18.12.2023, Berlin. Bauernproteste vor dem Brandenburger Tor. / Photo: DPA (dpa)
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Letzte Woche protestierten Bauern in Deutschland vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die geplante Kürzung der Agrarsubventionen. Finanzminister Christian Lindner verteidigte die Regierungspläne zur Reduzierung der Dieselsubventionen und betonte, dass Einsparungen notwendig seien.

In Deutschland sind Bauernproteste keineswegs etwas Neues, sondern haben eine Geschichte von mehr als 500 Jahren. Im Laufe der Geschichte haben Bauern aus verschiedenen Gründen Proteste durchgeführt, wobei der Deutsche Bauernkrieg als eines der prominentesten Beispiele gilt. Zwischen 1524 und 1525 war dieser Aufstand in den deutschsprachigen Gebieten weit verbreitet. Obwohl sich 300.000 Bauern und Landwirte bewaffnet erhoben, wurde der Aufstand aufgrund mangelnder Erfahrung der Bauern niedergeschlagen. Etwa 100.000 Bauer wurden von Aristokraten getötet. Bei den aktuellen Bauernprotesten trugen einige Teilnehmer Plakate, die auf diesen Krieg vor 500 Jahren Bezug nahmen.

Die Bauern in Deutschland haben im Verlauf der letzten 500 Jahre viele Proteste durchgeführt, aber die aktuellen Proteste haben das Potenzial, die zukünftige Politik zu beeinflussen. Extremistische Bewegungen, die von unzufriedenen Bauernprotesten profitieren wollen, versuchen sich an den Demonstrationen zu beteiligen. AfD und andere rechtsextreme Gruppen versuchen diese Proteste in eine Massendemonstrationswelle gegen die Regierung zu verwandeln. Es wird berichtet, dass auch Neonazi-Gruppen versuchen, die Proteste für ihre Sichtbarkeit zu nutzen. Ähnlich eifrig ist die rechtsextreme FPÖ in Österreich, die die Bauern durch die Proteste unterstützen wollen, aber nur 300 Bauern mit 11 Traktoren beteiligten sich an ihrer Kundgebung. Daher haben die Bauernproteste einerseits eine historische Dimension, andererseits handelt es sich um mehr als nur ein landwirtschaftliches Anliegen.

Europäische Länder konnten die langfristigen Auswirkungen des Krieges nicht vorhersehen

Die Bauern in Deutschland protestieren gegen die Pläne der Regierung zur Abschaffung der Dieselsubventionen. Die Regierung plant, bestimmte Subventionen, darunter die Dieselsubvention, als Sparmaßnahme gegen steigende Energiekosten und wirtschaftliche Stagnation zu kürzen. Warum?

Die Pandemie hat die Weltwirtschaft wesentlich beeinflusst, Produktionsprozesse wurden unterbrochen. Doch besonders Deutschland und andere europäische Staaten wurden stärker von einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen als von der Pandemie. Deutschland hat von Anfang an die Beziehungen zu Russland fast abgebrochen, statt auf Diplomatie zu setzen und konnte die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges nicht vorhersehen. Daher ist der plötzliche Eintritt westlicher Länder in den Russland-Ukraine-Krieg Hauptursache für die heutigen wirtschaftlichen Probleme. Als Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, wurde nicht erwartet, dass Russland darauf reagieren würde. Russland spielte seine Energiekarte aus und ließ die Kosten für die Produktionsprozesse in europäischen Staaten steigen. Dies führte zu steigenden Energiepreisen und damit zu Sparmaßnahmen der Länder. Deutschland entschied sich beispielsweise, die Subventionen für Bauern zu kürzen, um zu sparen. Daher basieren die aktuellen Proteste im Wesentlichen darauf, dass Deutschland und andere europäische Länder durch ihre Haltung im Russland-Ukraine-Krieg keine Voraussicht hatten.

Unzufriedenheit der Bürger wird von Rechtsradikalen ausgenutzt

Die Bauernproteste haben in ganz Deutschland eine hohe Unterstützung. Unter AfD-Anhängern ist die Unterstützung am höchsten. 98 Prozent der AfD-Wähler unterstützen die Proteste. Obwohl die AfD die Forderungen und Proteste der Bauern unterstützt, verspricht ihre Parteiplattform keine Subventionen für die Landwirte. Tatsächlich lautet die Überschrift des Punktes 13.6. ihres Parteiprogramms wie folgt: Landwirtschaft: Mehr Wettbewerb. Weniger Subventionen. In Punkt 10.9 des Parteiprogramms fordert sie ebenfalls die Reduzierung von Subventionen. „Wir wollen gleiche Regeln für alle - ob groß, ob klein, in jeder Branche.“ Der Grund für dieses widersprüchliche Verhalten der AfD ist einfach: Je mehr unzufriedene Wähler es in der Gesellschaft gibt, desto mehr versucht die Partei, ihnen gefällige Aussagen zu machen, um ihre Unterstützung zu gewinnen, insbesondere durch Proteste und Streiks, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erschüttern. Dies ist eigentlich ein Merkmal jeder populistischen Partei; entscheidend ist, dass etablierte Parteien populistischen Parteien keine Munition für derartige Aussagen liefern sollten. Tatsächlich zeigen Umfragen, dass nur 17 Prozent der Deutschen mit der Arbeit der Ampel-Koalition zufrieden sind. Die Zustimmung für SPD-Kanzler Olaf Scholz hat ein historisches Tief erreicht. Uneinig sind sich die Deutschen, ob die Ampel-Regierung 2024 halten wird. Bei der Sonntagsumfrage startet die SPD mit unverändert schwachen 14 Prozent ins neue Jahr, die Grünen erreichen in der Befragung 13 Prozent.

Zusammenfassend liegen den aktuellen Bauernprotesten in Deutschland wirtschaftliche Probleme zugrunde, die auf die unzureichende Vorhersehbarkeit der langfristigen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts zurückzuführen sind. Regierungen sollten besser in der Lage sein, die Auswirkungen ihrer internationalen Positionen zu bewerten. Risikobewertungen müssen ein integraler Bestandteil des Entscheidungsprozesses sein, um negative Konsequenzen zu minimieren.

Es ist wichtig, die politische Instrumentalisierung der Unzufriedenheit der Bauern durch extremistische Gruppen zu verhindern. Hierfür ist es notwendig, die Argumente der Rechtsextremen zu entkräften und ihnen keine politische Plattform zu bieten. In Zeiten, in denen das Verbot der AfD diskutiert wird, liegt die dringende Notwendigkeit Deutschlands darin, die zugrunde liegenden Probleme zu lösen, die die AfD stärken.

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