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Es ist unvorstellbar, wie viel Leid der Täter des Terroranschlags von Hanau den Opfern und ihren Hinterbliebenen bewusst zugefügt hat. Diese Wunden werden lange Zeit brauchen, bis sie verheilen.

Terrorakte aus unterschiedlichen Motiven nahmen in den letzten Jahren zu

Deutschland hat in den letzten fünf Jahren einige Terroranschläge erlebt, die das Land veränderten. Der Terroranschlag des Tunesiers Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche vom 19. Dezember 2016 kostete zwölf Menschen das Leben. Er war der erste seiner Art im wiedervereinigten Deutschland. Fast zweieinhalb Jahre später, am 1. Juni 2019, fiel der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, ein aufrechter Demokrat, in seinem Privathaus dem hessischen Rechtsextremisten Stephan Ernst zum Opfer, der ihn durch einen Pistolenschuss in den Kopf ermordete. Stephan Balliet, auch er vom rechtsextremistischen Gedankengut besessen, versuchte am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, mit Waffengewalt in die Synagoge von Halle einzudringen, in der sich zahlreiche Menschen mosaischen Glaubens zum Gottesdienst versammelt hatten. Er wollte so viele Menschen wie möglich töten. Das Eindringen in das Gotteshaus misslang, jedoch fielen zwei Menschen am Tatort und an einem nahegelegenen Kebabimbiss den Schüssen des Mörders zum Opfer.

Der Terrorist Amri wurde auf der Flucht in Italien von Sicherheitskräften erschossen, die rechtsextremistischen Mörder Ernst und Balliet zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Täter des Anschlags von Hanau wollte Menschen mit Migrationshintergrund treffen

Dieser Tage gedenken wir der Opfer eines weiteren blutigen Terrorakts. Er ereignete sich am 19. Februar 2020 in der hessischen Stadt Hanau und wurde erneut von einem jungen, männlichen Einzeltäter auf grausame Weise und in der Absicht, unschuldige Menschen zu töten, begangen. Diesmal traf es nicht eine Massenveranstaltung oder einen hochrangigen Landespolitiker, noch gab es eine dezidiert antijudaistische Motivation.

Der Täter, der selbst aus Hanau stammte, wollte wahllos Menschen mit Migrationshintergrund treffen, ob Passausländer oder als deutsche Staatsbürger eingebürgert, spielte keine Rolle in seinem Wahn gegen eine Gesellschaft, deren Integration von Zuwanderern anderer Ethnien, die mehrheitlich aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, besser verläuft, als es die Stimmung in Bevölkerung und Medien vermuten lässt. Vor zwei Bars tötete der 42-jährige Tobias Rathjen neun Personen, bevor er am Ende dieses unvorstellbaren Verbrechens seine Mutter und sich selbst erschoss. Fünf Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Viele Angehörige sind schwer traumatisiert.

Dem Täter wurde nicht nur eine schwere psychische Störung attestiert, sondern auch eine offene rechtsextreme Gesinnung. Es ist nur zu erahnen, welch einen Hass solch ein Mensch gegen eine freie und demokratische Gesellschaft in sich trägt.

Opfer waren in der deutschen Gesellschaft integriert

Bei den Opfern handelt es sich um fünf eingebürgerte Deutsche, zwei türkische Staatsangehörige, einen Afghanen sowie Menschen aus den südosteuropäischen Staaten Bosnien und Herzegowina, Bulgarien und Rumänien. Teilweise wurden sie in der zweiten und dritten Generation von Migrantenfamilien in Deutschland geboren, teilweise wanderten sie als für die deutsche Wirtschaft essentielle (Industrie-)arbeitskräfte als Gastarbeiter zu. Oder es trieb sie pure Not als Wirtschaftsflüchtlinge in die Bundesrepublik. Sie hatten Ausbildungen im Handwerksbereich absolviert oder arbeiteten als Selbstständige im Dienstleistungsbereich.

Die folgenden Beispiele zeigen, welche Menschen der Täter kaltblütig ermordete, die ein normales Leben in der hessischen Industriestadt führten und zudem ihre Angehörigen unterstützen wollten und mussten.

Der 23-jährige Rumäne Vili Viorel Paun arbeitete im Kurierdienst, eine kräftezehrende Tätigkeit. Als Minderjähriger kam er aus Armutsgründen nach Hessen, um seine Eltern und speziell die medizinische Behandlung seiner Mutter zu finanzieren.

Mercedes Kierpacz, eine Deutsche, die aus Polen stammte, arbeitete am Abend des mehrfachen Mordes in der „Arena-Bar“. Ihre beiden Kinder müssen nun ohne Mutter aufwachsen.

Hamza Kurtovic, der in Deutschland geboren wurde und dessen Familie ursprünglich aus dem westbosnischen Prijedor migrierte, war gerade mit seiner Ausbildung fertig und wollte sich mit einem Freund vor der „Arena-Bar“ treffen. Das wurde ihm zum tödlichen Verhängnis.

Ferhat Unvar war kurdischer Herkunft und wurde ebenfalls in Deutschland geboren. Er übte den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs aus. Gern traf er seine Freunde in der „Arena-Bar“, was ihm am 19. Februar letzten Jahres das Leben kostete.

Eine Initiative unter dem Motto „Offen für Vielfalt“ ist mittlerweile zum Jahrestag des Anschlags gegründet worden und soll ein Zeichen gegen Fremdenhass setzen. Entsprechende Schilder können Bürger bei den Organisatoren der diesbezüglichen Initiative bestellen und an ihren Häusern befestigen.

Trauerstunde mit dem Bundespräsidenten in Hanau geplant

Es ist unvorstellbar, wie viel Leid der Täter des Terroranschlags von Hanau den Opfern und ihren Hinterbliebenen bewusst zugefügt hat. Diese Wunden werden lange Zeit brauchen, bis sie verheilen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird auch deshalb an einer für den ersten Jahrestag geplanten Gedenkfeier, die von der Stadt Hanau und dem Bundesland Hessen ausgerichtet wird, teilnehmen. Weitere Persönlichkeiten, die dem Gedenken beiwohnen werden, sind der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky sowie der Ex-Fußballstar Rudi Völler als Ehrenbürger der Stadt Hanau. Es wird eine würdige Zusammenkunft für das Gedenken an die Opfer und ihre Angehörigen. Hoffentlich die letzte dieser Art in Hanau und auch in ganz Deutschland.

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