Tesla: Bau der vierten Gigafabrik in Grünheide (dpa)
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Ein Bericht von Salman Ahmed

Als Tesla ankündigte, die neue „Gigafabrik“ in Berlin-Brandenburg zu bauen, wurde die Entscheidung im Bundestag gefeiert. Doch nur wenige Kilometer von Berlin entfernt - in Brandenburg, einem der ärmsten Bundesländer in Deutschland, stieß die Entscheidung auf Widerstand.

An einem kalten dunklen Winterabend in Berlin kommt eine Aktivisten-Gruppe in einer Bar der ehemaligen linken Szene zusammen. Die Bar befindet sich in einer Gegend, wo einst Straßenkämpfe zwischen der Polizei und Anarchisten stattfanden.

Die Umwelt-Aktivisten planen ihre nächsten Schritte, um Tesla vom Bau der vierten „Gigafabrik“ in der Nähe von Berlin abzuhalten.

Sie haben bereits eine Niederlage hinnehmen müssen. Den Antrag auf eine einstweilige Verfügung hat das zuständige Gericht abgewiesen. Ihr Ziel, Tesla daran zu hindern, den Großteil des Kiefernwaldes zu fällen, schlug fehl. Die Umweltschützer können nun auch keinen Einspruch mehr gegen die richterliche Entscheidung einlegen. Für den Fabrikbau wird Platz gemacht.

Die Aktivisten hatten sich an die Gerichte gewandt, um Berufung gegen die Entscheidung zu erwirken. Sobald aber in Deutschland ein Gericht einmal das Recht auf weiteren Einspruch aberkennt, ist die Entscheidung juristisch nicht weiter anfechtbar.

Naturschutzorganisationen können sich zwar weiterhin an die Gerichte wenden, um andere Aspekte des Tesla-Großprojekts in Frage zu stellen - das Fällen der Bäume können sie aber nicht mehr verhindern.

Die Auftragspartner von Tesla hatten es sehr eilig. Schätzungen zufolge wurden 56 speziell entwickelte Rodungsmaschinen eingesetzt, um innerhalb weniger Tage über 300 Hektar Wald abzuroden.

In einer Ecke der Bar schauen sich Aktivisten verschiedener Umweltgruppen eine PowerPoint-Präsentation an. Mit Karten und hervorgehobenen Zielen. Es werden Fragen gestellt, Antworten und Lösungen abgewogen.

Unter den Teilnehmer ist der 37-jährige Jonas Baliani von der „Interventionistischen Linken“ (IL) - einer linksradikalen Organisation mit rund 1000 Mitgliedern.

Baliani oder die „Interventionistische Linke“ sind nicht aus reinem Umweltschutzinteresse hier. Sie sind hier, um strategische Allianzen mit anderen Umweltgruppen zu schließen und ihre Bemühungen effektiver zu koordinieren.

Im November vergangenen Jahres kündigte Elon Musk, CEO von Tesla, den Bau der vierten „Gigafabrik“ außerhalb von Berlin an. Geplant ist zunächst die Produktion von 150.000 Elektroautos. Später sollen insgesamt 500.000 E-Autos das Werk verlassen. Für die Region bedeutet das 12.000 neue Arbeitsplätze.

Der „Sieg“ des Standortes war hart erkämpft - die Länder hatten Tesla mit diversen Anreizen umworben. Als die deutsche Regierung den Zuschlag erhielt, war sie besonders erfreut.

Jonas Baliani  - Interventionistische Linke (TRT World)

Die Fassade fällt

Die brandenburgische Landesregierung verkaufte in Grünheide für 46 Millionen US-Dollar 300 Hektar an Tesla. Baliani sagt, alles habe mit der Entscheidung der deutschen Regierung gestartet, das Land ohne jede Warnung an Tesla zu verkaufen.

