Wenige Tage vor der nächsten Bund-Länder-Beratung zur Corona-Pandemie plädieren Politiker parteiübergreifend dafür, Öffnungsschritte zu definieren.  (dpa)
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Wenige Tage vor der nächsten Bund-Länder-Beratung zur Corona-Pandemie plädieren Politiker parteiübergreifend dafür, Öffnungsschritte zu definieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) legte ein Stufenkonzept vor, betonte aber die Notwendigkeit, im Notfall auch weiterhin neue Einschränkungen beschließen zu können. Denn nach dem Willen des Koalitionspartners FDP soll die bis 19. März befristete gesetzliche Grundlage für die Schutzmaßnahmen danach komplett entfallen. Medizinische Experten halten es zwar für vertretbar, bei den Beratungen am Mittwoch einen Öffnungsplan zu entwickeln, mahnen angesichts der Infektionslage aber zur Vorsicht. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen lag nach Mitteilung des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Samstag bei knapp 210.000 - und damit niedriger als in der Vorwoche (217.815). Das deutet darauf hin, dass sich die Kurve einem Plateau nähert. Allerdings ist das Melde- und Testsystem überlastet, so dass die tatsächliche Zahl höher liegen dürfte. Zudem nehmen die Krankenhauseinweisungen und die Todesfälle weiter zu. Was will Habeck? Habeck wies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur darauf hin, dass Experten den Scheitelpunkt der Infektionswelle Mitte Februar erwarteten. „Daher ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 16.2. der richtige Zeitpunkt, um sich eng über erste Öffnungsschritte abzustimmen.“ Wichtig sei ein einheitliches Vorgehen. Lockerungen sollten nach den Vorstellungen seines Hauses stufenweise und regional differenziert erfolgen - und ausgerichtet an Schwellenwerten, die eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems anzeigen sowie vom RKI und dem Expertenrat der Regierung noch festgelegt werden sollen. Zuerst sollten jene Maßnahmen gelockert werden, die mit hohen wirtschaftlichen Kosten verbunden seien, hieß es aus Habecks Ministerium. So könne an die Stelle von 2G und 2G plus eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen treten. Auch Besucherzahlen bei Freiluftveranstaltungen könnten in einer ersten Stufe angehoben werden. In Innenräumen wie Clubs, wo viele ohne Abstand und Masken zusammenkämen, blieben Test- und Impfnachweise nötig. In einem zweiten Schritt sollte aus Sicht des Ministeriums über die Homeoffice-Pflicht, die Testpflicht für Arbeitgeber und 3G-Pflichten am Arbeitsplatz gesprochen werden. Bei engen Kontakten könne hier eine FFP2-Maskenpflicht erhalten bleiben. Was will die SPD? Bei den SPD-Ländern zeichnet sich ein schrittweises Vorgehen ab nächsten Monat als Position vor dem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) ab. „Ab Anfang März sollten wir stufenweise Corona-Beschränkungen reduzieren“ - angefangen bei den Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und einem Ende von 2G plus in der Gastronomie, sagte die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer der „Rheinischen Post“ (Samstag). Ihr Bremer Kollege Andreas Bovenschulte nannte in der „Welt am Sonntag“ („WamS“) den Quasi-Endpunkt: „Wir sollten die pandemiebedingten Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens bis zum 19. März weitgehend beenden.“ Und, wie Dreyer weiter sagte: „Wichtig ist, dass die Länder die Möglichkeit behalten, bei örtlichen Ausbrüchen schnell und beherzt reagieren zu können.“ Das wäre nur - wie auch von Habeck favorisiert - mit einem vorsorglichen Beibehalten der gesetzlichen Grundlage über den 19. März hinaus möglich. Und Söder? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will im Handel Ungeimpften wieder Zutritt gewähren und in der Gastronomie für Geimpfte und Genesene die zusätzliche Testpflicht (2G plus) aufheben. Für Großveranstaltungen empfahl er in der „Rheinischen Post“: „Mein Vorschlag sind 50 Prozent Auslastung mit einer Höchstbegrenzung in den Fußballstadien und 75 Prozent für die Kultur.“ Und: „Generell sollte die Maske als Letztes aufgehoben werden - sie ist und bleibt der beste Schutz.“ Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien, denkt für die Schulen schon weiter. „Spätestens Ende März reichen wahrscheinlich auch zwei Tests pro Woche“, sagte die schleswig-holsteinische CDU-Ministerin der „Bild“-Zeitung (Samstag). Schrittweise müsse die Testpflicht fallen und auch die Maskenpflicht, zuerst im Klassenraum am Platz, dann im Gebäude. Was sagen die Ärzte? Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt hält Öffnungsüberlegungen für richtig. „Wegen der wesentlich leichteren Krankheitsverläufe der aktuellen Omikron-Variante ist es sicher angemessen, mögliche Rücknahmen einschränkender Corona-Maßnahmen vorzubereiten“, sagte er der „Rheinischen Post“. Andere Mediziner warnen die Politik vor einem zu riskanten Kurs. „Ob die Maßnahmen verlängert werden sollten, beziehungsweise in welchem Umfang sie fortgesetzt werden, muss anhand der pandemischen Lage in den ersten Märzwochen entschieden werden“, sagte etwa die Vize-Verbandschefin der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Elke Bruns-Philipps, der Funke-Mediengruppe. Und wie geht es mit der Impfpflicht weiter? Zu der bereits beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die ab Mitte März gelten soll, schickte das Bundesgesundheitsministerium am Freitag eine neue Version einer Handreichung an die Länder. Die Impfpflicht greift demnach auch für ehrenamtlich Tätige und Praktikanten, regelmäßig in Einrichtungen kommende Handwerker und Friseure. Nicht erfasst sind dagegen Postboten oder Paketzusteller und Handwerker, die nur für einmalige Aufträge kommen. Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, drang in der „Wirtschaftswoche“ (Samstag) auf die Klärung offener Fragen zur Einführung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht. Andernfalls könnten Bundestag und Bundesrat beschließen, das Inkrafttreten noch einmal aufzuschieben. „Was aber sicher nicht geht: Dass einzelne Länder jetzt ausscheren. Auch sie sind an die Gesetze gebunden, die Gesetzesbindung ist wesentlicher Bestandteil unseres Rechtsstaats.“ Söder hatte angekündigt, den Vollzug der Impfpflicht auszusetzen, weil sie in der jetzigen Form nicht umsetzbar sei.

dpa