25 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica (dpa)
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Als die Truppen des bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladic am 11. Juli 1995 in die ostbosnische Muslim-Enklave Srebrenica einrückten, fielen kaum Schüsse. Die Männer in dem zur UN-Schutzzone erklärten Gebiet hatten kaum Waffen. Die niederländischen UN-Truppen („Blauhelme“) in ihrer Basis Potocari am Ortseingang von Srebrenica forderten Luftunterstützung der Nato an. Sie kam nicht - abgesehen von der symbolischen Bombardierung eines einzigen Panzers der Besetzer. Dem sichtlich vor Angst schlotternden Oberst Thomas Karremans, Kommandeur des UN-Bataillons („Dutchbat“), diktierte General Mladic die Bedingungen seiner Kapitulation - vor den laufenden Kameras des serbischen Fernsehens. Die „Blauhelme“ assistierten bei der Deportation von 23.000 Frauen und Kindern, ehe sie bei freiem Geleit abziehen durften. Zugleich begann am 11. Juli 1995, im vierten und letzten Jahr des Bosnienkriegs, der erste Völkermord auf europäischem Boden seit 1945. Mladic und Radovan Karadzic, der Führer der bosnischen Serben, hatten - unterstützt vom serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic (1941-2006) - ihre Pläne nie verhehlt. „Die Türken“, wie sie die Muslime in den ostbosnischen Enklaven nannten, standen ihrem Projekt eines „Groß-Serbiens“ mit „ethnisch reinen“ serbischen Territorien in weiten Teilen des Vielvölkerstaats Bosnien im Wege. Die 15.000 Männer und männlichen Jugendlichen in der Enklave wussten, welches Schicksal ihnen drohte. Noch am 11. Juli machten sich die meisten von ihnen zu Fuß auf den Weg, um sich durch Berge und Wälder ins 100 Kilometer entfernte Tuzla durchzuschlagen. Jene Männer und Jugendlichen, die zögerten, wurden von Mladic' Truppen gleich in Potocari und Umgebung hingerichtet.

Mehr als 8000 Männer und Jugendliche wurden umgebracht

In den nächsten Tagen eröffnete die Mladic-Armee eine Treibjagd auf den Tross der Fliehenden. Die meisten ergaben sich, wenn sie auf bosnisch-serbische Soldaten stießen. Sie wurden an den Händen gefesselt und abgeführt. Wenig später wurden sie auf Wiesen, Feldern, in Ställen oder Lagerhallen erschossen. Ihre Leichen verscharrte man in schnell ausgehobenen Massengräbern. Wochen oder Monate später grub man sie wieder aus, um sie anderswo auf dem Gebiet der bosnischen Serbenrepublik (Republika Srpska) zu vergraben. Die Spuren sollten verwischt werden. Mehr als 8000 Männer und Jugendliche wurden umgebracht. Heute noch werden Leichen und Leichenteile gefunden. Durch aufwändige DNA-Analysen werden sie den Opfern zugeordnet. Den Schmerz des Verlustes durchleben die Bosnier jedes Jahr aufs Neue. Auch am 25. Jahrestag des Verbrechens von Srebrenica wird man wieder sterbliche Überreste von Opfern im Rahmen des Gedenkens in Potocari beisetzen. Die „Trauernde Mütter von Srebrenica“ verlangten im vergangenen Jahr von Menschenrechtsorganisationen und dem Europarat, den 11. Juli als offiziellen Gedenktag für die Opfer des Völkermords von Srebrenica einzuführen.

Srebrenica: Im Marmor gemeißelte Namen der Opfer in der Gedenkstätte Potocari. (DPA)


Gräuel in Srebrenica in mehreren Urteilen als Genozid bewertet

Das Internationale Jugoslawien-Tribunal in Den Haag hat das Massaker von Srebrenica in mehreren Urteilen als Genozid bewertet. Tatsächlich hatte Mladic die gesamte muslimische Bevölkerung von Srebrenica vertreiben oder ermorden lassen. Im November 2017 verurteilte das Haager UN-Tribunal den heute 77-Jährigen wegen Srebrenica und anderer Verbrechen in erster Instanz zu lebenslanger Haft. „Sie zählen zu den abscheulichsten, die die Menschheit je gesehen hat“, befand Richter Alphonse Orie. Im Herbst steht die Berufungsverhandlung an. Karadzic erhielt im Vorjahr lebenslänglich, sein Urteil ist rechtskräftig.

Im Bosnienkrieg (1992-1995) ging die serbische Seite besonders grausam vor. Das Projekt „Groß-Serbien“ sah die ethnische Säuberung von weiten Gebieten mit hauptsächlich muslimischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung vor. Die Truppen von Mladic und mit ihnen verbündete Freischärlerbanden vertrieben Hunderttausende Zivilisten, Zehntausende wurden getötet. Tausende Frauen wurden Opfer von Massenvergewaltigungen.

„Eine Situation der durchgängigen Genozid-Verleugnung“

25 Jahre später zeigt sich bei den politischen Eliten in Serbien und in der Republika Srpska wenig Schuldeinsicht - trotz der akribisch begründeten Haager Urteile. „Es ist eine Situation der durchgängigen Genozid-Verleugnung“, sagt Emir Suljagic, der Direktor des Gedenkzentrums in Potocari. Dies äußere sich in Politik, Bildung und Erziehung. Auch 25 Jahre nach dem Genozid bleibt Srebrenica Europas offene Wunde.

TRT Deutsch und Agenturen