Der deutsche Autogigant BMW hatte einst ähnliche Probleme mit einem seiner geplanten Automobilwerke. BMW hätte einen Teil eines Waldes roden müssen – ein langer Rechtsstreit war absehbar. Um den Widerstand einzudämmen, änderte BMW seine Pläne.

Tesla dagegen machte sich übereifrig ans Werk, sagt Baliani. Er nimmt an, die Rechtsberatung von Tesla habe schon früh wahrgenommen, was in Grünheide vorgeht.

„Sie wollten die Bäume vor März 2020 roden“, erklärt Baliani. Grund: Bis Oktober - sieben bis acht Monate lang also - ist der Wald Lebensraum für Tausende Zugvögel.

Daher ist Baliani sicher, dass die von Tesla beauftragten Unternehmen die Bäume zügig gefällt haben, noch bevor Zugvögel zu einem besonderen Hindernis werden konnten und somit noch mehr Umwelt- und Wildtierprobleme vor Gericht zum Vorschein gekommen wären.

Die „Grüne Liga Brandenburg“ hatte einen gerichtlichen Eilantrag gestellt, um das Fällen von Bäumen durch Tesla zu stoppen. Der Vorfall machte damals internationale Schlagzeilen.

Das Gericht stoppte Tesla nur kurz, um den Antrag zu überprüfen. Anschließend jedoch erteilte das Gericht die Bauerlaubnis. Als Begründung wurde genannt, Grünheide sei kein älterer Wald, sondern ein für spätere kommerzielle Nutzung gepflanzter Wald. Tesla versprach auch, im Gegenzug zu den gefällten Bäumen in Brandenburg dreimal so viele Bäume zu pflanzen.

Bäume fällen für das Tesla-Werk (DPA)

Obwohl der Konzern über die endgültige Baugenehmigung noch nicht verfügt, haben die Gerichte Tesla eine Sondergenehmigung erteilt, mit der die Vorbereitungen fortgesetzt werden. Wenn jedoch alles fehlschlägt, würde Tesla für das Fällen von Bäumen und die damit verbundenen Umweltschäden die Verantwortung tragen, sagt Micheal Ganschow von der Grünen Liga Brandenburg.

„Wir wurden daran gehindert, die Baustelle zu betreten. Als Grund gab man die Bomben und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg an, die möglicherweise noch in der Gegend seien“, sagt Ganschow, „aber ich denke, das ist eine Lüge.“

Ganschow sieht darin den Versuch, weitere Proteste vor Ort zu unterbinden.

Nachdem die Umweltschützer den Kampf um die Rettung der Bäume verloren haben, konzentrierten sie sich auf die weiteren ökologischen und sozialen Auswirkungen des Projekts.

Die Dürre

Brandenburg hat in letzter Zeit mit einem Trinkwassermangel zu kämpfen. Nach den neuesten Wetterdaten gab es in Berlin und Brandenburg in den vergangenen zwei Jahren 15 Prozent weniger Niederschlag.

Infolgedessen ist der Grundwasserspiegel gesunken, was wiederum die Landwirte belastet.

Laut einem Bericht der Umweltschutzorganisation WWF erhielten Landwirte in Brandenburg rund 81 Millionen Dollar Unterstützung aus Landes- und Bundesmitteln. Die Dürre im Jahr 2018 verursachte in der Landwirtschaft eine „extreme Not“ – und die Dürre ist noch nicht vorbei.

Laut Baliani hat der öffentlich-private Wasserversorger des Landes vor ernsthafter Trinkwasserknappheit in der Region gewarnt. Die Bewohner wurden gebeten, ihren Trinkwasserverbrauch zu reduzieren.

Wasser- und Wärmekraftwerke in Brandenburg mussten die Stromerzeugung drosseln. In den örtlichen Seen und Flüssen ist der Grundwasserspiegel zu niedrig.

Rekordtemperaturen im Sommer sowie anhaltender Regenmangel verursachen große Waldbrände und lassen den Rauch über den Himmel von Berlin und Brandenburg ziehen.

