Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. / Photo: AA (AA)
Folgen

Präsident Recep Tayyip Erdoğan reflektiert das Gefühl einer gesamten Nation die in den zwei Jahrzehnten, in denen seine AK-Partei so erfolgreich die Geschicke von Türkiye bestimmt, sämtliches Interesse an Bevormundung seitens westlicher Verbündeter (aber auch einheimischer fehlgeleiteter Stimmen) verloren hat. Seit dem phänomenalen Sieg der AK-Partei an der Wahlurne im November 2002 erwuchs ein neues, modernes, viel demokratischeres Türkiye, und die stolzen, aber niemals überheblichen Bürgerinnen und Bürger wissen dies sehr wohl zu schätzen.

Menschen hatten genug von Bevormundung

Der furchtbare, menschenverachtende Terroranschlag von FETÖ vom 15/16. Juli 2016 bewirkte eine absolute Solidarisierung der Bevölkerung. Ein erneuter Putschversuch? Eine demokratisch gewählte Regierung mit illegalen Mitteln absetzen? Eine Diktatur einführen unter dem Deckmantel der religiösen Vielfalt oder der militärischen Notwendigkeit? 2016 nahmen die Menschen in Türkiye ihr Schicksal in die eigenen Hände und vereitelten FETÖs Terrorplot.

Dies ließ die Menschen aber auch etwas anderes und enorm Bedeutsames erkennen: Vielleicht ist unsere Demokratie noch eine Art Arbeitsprozess, vielleicht können wir sie noch besser machen – genau wie überall sonst auf der Welt Demokratie immer verbesserungsfähig ist – aber unsere Demokratie, was die AK-Partei bis dahin erreicht hatte, lassen wir uns nicht wegnehmen.

Als die AK-Partei 2002 an die Regierung kam, war 2016 noch weit entfernt, aber der Grundstein für die Unzufriedenheit mit alten Eliten war bereits damals eindeutig spürbar. So wie Willy Brandt es in Westdeutschland schaffte, schaffte es Recep Tayyip Erdoğan in Türkiye – mehr Demokratie wagen!

Stichwort Turquality

Dachte man im Ausland in der Vergangenheit an billige Zulieferbetriebe und ebensolche Produkte für den einheimischen Markt, reformierte die AK-Partei dies komplett. Endprodukte anstelle von Zulieferern, Produktion für zu Hause und den Export und vor allem Topqualität. Heute ist türkische Qualität nicht mehr vom internationalen Markt wegzudenken.

Ebenso begann die neue Regierung eigenverantwortliches unternehmerisches Tun zu fördern – 99 Prozent aller Betriebe in Türkiye sind KMU, also kleine, mittlere Betriebe. Vor 2002 total vernachlässigt, wurden KMU nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitätsmäßig zum türkischen Vorzeigemodell. Von mageren zehn Prozent Anteil am Exportvolumen 2005 zu über 50 Prozent knapp ein Jahrzehnt später – wie kann man Erfolgsstory besser definieren?

Heute stellt Türkiye eigene PKW her, produziert zu Hause für die Verteidigungsindustrie. Vom Fernseher über den Kühlschrank bis hin zu allem, was eine Familie oder ein Unternehmen braucht – selbstredend importiert Türkiye Produkte und exportiert Produkte, die türkische Industrie hat sich komplett globalisiert. Aber der Anteil einheimischer Qualitätsendprodukte steigt ständig, und die Menschen wissen dies sehr zu schätzen.

Mehr als Meer, Sand, Sonne

Meine Generation, die Babyboomer, die in den 6oern geboren wurden, hörten über Türkiye, abgesehen von Plätzen historischer Bedeutung, dem Strand und selbstredend Istanbul gäbe es kaum etwas zu sehen oder zu unternehmen, so die Kommentare mancher Urlaubsrückkehrer.

Dann begann der Massentourismus auch in Türkiye Einzug zu halten, in den frühen 80ern besuchten bereits rund eine Million Ausländer das aufstrebende Land, aber es war mehr oder weniger Stückwerk. Da war Spanien, Italien, Griechenland.

Und dann auch hier ein fantastischer Umdenkprozess dank der neuen Regierung: Türkiye definierte sich neu, eine Destination für alle vier Jahreszeiten. Als die AK-Partei an die Regierung kam nach der o.a. Wahl vom November 2002, verbuchte man 13,2 Millionen Gäste die 12,4 Milliarden US $ im Land ließen. Fast zwei Jahrzehnte später kamen 51,7 Millionen Besucher und gaben 34,5 Milliarden US $ aus (Quelle: „Türkiye“, Präsidialamt für Kommunikation der Republik Türkiye, 2. Ausgabe; Istanbul 2023).

Fazit: immer noch Strandtourismus aber auch Städtetourismus abseits von Istanbul. Wintertourismus. Kulturtourismus. Bergsteigertourismus. Jugendtourismus. Gesundheitstourismus u.v.a.m. Und erhöhte Qualität in den Beherbergungsbetrieben erlaubten höhere Profitmargen. Dies führte zu weniger Arbeitslosigkeit, da Hoteliers und andere Tourismusunternehmer investieren konnten.

360 Grad Außenpolitik

Mit Hinblick auf die Beziehungen der Republik Türkiye zu Partnern in aller Welt darf man ebenso eine sensationelle Wandlung feststellen. „Splendid Isolation“ war das Motto der Vergangenheit, eine nach innen blickender Nation, die Kontakte auf Augenhöhe zwischen und mit anderen Regierungen als unwichtig abtat. Dies gefiel so manchem Verbündetem sehr gut – ein Klaps auf die Schulter, dann die Belehrung über das, was Ankara tun darf und was besser nicht.

Zwei Jahrzehnte später ist Türkiye als politischer Akteur von der Weltbühne nicht mehr wegzudenken.

Die AK-Partei etablierte sich als Vordenker einer 360 Grad umfassenden Außenpolitik. Stichwort „das türkische außenpolitische Ehrenwort“.

Und dann ist da ein großes Ziel vor Augen – die Reform der Vereinten Nationen und vor allem des UN-Sicherheitsrates. Türkiye wurde zum Vordenker und Vorreiter einer großen Mehrheit aller UN-Mitgliedstaaten, als man erklärte, die Welt sei größer als fünf.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com
TRT Deutsch