14.10.2023, Gaza: Suche nach Überlebenden nach israelischen Angriffen. / Photo: AA (AA)
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Doch vor allem bezüglich einer objektiven Berichterstattung und im Besonderen nach dem Luftangriff auf ein Krankenhaus in Gaza und im deutschsprachigen Medienraum sind wir leider Lichtjahre weit von jeglicher Objektivität entfernt. Die Welt ist entsetzt – unvorstellbares menschliches Leiden in Palästina, Tausende unschuldige Kinder, Frauen und Männer ihres Lebens beraubt. Und auch in Israel sind viele Opfer zu beklagen; ein schockierender Konflikt, der sofort beendet werden muss, und hier ist die gesamte internationale Gemeinschaft gefragt.

„Explosion im Krankenhaus“

Unter der Schlagzeile „Die linken Freunde der Islamisten“ schrieb die TAZ am 13. Oktober 2023: „die Solidarität verschiedener linker Gruppen mit Palästina ist trotz Hamas-Terror ungebrochen“. Wir müssen aber festhalten, dass Kritik an Israel auch in linken Gruppierungen oder Parteien selten mehrheitsfähig ist, was der Artikel diskret übersieht, keinerlei Relativierung seitens des Autors.

Die eigentlich renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung übertrifft diese Polemik sogar noch, also lesen wir am 14. Oktober 2023: „Die jüngsten Massaker der Hamas in Israel haben schmerzhaft in Erinnerung gerufen, welche Zerstörungskraft dschihadistische Gewalt entfesseln kann“.

Und weiter geht es schon am 17. Oktober 2023 – erneut in der FAZ: „In einer gemeinsamen Erklärung finden NRW-Landesregierung und Islamverbände klare Worte zum Hamas-Terror. Sogar die von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuerte Ditib stimmte mit ein.“

Passt das nicht wunderbar? Fast war man schon enttäuscht, dass in so vielen Meldungen die normalerweise permanent anzutreffende Kritik am modernen Türkiye fehlte. Und endlich, hier kommt der Seitenhieb auf Präsident Erdoğan. Egal welches Thema, ob Krieg oder Frieden, Türkiye ist Negativschlagzeilen wert. Der Artikel fasst dann zusammen: „Seit Jahrzehnten gehört es sich für jeden neu gewählten nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, die erste größere Auslandsreise nach Israel zu unternehmen. Hendrik Wüst (CDU) war im März 2022 im Heiligen Land. Nach dem terroristischen Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober fand Wüst umgehend klare Worte.“

Fazit: Heiliges Land Israel; Hamas = Terroranschlag; kein einziges Wort zum grundlegenden Palästina-Konflikt oder dessen Ursachen.

Aber die Krone bezüglich vorschnellen Berichtens setzte dann die ARD der Auswahl von Meldungen auf: Im Originalwortlauf vom 18. Oktober 2023 hörten wir zunächst „Explosion in Klinik in Gaza, Israel sieht sich durch Luftaufnahmen entlastet“ und sodann rund eine Stunde später „Luftangriff auf Krankenhaus in Gaza mit mehreren hundert Opfern“. „Explosion“ lässt auf Unfall schließen, „Luftangriff“ könnte jeder Beteiligte gewesen sein.

Willkürliche Auswahl des Autors? Nein – es gibt keine abweichenden Mainstream-Meinungen! Keinem unbescholtenen Beobachter kann es verübelt werden, früher oder später zuzustimmen – man liest ja nichts anderes, also muss es stimmen.

Das Kibbuz-Tourismus-Phänomen, oder: das Dilemma der Sozialdemokratie

Die Babyboomer-Generation Deutschlands inklusive des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz fand sich mitten in einem Dilemma: Der Schuldkomplex aus der Zeit des Faschismus musste abgelegt werden, aber gleichzeitig ein auf Augenhöhe basierendes friedvolles Miteinander mit dem Staat Israel erreicht werden; für lange Zeit hatte Israel immer Recht; Unterstützung für palästinensische Anliegen war eine Angelegenheit für politische Splittergruppen oder eher linksgerichtete Jugendorganisationen, z.B. Jungsozialisten in der SPD. Und genau dieser Schuldkomplex führte dazu, dass egal ob rechts, Mitte oder links offene Kritik an Israel absolut unerwünscht war.

Der Transatlantik-Flügel um Helmut Schmidt war stets auf Israels Seite, die linkeren Strömungen um die Sozialistische Internationale in London und Willy Brandt versuchten Brücken zu bauen, und das beinhaltet eine friedvolle Zukunft für Palästina. Dennoch fuhren auch linke Jugendorganisationen gerne in den Kibbuz nach Israel, um internationale Solidarität zu bekunden.

Man erinnere sich auch an den Bundestagswahlkampf 1976, den Helmut Schmidt unter dem Slogan „Modell Deutschland“ anführte. Drei Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges dachte die politische Elite, nun sei es geschafft, eine perfekte Demokratie, gepaart mit wirtschaftlichem Aufschwung, vor allem nach der Ölkrise von nur wenigen Jahren zuvor. Und das Wohlwollen Israels mit als Positivum verbuchen zu können, war Schlüssel zum Erfolg – ein stolzes, wiedererstarktes Deutschland, den Schuldkomplex nicht aus den Augen zu verlieren aber seitens Israels Lob und Unterstützung genau für dieses Modell Deutschland zu erheischen. Über vier weitere Jahrzehnte später sollte der Rest vom Schuldkomplex längst vergessen sein – ist er aber nicht. Kanzler Scholz jüngste Sympathiebekundungen für Israel verdeutlichen dies.

Zusammengefasst: man flirtete mit einer Zweistaatenlösung, aber offiziell gab es ein Tabu bezüglich offener Kritik am Staat Israel.

Genau in diesem Dilemma befindet sich die heutige Sozialdemokratie. Für die CDU/CSU gab es dieses Dilemma nie, ein Rückblick auf eine Publikation der Konrad Adenauer Stiftung mit Zitaten aus dem Jahr 2008 unterstreicht dies erneut: bezüglich warum linke Meinungen eher pro-Palästina seien, wird festgehalten „andere sehen Israel als einen imperialistischen, von den USA kontrollierten Staat. Die Pro-Palästina-Bewegung heroisiert dazu sogenannte Befreiungsbewegungen, es gibt auch Sympathien für terroristische Bewegungen.“

Deutsche Medien scheinen sich eindeutig auf die Seite Israels gestellt zu haben ohne jegliche Relativierung des unermesslichen Leidens der Zivilbevölkerung in Gaza und der menschenrechtswidrigen Besiedlung der palästinensischen West Bank. Eine Zwei-Staaten-Lösung mit Ost-Jerusalem als palästinensischer Hauptstadt ist unumgänglich und hätte die jüngsten unvorstellbar hohen Verluste an Menschenleben auf beiden Seiten verhindert.

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