Fahnen mit den Markenlogos von ARD (Das Erste, l-r), ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) und 3Sat sind im Hintergrund einer TV-Kamera auf der Frankfurter Buchmesse zu sehen. / Photo: DPA (dpa)
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Während die Welt über den Luftangriff auf das 1882 gegründete anglikanische al-Ahli-Arab-Krankenhaus schockiert ist, bei dem mehr als tausend Zivilisten getötet wurden, beschuldigen die deutschen Mainstream-Medien und Politiker die Muslime, die Anschläge der Hamas am 7. Oktober nicht rechtzeitig verurteilt zu haben.

Durch die enorme Unterstützung für die IDF (Israel Defence Force) und die Netanjahu-Regierung stehen Politik und Mainstream-Medien Seite an Seite, ohne auch nur zuzulassen, dass eine andere Meinung geäußert wird.

Kann die historische Verantwortung Deutschlands eine Entschuldigung für die Unterstützung von Kriegsverbrechen sein?

Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte Tel Aviv vor dem Luftangriff auf das Ahli-Arab-Krankenhaus und teilte auf seinen Social-Media-Kanälen Folgendes mit: „Brutaler Terror… Ermordete Säuglinge, verschleppte Kinder. Gedemütigte Holocaust-Überlebende. Das lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Israel hat das Recht, sich dagegen zu wehren.“

Ohne die von Israel ermordeten Zivilisten auch nur zu erwähnen, stellt sich Deutschland voll auf die Seite der Regierung Netanjahu und Israels. Und das ohne Raum für Toleranz gegenüber einer möglichen anderen Stimme.

Aber warum? Die Antwort ist leicht zu finden: Die „historische Verantwortung“ Deutschlands ist eine unbestrittene Staatspolitik, die von jeder politischen Partei und von jedem Kanzler der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Bundesrepublik Deutschland übernommen wurde. Mehr noch, der derzeitige Kanzler Scholz erklärte: „Die Sicherheit Israels ist Deutschlands Staatsräson.“ Mit anderen Worten: Er erklärt, dass Deutschlands Existenz darauf beruhe, die Sicherheit Israels zu garantieren.

Es ist sehr umstritten, dass diese selbsternannte „Staatsräson“, ohne Teil einer verfassungsmäßigen Entscheidung Deutschlands zu sein, dazu benutzt wird, die Netanjahu-Regierung und die IDF bei der Durchführung von Luftangriffen gegen eine vollständig blockierte Zivilbevölkerung von 2,3 Millionen Menschen, die seit über 16 Jahren in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt leben und von denen 47,3 Prozent minderjährig sind, uneingeschränkt und unbestritten zu unterstützen.

Die Frage, die sich jeder frei denkende Mensch stellt, ist diese: Wie aber ist eine Ignoranz auf einem so hohen Niveau möglich?

Voreingenommene Medienberichterstattung und der Aufruf zur Zerstörung des Gazastreifens

Das Narrativ, dass Israel stellvertretend für alle Juden steht, ermöglicht eine vage und undefinierte Sphäre, in der Kritik am Staat Israel oder seinen Organen (der Regierung und der Armee) leicht als antisemitisch bezeichnet werden kann und auch bezeichnet wird. Daher gibt es keinen freien Raum, um Themen rund um Israel auch nur zu diskutieren. Seit dem Beginn des Konflikts sind 13 Tage vergangen, und es gab keine Diskussionen in der deutschen Öffentlichkeit mit verschiedenen Seiten und Stimmen in der gesamten öffentlich zugänglichen politischen Sphäre und Mainstream-Medienberichterstattung.

So hatte die politische Talkshow Anne Will, die von der weltgrößten deutschen Rundfunkanstalt ARD ausgestrahlt wird, am 15. Oktober folgende Gäste zu Gast: die deutsche Außenministerin Baerbock, den sozialdemokratischen Politiker Kühnert, den ehemaligen deutschen Geheimdienstmitarbeiter Conrad, den in Tel Aviv geborenen deutschen Historiker Wolffsohn, die ARD-Journalistin Amiri und den Sprecher der israelischen Streitkräfte Arye Sharuz Shalicar.

