Festnahme einer rechten Terrorzelle (AFP)
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Nach der Festnahme von zwölf mutmaßlichen Rechtsterroristen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine entschlossene Verfolgung extremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst angekündigt. Muslimische Verbände beklagen mangelnde Solidaritätsbekundungen aus der Gesellschaft und wollen mehr Polizeischutz für Moscheen.

„Extremismus ist absolut inakzeptabel“

Es gehe darum, „den öffentlichen Dienst von Extremismus frei zu halten“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Deshalb werde die Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeitern in Polizei und Behörden verschärft.

„Extremismus ist absolut inakzeptabel, und wir gehen ohne Ansehen der Person konsequent dagegen vor“, sagte Seehofer. Es dürfe „keinen Zweifel“ daran geben, dass der öffentliche Dienst „fest auf dem Boden unserer Verfassung“ stehe.

Nach Festnahmen in sechs Bundesländern ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen zwölf Tatverdächtige. Die Tatverdächtigen sollen Angriffe auf Politiker, Muslime und Moscheen geplant haben, um die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu überwinden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (AA)

Seehofer äußerte sich besorgt: „Der Fall zeigt auch, was sich da in Deutschland zusammenbraut und dass wir auf allen Ebenen entschieden und unermüdlich dagegen vorgehen müssen.“ Dass die Tatverdächtigen von den Behörden rechtzeitig entdeckt worden seien, sei ein „großer Erfolg“. Behörden verhindern Angriffe rechter Terrorzelle auf Muslime

Die Behörden hatten nach einem Medienbericht einen Informanten innerhalb der mutmaßlichen rechten Terrorzelle. Er habe bereits Anfang Oktober umfangreiche Angaben gegenüber der Polizei gemacht, berichteten SWR und ARD-Hauptstadtstudio am Montag. Der Mann war am Freitag als einziger der Verdächtigen nicht festgenommen worden. Dem Bericht zufolge soll der Kontakt zur Polizei in der vergangenen Woche abgerissen sein. Das federführende Landeskriminalamt Baden-Württemberg habe deshalb einerseits um seine Sicherheit gefürchtet, andererseits Sorge vor spontanen Taten der Gruppe gehabt. Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien gegen die Gruppe vorgegangen und hatte die anderen zwölf Mitglieder oder Unterstützer festnehmen lassen. Sie befinden sich inzwischen in Untersuchungshaft. Die Planungen der Gruppe galten in Sicherheitskreisen als „besonders ernstzunehmender Fall“. Und zwar auch deshalb, weil die Männer, die sich nach dpa-Informationen in einer Telegram-Chatgruppe kennengelernt und nur zweimal getroffen hatten, schnell handlungsbereit waren. Die Mitglieder sollen Angriffe auf sechs Moscheen in kleineren Städten geplant haben. An der Aufklärung der Aktivitäten der Gruppe, die von den Ermittlern „Gruppe S.“ genannt wird und intensiv observiert wurde, war neben der Polizei auch der Verfassungsschutz beteiligt. Einer der Männer soll den Auftrag erhalten haben, Waffen zu beschaffen. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen zählen zu den Waffen, die bei den Razzien in der vergangenen Woche gefunden wurden, Äxte, Schwerter und Schusswaffen. Die Gruppe um den 53-jährigen Werner S. aus dem Raum Augsburg soll Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auszulösen und so die Gesellschaftsordnung ins Wanken zu bringen. Rund 12.700 gewaltorientierte Rechtsextremisten

Der Verfassungsschutz geht aktuell von rund 12.700 gewaltorientierten Rechtsextremisten aus. Die Polizei stuft bundesweit 53 Rechte als Gefährder ein. Als „Gefährder“ bezeichnet die Polizei im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Menschen, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut. Die Planungen der „Gruppe S.“ weisen Ähnlichkeiten zu den Plänen der Gruppe „Revolution Chemnitz“ auf. Deren Mitglieder waren im Oktober 2018 festgenommen worden. Es sei unbedingt nötig, „die Schutzstandards für gefährdete Objekte wie religiöse Einrichtungen deutschlandweit einheitlich zu gestalten“, sagte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser.

Ditib: Muslime fühlen sich nicht mehr sicher

Die Türkisch-Islamische Union Ditib verlangt einen konsequenten Schutz von Muslimen in Deutschland. Viele Muslime fühlten sich nicht mehr sicher, die Gefahr sei real. Es sei enttäuschend, dass die Mehrheit schweige, dass Zeichen der Solidarität und ein „gesellschaftlicher Aufschrei“ bisher ausblieben, betonte der Islam-Dachverband. Das Schweigen einer breiten Gesellschaftsschicht könne auch „als stillschweigende Duldung“ gedeutet werden, hieß es in einer Erklärung der Ditib. „Es ist geeignet, bei bestimmten Gruppen den Eindruck zu erwecken, dass das Agieren gegen Muslime „eigentlich legitim“ sei“, warnte der Verband. Zuletzt seien etliche Moscheeangriffe jährlich bundesweit registriert worden, dazu zehn schon im Jahr 2020.

Zentralrat der Muslime Aiman Mayzek (AA)

ZDM fordert verstärkte Polizeipräsenz vor Ort

Auch der Zentralrat der Muslime (ZDM) fordert einen stärkeren Schutz von muslimischen Gebetshäusern. „In NRW gibt es solche Vorfälle fast schon im Wochentakt“, erklärte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek. „Viele Nazi-Schmierereien an Moscheen oder Übergriffe werden aber gar nicht erst publik“, weil Gemeinden fürchteten, damit Trittbrettfahrer zu ermutigen. Die Vorfälle schürten Angst in den Gemeinden. Nötig seien mehr Schutzmaßnahmen, etwa durch verstärkte Polizeipräsenz vor Ort.

Die muslimische Gemeinde fühle sich von den Sicherheitsbehörden allein gelassen. Im „Spiegel“-Interview sagte er: „Es kann jedenfalls nicht sein, dass wir auf private Sicherheitsfirmen zurückgreifen müssen, um unsere Moscheegemeinden zu schützen und Seminare zum Verhalten bei etwaigen Angriffen zu geben. Daran müsste doch auch der Staat ein Interesse haben. Denn die Menschen haben Angst, nicht erst seit dem Attentat auf Moscheen in Christchurch.“ Es gebe aber auch positive Beispiele fügt er im Interview gleichzeitig hinzu. „Nehmen wir den Fall vom Wochenende, als sich die Menschen bei einem Fußballspiel in Münster gegen Rassisten im Publikum gestellt haben. Die haben nicht damit gerechnet, dass plötzlich das ganze Stadion "Nazis raus" ruft und am Ende sogar der Täter von der Polizei abgeführt wird.“ Die Empörung müsse aufrechterhalten werden. Am Mittwoch waren Moscheen in Bielefeld, Unna, Hagen und Essen nach Bombendrohungen evakuiert worden. Bei den Durchsuchungen fanden die Ermittler keinen Sprengstoff. Über den genauen Inhalt der Drohschreiben wollte die Polizei keine Auskunft geben. Wer hinter den anonymen E-Mails gegen die vier Gebetshäuser der Ditib stecke, sei noch nicht geklärt, sagte eine Sprecherin der Polizei in Dortmund.

TRT Deutsch und Agenturen