Eine Luftaufnahme von Holzbrettern, die aus dem abgeholzten Amazonas-Regenwald stammen. (dpa)
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Der deutsche Volkswagen-Konzern steht erneut im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen in Brasilien. Wie der Rechercheverbund aus NDR, SWR und „Süddeutscher Zeitung“ berichtet, geht die Staatsanwaltschaft in Rio de Janeiro systematischen Menschenrechtsverletzungen in hunderten Fällen nach. Diese sollen sich auf dem Gelände einer Rinderfarm zugetragen haben, die sich im Besitz des Konzerns befunden hatte.

Farm nach 12 Jahren als unwirtschaftlich aufgegeben

Mitte Juni sollen Vertreter von VW nun nach Brasilia zu einer Anhörung in der Sache anreisen. Im Zentrum steht der ehemalige Manager Friedrich Brügger. Der heute 84-jährige Schweizer soll im Auftrag des Konzerns von 1974 bis 1986 eine Farm im Amazonasbecken geleitet haben, um diese für die Fleischproduktion zu erschließen. Die damaligen Militärmachthaber hatten VW diesbezüglich zuvor ein Angebot gemacht und Steuererleichterungen zugesagt, um die Wolfsburger als Investor ins Land zu locken.

Das Projekt erwies sich als wenig ertragreich, weshalb es auch nach 12 Jahren wieder beendet wurde. Allerdings soll – und das erregt das Interesse der Justizbehörden heute – damals ein überaus hartes Regiment auf der Farm geherrscht haben. Die Rede ist von Schuldknechtschaft, systematischen Misshandlungen und massiven Gewaltausbrüchen bis hin zu Sklavenhaltung und Menschenhandel.

Form von Versklavung „nicht nur akzeptiert, sondern auch befördert“

Brügger selbst, der noch jüngst in Fernsehinterviews mit rassistischen Äußerungen über brasilianische Arbeitskräfte Aufsehen erregt hatte, soll nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Stattdessen geht es um die Verantwortlichkeit von VW für Brüggers eigenen Aussagen zufolge „Lebensprojekt“. VW habe, so die Ankläger, die dort praktizierte „Form von Versklavung offensichtlich nicht nur akzeptiert, sondern auch befördert - es war schlichtweg billige Arbeitskraft“.

Dem mehr als 2000 Seiten umfassenden Aktenkonvolut zufolge sollen vor allem Arbeitsvermittler, die Brügger mit Rodungen beauftragt hatte, schwere Verbrechen an Leiharbeitern verübt haben. Schwerkranke sollen mit vorgehaltener Waffe zur Arbeit gezwungen, die Frau eines Arbeiters soll als Strafe für einen Fluchtversuch vergewaltigt worden sein – in einigen Fällen soll es sogar Tote infolge von Misshandlungen gegeben haben. An Malaria verstorbene Arbeiter sollen oft ohne Information ihrer Familien auf dem Gelände der Farm begraben worden sein.

„Nicht immer ganz zart“

Brügger erklärte dazu lediglich, dass es bei Arbeiten mit mehr als 1000 Personen im Urwald „nicht immer ganz zart zugeht“. Staatsanwalt Rafael Garcia aus Rio de Janeiro spricht von einer „Form moderner Sklaverei“.

VW war bereits 2017 in einem Gutachten der Bundesstaatsanwaltschaft beschuldigt worden, in Brasilien zur Zeit der Militärregierung „an der polizeilichen, politischen Repression der Arbeiter mitgewirkt“ zu haben. Die Firma habe damals, so das Dokument, ihre eigenen Mitarbeiter und deren politische Gesinnung ausgespäht.

VW habe der Polizei Informationen über Regierungsgegner weitergegeben und politische Verhaftungen auf dem Werksgelände unterstützt. Die betroffenen Mitarbeiter seien im Anschluss an die Verhaftungen monatelang gefoltert worden, berichtete der NDR.

TRT Deutsch und Agenturen