Es gab keine palästinensische oder pro-palästinensische Stimme. Kein Vertreter des Staates Palästina oder irgendjemand mit Beziehungen oder Erfahrungen im Zusammenhang mit Gaza. Und diese staatlich finanzierte Fernsehsendung, die durchschnittlich rund 4,1 Millionen Zuschauer hat, veranschaulicht die einseitige, bedingungslose Berichterstattung und Unterstützung für alles, was im Namen des Staates Israel von der IDF und Tel Aviv getan wird. Ähnlich stark beachtete politische Talkshows sind nicht anders, haben aber unkritische und unzensierte Aussagen darin, wie die Markus Lanz Show vom 11. Oktober, in welcher der selbsternannte „Extremismusforscher“ Mansour Folgendes äußerte:

„Wenn es Israel nicht gelingt, die formulierten Ziele, nämlich die Zerstörung des Gazastreifens, zu erreichen, wird es gefressen werden.“

Diese Aussage wurde von keinem anderen Diskussionsteilnehmer in Frage gestellt, der Moderator Markus Lanz nickte sie sogar ab.

Staatlich unterstützte Hexenjagd gegen Friedensstifter

In Deutschland wird das Leid der Palästinenser untergeordnet, wenn es überhaupt erwähnt wird, was selten genug der Fall ist. Es besteht ein extremes Ungleichgewicht. Die Palästinenser müssen deutlich erwähnt werden, bis sie immer mit als Opfer des Kriegs erwähnt werden.[Unbekannt1]

Wer die jüngsten Angriffe auf israelische Zivilisten zu Recht scharf verurteilt, ohne die jüngsten Luftangriffe auf palästinensische Zivilisten zu verurteilen, mag in Deutschland politisch punkten. Dennoch bleibt es, was es ist: sinnloser, selektiver Humanismus.

Diejenigen in Deutschland, die Israels völkermörderischen Feldzug bejubeln, sind das Ergebnis eines giftigen Philosemitismus, eines tiefsitzenden antimuslimischen Hasses und des Bedürfnisses, endlich jemanden zu haben, der in ihrem verdrehten Denken die Juden mehr hasst als ihre Vorfahren. Aus diesem Grund wurden von mehreren Medienkanälen Vergleiche zwischen der Hamas und dem Holocaust gezogen, unter anderem von einem Korrespondenten des staatlichen Fernsehsenders ZDF in einem Live-Interview.

Seit Beginn des Konflikts sind alle pro-palästinensischen Demonstrationen von der deutschen Politik und den Entscheidungsträgern verboten worden, wodurch das verfassungsmäßige Recht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 8) eingeschränkt wurde. Darüber hinaus hat die Polizei sogar Demonstrationen deutscher Juden in Berlin, die zum Frieden in der Region aufriefen, mit dem Argument der „Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung“ aufgelöst und die Kerzen bei einer Mahnwache für die palästinensischen Opfer des israelischen Bombenangriffs auf das anglikanische Krankenhaus in Gaza niedergestampft.

Mit einem Zitat der jüdischen Journalistin und Tochter von Holocaust-Überlebenden, Amira Hass, die für die israelische Zeitung Haaretz schreibt, lässt sich die paradoxe Tragödie und Katastrophe des 21. Jahrhunderts am besten veranschaulichen.

„Ihr Deutschen habt eure Verantwortung, die 'aus dem Holocaust' – also aus der Ermordung u.a. der Familien meiner Eltern und dem Leid der Überlebenden – erwächst, längst verraten. Ihr habt sie verraten durch eure vorbehaltlose Unterstützung eines Israels, das besetzt, kolonisiert, den Menschen das Wasser wegnimmt, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen im Gazastreifen in einen überfüllten Käfig sperrt, Häuser abreißt, ganze Gemeinden aus ihren Häusern vertreibt und die Gewalt der Siedler fördert.“

Deutschland trägt Mitschuld. Eine Mitschuld, für die es sich wahrscheinlich nicht verantworten muss, die aber die Geschichte nicht vergessen wird.

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