Arne Schönbohm, der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (Reuters)
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Krankenhäuser und andere medizinische Fakultäten in Deutschland geraten nach Einschätzung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) immer mehr ins Visier von Cyber-Kriminellen. „Die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen nehmen zu, weil es in diesem Bereich in den vergangenen Jahren einen Schub an Digitalisierung gegeben hat“, sagte BSI-Präsident Arne Schönbohm im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. „Ich bin immer wieder überrascht, dass wir von Angriffen auf Krankenhäuser überrascht sind“, fügte er mit Blick auf eine Cyber-Attacke auf das Uniklinikum Düsseldorf hinzu, dessen Notaufnahme für Tage lahmgelegt war.

„Deshalb ist es absolut notwendig, dass künftig bei staatlichen Investitionen sichergestellt wird, dass Gesundheitseinrichtungen auch Geld für ihre Informationssicherheit ausgeben“, forderte der BSI-Chef. Nicht alle Krankenhäuser hätten dies in der Vergangenheit beachtet. Gesundheitsminister Jens Spahn habe im Krankenhaus-Zukunftsgesetz zurecht vorgeschrieben, dass 15 Prozent der Investitionssumme für IT-Sicherheit ausgegeben werden muss.

Erhöhte Bedeutung bekommt das Thema durch die Corona-Pandemie und die weltweite Jagd nach Impfstoffen. „Die Bedrohungslage der deutschen Impfstoffhersteller schätzen wir als hoch ein“, sagte Schönbohm. Das BSI habe Unternehmen schon im März sensibilisiert und auf die Gefährdungslage hingewiesen. Sie seien gut vorbereitet. „Auch mit dem Gesundheitsministerium sprechen wir darüber, was man zusätzlich etwa für den Schutz der nötigen Logistikketten für Impfstoffe tun kann“, sagte er mit Blick auf die Bemühungen von Bund und Ländern, die Impfung der Bevölkerung vorzubereiten.

Der potenzielle Impfstoff von Biontech und seinem amerikanischen Partner Pfizer muss dabei in besonderen Kühlgeräten bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden. „Wir haben intern eine erhöhte Alarmbereitschaft festgelegt“, sagte Schönbohm. Ob es bereits Angriffe auf Impfstofffirmen gegeben hat, wollte er nicht sagen.

„Florierender internationaler Handel“

Die Cyber-Angriffe seien sehr unterschiedlicher Natur. Es gebe Fälle von Mitarbeitern von Firmen, die aus Frust kriminell würden. Kriminelle setzten Ransomware für Erpressungen etwa von Krankenhäusern ein. „Es gibt aber auch die Jagd nach Gesundheitsdaten. Es gibt einen florierenden internationalen Handel mit Patientendaten“, sagte Schönbohm. Gerade in den USA sei dies der Fall, weil dort über Sozialversicherungsnummern auch digitale Identitäten abgesichert werden. „Berichten von IT-Sicherheitsfirmen zufolge wird ein Datensatz im Gesundheitsbereich mit 250 Dollar gehandelt.“ Die Summen gingen also bei Patientendaten in die Millionen.

Schönbohm verwies darauf, dass Gesundheitseinrichtungen wie große Kliniken, die zur kritischen Infrastruktur gehörten, Angriffe melden müssten. „Sorge bereiten mir eher die Einrichtungen mit weniger als 30.000 stationären Behandlungen pro Jahr, für die es bislang keine Meldepflicht gibt“, fügte er hinzu. Theoretisch könne es auch Angriffe auf Arztpraxen geben.

Das BSI biete Hilfe etwa über Qualifizierungen von Mitarbeitern, Beratungen oder bei der Suche nach IT-Sicherheitsfirmen an, die nach einem Angriff helfen können, blockierte Datensätze wieder zugänglich zu machen. „Mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft haben wir zudem einen branchenspezifischen Sicherheitsstandard für größere Einrichtungen entwickelt“, sagte er. Das BSI prüfe zudem, ob die Kommunikationsinfrastruktur sicher ist, etwa durch Verschlüsselungen.

Reuters