Ein slowenischer Soldat freut sich über die Unabhängigkeit der kleinen Republik. (dpa)
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Als sich am 25. Juni 1991 die jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien in feierlichen Parlamentsakten für unabhängig erklärten, freuten sich die Menschen in den beiden neuen Ländern. Das lange Tauziehen um eine wirkliche Reform des sozialistischen Jugoslawiens, das ständige Gefühl, von der Führung in der jugoslawischen und serbischen Hauptstadt Belgrad gegängelt, übervorteilt und unterdrückt zu werden, all das schien vorbei zu sein. In Slowenien war man stolz darauf, die Unabhängigkeit auf friedlichem und demokratischem Wege erreicht zu haben. Bei einer Volksabstimmung im Dezember 1990 hatten 88 Prozent der Bürger für die Eigenstaatlichkeit votiert.

Kucan: „Waren insgeheim darauf vorbereitet“

Doch gerade das war für Belgrad nicht hinnehmbar. Dort bestimmte längst der Präsident der serbischen Teilrepublik, Slobodan Milosevic, das Geschehen auch auf Bundesebene. Seinem Drehbuch folgend, rückten die Panzer der mächtigen Jugoslawischen Volksarmee (JNA) gegen strategische Punkte in Slowenien vor. Dort wich die Freude dem Schock.

Doch er lähmte die Slowenen nicht. „Die Woge des Stolzes ging schnell in Wut über“, erinnert sich der damalige slowenische Präsident Milan Kucan im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Ljubljana. „Diese Wut festigte die Entschlossenheit, Widerstand gegen die Aggression zu leisten.“ Kucan, heute 80, ist der letzte Überlebende aus der Reihe der jugoslawischen Präsidenten, die die damaligen dramatischen Entwicklungen gestalteten.

„Wir waren überrascht, wie schnell das passierte. Wir waren aber auch nicht unvorbereitet“, fügt er hinzu. Als kommunistischer Funktionär, der es bis zur Funktion des Parteichefs in Slowenien gebracht hatte, unterstützte er in den späten 1980er-Jahren die Forderungen der slowenischen Opposition nach einer demokratischen Reform des sozialistischen Systems. Zugleich kannte er die Mentalität und das Machtanspruchsdenken der Kommunisten in Belgrad. Milosevic schien einfach den Sozialismus gegen den serbischen Nationalismus eingetauscht zu haben.

Glimpflicher Kriegsverlauf für Slowenien

Jedenfalls hatte man in Slowenien für den Tag X Vorkehrungen getroffen. Die zur JNA gehörige, aber auf Republiksebene organisierte Territorialverteidigung (TO) hatte man zur eigenen Miliz ausgebaut. Diese schnitt die JNA-Kasernen von Elektrizität und Wasserversorgung ab. Die Zufahrtswege wurden mit requirierten Fahrzeugen blockiert. JNA-Panzer versuchten immer wieder, sich Wege durch die Sperren zu bahnen. Bilder von zerquetschten Autos und ramponierten Lastwagen gingen um die Welt.

Soldatenmütter demonstrierten für die Entlassung ihrer Söhne aus der JNA – in ihr dienten aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht auch slowenische Rekruten. Verteidigungsminister war damals Janez Jansa, zuvor Redakteur der kritischen Wochenzeitung „Mladina“, den die JNA vor ein Militärgericht gestellt hatte. Heute ist Jansa zum dritten Mal Ministerpräsident, verfolgt eine rechte Agenda und beschimpft Journalisten über Twitter. „Er will eine Autokratie installieren und das Land von Kerneuropa weg- und zu den illiberalen Demokratien Ungarn und Polen hinführen“, meint Kucan über seinen damaligen Mitstreiter.

Letztlich verlief der Krieg der Slowenen relativ glimpflich. AufJNA-Seite starben 44, auf der slowenischen 18 Menschen. Auch zwölf Ausländer, unter ihnen zwei österreichische Journalisten, kamen in dem Kampfgeschehen ums Leben. Kampfflugzeuge der jugoslawischen Armee sollen österreichischen Luftraum verletzt haben, die Regierung in Wien beorderte das Bundesheer an die Grenze.

Die Beendigung des Krieges nach zehn Tagen bewirkte schließlich auch das diplomatische Eingreifen der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG). Slowenien und Kroatien hatten es zunächst nicht leicht. In einer ersten Stellungnahme hatte das US-Außenministerium ihre Unabhängigkeitserklärungen „bedauert“. Auch unter den EG-Staaten waren Österreich und Deutschland zu Beginn die einzigen, die die Unabhängigkeit der früheren Teilstaaten anerkannten.

Slowenien kommt davon, Serbien fasst Eroberungspläne

„Ich habe dann den deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher getroffen, wegen eines Luftalarms kam er nur bis (zur österreichischen Grenzstadt) Villach“, erzählt Kucan im Rückblick. „Er sagte uns, dass er unsere Situation völlig verstehe. Er berief sofort ein Treffen der EG-Außenminister ein.“ In der damaligen EG-Troika der Außenminister galt es, den Niederländer Hans van den Broek zu überzeugen. „Ein harter Verhandler“, so Kucan, „aber am Ende akzeptierte er unsere Argumentation.“

Auf der kroatischen Insel Brijuni klopften die EG-Minister am 7. Juli eine Friedensvereinbarung fest. Die JNA zog sich in die Kasernen zurück, im Oktober verließ sie Slowenien gänzlich. Milosevic ließ die nördlichste Republik ziehen und ging zu seinem Plan B über: „alle Serben in einem Land“ oder „Groß-Serbien“. In Slowenien spielte die serbische Volksgruppe keine Rolle.

Anders als in Kroatien und Bosnien-Herzegowina: dort waren ganze Landstriche von ethnischen Serben bevölkert, weitere Gegenden waren bevölkerungsmäßig durchmischt. Milosevic verfolgte nun das Ziel, diese Gebiete in Kroatien und Bosnien unter die Kontrolle Belgrads zu bringen. Um den Preis von Kriegen, die mehr als 100.000 Tote forderten. Und um den Preis von Kriegsverbrechen, wie sie Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen hatte. Einem glücklichen Slowenien blieb all das erspart.

dpa