Das Ziel der Bundesregierung, die Emission bis 2020 zu reduzieren, ist jetzt schon nicht realisierbar.

Gigafabrik-Bau in Brandenburg (DPA)

Deutschland ist zwar beim Thema erneuerbare Energien weltweit führend und wendet sich deutlich von fossilen Brennstoffen ab, dennoch seien Naturschutzverbänden zufolge die jüngsten Pläne der Bundesregierung nicht besonders ehrgeizig.

Die Bemühungen der Regierung um Umweltschutz stehen derzeit auf dem Prüfstand.

Der Bundestag verabschiedete kürzlich ein Abkommen, wonach die Preise für CO2-Emissionen steigen sollen. Geplant sind auch mehr Anreize für den Kauf von Elektroautos, höhere LKW-Steuer ab 2023 sowie Zuschläge auf Inlandsflüge und Subventionen für die Deutsche Bahn.

„Friday for Future“ kritisierte in einem Tweet die Pläne. Die im Pariser Klimaabkommen eingegangenen Verpflichtungen würden ignoriert: „Unsere Regierung ignoriert das Ziel von 1,5 Grad Celsius völlig“, hieß es dort.

Zehnmal mehr Wasserverbrauch

Fest steht: Die Sorge um das Trinkwasser hat die Bewohner in Aufruhr versetzt.

Baliani erklärt den Hintergrund: „Eine Tesla-Elektroautofabrik verbraucht bei ihrem Produktionsprozess 372 Kubikmeter Wasser pro Stunde. Nach unserem Protest stimmte Tesla zu, den Wasserverbrauch um ein Drittel zu reduzieren. Wir sind uns aber nicht sicher, ob wir das glauben können.“

Wenn man davon ausgeht, dass die „Gigafabrik“ mit voller Kapazität arbeitet, also an 250 Tagen im Jahr 300.000 Autos produziert, dann würde der Gesamtwasserbedarf von Tesla gut 2,2 Millionen Kubikmeter betragen.

Zum Vergleich: BMW - der deutsche Autohersteller, der die Proteste nicht ignorierte und stattdessen beschloss, die Produktion an einen anderen Ort zu verlegen - hat sich im nahegelegenen Leipzig niedergelassen. Dort stellt der Konzern auch Elektroautos her, lässt aber das Werk 237 Tage arbeiten und 250.000 Autos mit einem Wasserverbrauch von 250.000 Kubikmeter produzieren.

Das ist etwa zehnmal weniger als der Tesla-Verbrauch.

Volkswagen, ein weiterer deutscher Automobilhersteller, produziert jährlich 300.000 Elektroautos durch Nutzung von 350.000 Kubikmeter Wasser.

Wasser wird zum Abkühlen von Maschinen und Schweißrobotern verwendet. Wenn die Sommertemperaturen höher sind als erwartet, bedeuten das einen Anstieg des Wasserverbrauchs.

Proteste gegen die Rodung  (DPA)

Die „Bürgerinitiative von Grünheide gegen die Gigafactory“ setzt sich seitdem unter dem Motto „Tesla oder Trinkwasser“ für den Schutz ihrer Trinkwasserressourcen ein.

Ihr Kampf kann auf einen Nenner reduziert werden: Kapitalismus versus dem grundlegenden Menschenrecht auf Zugang zum sauberen Trinkwasser.

Brandenburg ist ein Landwirtschaftsland, Wasser ist wesentlich für Leben und Handel. Teslas übermäßiger Verbrauch von ohnehin knappen Trinkwasserressourcen wird wahrscheinlich vor Gericht als direkten Widerspruch zu den allgemeinen Werten des Unternehmens vorgebracht.

Aber Baliani hat das alles schon vorausgesehen.

„Wir wollen den Bau der Fabrik stoppen und damit das angeblich grüne Image von Tesla entlarven.“







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