20.03.2024, Sachsen, Leipzig: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) redet bei der offiziellen Veranstaltung zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse im Gewandhaus. / Photo: DPA (dpa)
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei seiner Rede zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse am Mittwochabend mehrfach von israelkritischen Protestrufen aus dem Publikum unterbrochen worden. Unter anderem unterbrach ein Mann den Kanzler, um gegen deutsche Waffenlieferungen an Israel zu protestieren. „Uns alle führt hier in Leipzig die Macht des Wortes zusammen, nicht die Macht des Geschreis“, sagte der Bundeskanzler, als die Zwischenrufe gleich zu Beginn seiner Rede einsetzten. Der Kanzler verlor angesichts der Proteste kurzzeitig die Fassung und rief einem der Demonstranten zu: „Hör auf zu brüllen! Schluss.“

Protestler warfen Genozid im Gazastreifen vor

Berichten zufolge kritisierten die Demonstranten die seit Monaten anhaltenden Angriffe der israelischen Regierung auf die Palästinenser im Gazastreifen als Völkermord. „Das ist keine humanitäre Katastrophe, das ist Genozid“, lautete nach Teilnehmeraussagen einer der Zwischenrufe. Demnach kam es auch zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten, die die Halle nicht verlassen wollten, und Sicherheitskräften. Aufnahmen zeigen, wie eine Frau zuvor auf Englisch rief: „Ich bin Israeli und ich sage Ihnen: Ihr Geld finanziert Faschismus und Apartheid!"

In seiner Rede ging Scholz unter anderem auf die verbindende Kraft des Lesens ein: „Mit jedem Kapitel, mit jeder neuen Seite können wir Gegensätze überwinden, die im Alltag manchmal unüberbrückbar scheinen, wie wir jetzt auch hier sehen“, so der Kanzler.

20.03.2024, Sachsen, Leipzig: Zwei Personen demonstrieren mit anti-israelischen Plakaten vor der Eröffnung der Leipziger Buchmesse vor dem Gewandhaus. Bereits vor der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab es Proteste. (DPA)

Scholz sagte weiter, man solle niemals denen glauben, „deren Antworten am Ende auf Intoleranz, Ausgrenzung und Hass hinauslaufen und deren verrückte Dexit-, D-Mark- und Remigrationspläne unser Land nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich ruinieren würden“.

Buchpreis an deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm

Zur Eröffnung wurde der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024 an den deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm für sein Buch „Radikaler Universalismus“ verliehen. In seiner Dankesrede forderte er im Namen der deutsch-israelischen Freundschaft auch harte Kritik aus Deutschland zum Nahost-Konflikt.

„Meine palästinensischen Freunde wissen, dass jeder, der das, was mein Land jetzt in Gaza tut, Selbstverteidigung nennt, meine Identität zutiefst beschämt, die jüdische und israelische“, sagte Boehm in seiner Rede. Zugleich nannte er es einen „moralischen Bankrott“, wenn die Hamas-Massaker vom 7. Oktober als bewaffneter Widerstand bezeichnet würden.

Zu Positionen aus Deutschland sagte Boehm: „Was ist mit der deutsch-jüdischen Freundschaft? Da, wo sie besteht, ist sie ein wahres Wunder. Eines, das mir besonders am Herzen liegt.“. Doch könne keine deutsch-jüdische Freundschaft existieren, „wenn sie in diesen dunklen Zeiten keinen Platz für die schwierigen Wahrheiten hat, die im Namen der jüdisch-palästinensischen Freundschaft gesagt werden müssen.“

Boehm fuhr fort: „Wegen der Freundschaft muss die Wahrheit nicht geopfert werden, ganz im Gegenteil. Harte Wahrheiten müssen offen ausgesprochen werden. Denn wir sollen Freunde bleiben.“

TRT Deutsch und Agenturen