen PR. Obwohl – wie wir sehen – es sich davon kaum abschrecken lässt. Es ist wichtig zu verstehen, wo die Wurzeln dessen liegen, was gerade passiert. Im Grunde handelt es sich um eine weitere Nakba. Wir erleben eine apokalyptische Gewalt in Gaza durch die Hände Israels, die auch mit der Al-Aqsa-Moschee in Verbindung steht.

Zum Beispiel ruft das Temple Institute, das seit Jahren vom israelischen Ministerium für Kultur und Bildung finanziert wird, explizit dazu auf, die Al-Aqsa zu zerstören. Sie wollen sie mit etwas ersetzen, wovon sie glauben, dass es vor Tausenden Jahren dort gestanden hat. Bei diesem Krieg in Gaza geht es darum, eine große Zahl von Palästinensern zu vertreiben und damit ein Versprechen an einige Israelis einzulösen.

Wir müssen uns zudem vor Augen führen, wie eng diese Organisation, also das Temple Institute, mit der israelischen Regierung verbunden ist. Laut einer Untersuchung der israelischen Armee aus dem Jahr 2013 hat die israelische Regierung die Mitgliedschaft beim Tempel Institute als Alternative zum Militärdienst angeboten. Frauen, die nicht in die Armee eintreten wollten, konnten stattdessen Teil der Organisation werden.

Historisch gesehen gab es eine Feindschaft zwischen dem israelischen Militär und dieser Bewegung, die die Zerstörung der Al-Aqsa fordert. Aber in den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat sich das geändert. Das Militär und Gruppen wie das Temple Institute agieren gemeinsam, um – im Rahmen einer größeren Völkermordkampagne – alle Palästinenser aus Gaza zu vertreiben.

Seit einer gefühlten Ewigkeit rufen die Palästinenser die internationale Gemeinschaft auf, gegen Israel vorzugehen: sei es wegen der Polizeibrutalität und der Folter in den Gefängnissen, wegen der Zerstörung ihrer Häuser oder wegen der rücksichtslosen Angriffe des Militärs. Wie viel von der heutigen Situation hätte Ihrer Meinung nach vorhergesehen oder erwartet werden können?

Menschen mit Geschichtswissen sehen, dass die aktuelle Lage das widerspiegelt, was zionistische Führer schon lange für Israel vorgesehen hatten, einschließlich der Vertreibung der Palästinenser. Das ist tatsächlich in erschreckender Detailgenauigkeit in den Aussagen der frühesten zionistischen Führer von David Ben-Gurion über Chaim Weizmann bis hin zu Theodor Herzl zu sehen.

In seinem Buch „Der Judenstaat“ sagt Herzl über die Israelis, sie würden versuchen, „die mittellose Bevölkerung über die Grenze zu schicken“. Was in Gaza geschieht, ist genau das: die Vertreibung der mittellosen Bevölkerung. Und leider ist es Israel im Laufe der Jahre gelungen, nicht nur bei den Regierungen Gehör zu finden, sondern sich auch in Bereichen des kulturellen Lebens weltweit zu etablieren. Israel will also nicht nur Gaza kontrollieren.

Das sage ich nicht leichtfertig. Zum Beispiel gibt es in der Musikindustrie eine Lobbygruppe namens Creative Community for Peace (CCFP). Diese Organisation wurde von Dave Lorenzo gegründet, der von der Universal Music Group kommt. CCFP bezeichnet sich ausdrücklich als Anti-BDS-Organisation (BDS; Bewegung für Sanktionen gegen Israel). Sie unterscheidet sich kaum von der israelischen Lobbygruppe StandWithUs, die direkt vom Büro des israelischen Ministerpräsidenten finanziert wird.

Die CCFP koordiniert sich zudem direkt mit dem israelischen Konsulat in Los Angeles. Und was noch wichtiger ist: Wenn man sich die Persönlichkeiten ansieht, die bei CCFP mitarbeiten, dann hat man es hier wirklich mit den Spitzen der Musikindustrie, aber auch der Filmindustrie zu tun.

Wir könnten sogar noch einen Schritt weiter gehen und einen Blick auf den kürzlich eingesetzten Chef der Universal Music Group werfen: Haim Saban. Er ist der größte Spendensammler für die Wohltätigkeitsorganisation FIDF [Friends of the Israel Defense Forces] in der Geschichte der Organisation.

Die US-Nachrichtenseite Mondoweiss geht davon aus, dass er die Israel-Politik von Joe Biden beeinflusst oder gar vorgibt. Saban ist ein israelischer Ex-Militär sowie Lobbyist, der heute eine einflussreiche Position im größten und wichtigsten Musikunternehmen der Welt innehat.

Es gibt auch Personen wie Lucian Grainge, der gut in das britische Establishment integriert ist. Er ist ein enger Freund von Premier Rishi Sunak, der bei einer Spendenaktion für die FIDF fotografiert wurde. Er ist Geschäftsführer von Universal Music. Seine Frau finanziert die British Conservative Party, die Henry Jackson Society, die Zionist Federation und sitzt in einem Aufsichtsrat, der mit Israels größtem Hotelunternehmen verbunden ist.

Ich erwähne dies, um zu zeigen, dass es Menschen gibt, die sich nicht scheuen, in wichtigen kulturellen Institutionen für Israel einzutreten – auch wenn Israel zur gleichen Zeit unschuldige Menschen in Gaza angreift. Das ist die Situation, in der wir uns befinden.

Das Interview wurde aus dem englischen Original übersetzt und aus Gründen der Länge und Klarheit bearbeitet.

TRT Deutsch