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Ob einer Insel ein Festlandsockel zugesprochen wird oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Laut dem Seerechtsübereinkommen der UN hat die Türkei Anspruch auf eine Ausschließliche Wirtschaftszone.

In den letzten Wochen hat sich die Lage im östlichen Mittelmeer zugespitzt, da die Türkei nach ihrer Veröffentlichung von mehreren Navtex (Navigation Information over Telex) Erkundungen durch Forschungsschiffe in ihrer Außenwirtschaftszone (AWZ) angekündigt hatte. Griechenland sieht darin eine Beeinträchtigung des Gebietes am vermeintlich eigenen Festlandsockel und forderte die Türkei daher auf, die Suche einzustellen. Nach griechischer Darstellung besitzen die Inseln in der Ägäis einen eigenen Festlandsockel. Nach der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen haben Inseln zwar auch einen eigenen Festlandssockel, allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass hier die gleichen Rechte gelten. Bei der Aufteilung spielen die geografische Lage und die wirtschaftlichen sowie sozialen Faktoren eine Rolle. Hierzu gibt es zahlreiche Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, die die These Griechenlands infrage stellen.

Einstufung der geografischen Lage von Inseln

Genau auf diesen Aspekt hatte der emeritierte griechische Jurist und Völkerrechtler Prof. Christos Rozakis hingewiesen. Dieser verweist auf Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, bei denen Merkmale wie die geografische Lage von Inseln und die Länge der Festlandsküste bei den Gerichtsentscheidungen mitberücksichtigt werden.

Nach einem Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hatte Ankara am 21. Juli als Geste des guten Willens die Entsendung des Forschungsschiffs MTA Oruç Reis zunächst verschoben.


Gesprächsbereitschaft der griechischen Regierung war ein Ablenkungsmanöver

Griechenland hatte sich daraufhin zu Gesprächen über das ägäische Meer, den Kontinentalsockel etc. bereiterklärt und angekündigt, die Angelegenheit vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Dieses Ansinnen war allerdings ein Ablenkungsmanöver. Denn am 6. August 2020 wurde mit Ägypten ein Vertrag über maritime Interessensphären unterzeichnet- obwohl dieses Gebiet die Ausschließliche Wirtschaftszone der Türkei überschneidet und das Vorhaben gegen das internationale Seerecht verstößt, da die Berechnung der AWZ nicht vom griechischen Festland aus durchgeführt wurde, sondern die griechischen Inseln als Ausgangspunkt genommen wurden. In diesem Zusammenhang ist das Abkommen zwischen der Türkei und Libyen von Relevanz, bei dem die Seegrenzen der beiden Länder im November 2019 neu definiert und den Vereinten Nationen übermittelt wurden.

Durch die Vereinbarung mit Ägypten hat die griechische Regierung zum Ausdruck gebracht, dass sie an keinem Dialog mit der Türkei interessiert ist. Diese Annahme deckt sich mit einer Deklaration der griechischen Regierung vom 14. Januar 2015 an den Internationalen Gerichtshof. Demnach sollen Streitigkeiten über die „nationale Souveränität auf den Territorialgewässern und im Luftraum“ zunächst mit den betroffenen Staaten geklärt werden. Die Vorgehensweise Griechenlands verstößt gegen Artikel 74 und 83 Absatz 3 der internationalen Seerechtskonvention von 1982, wonach die beteiligten Staaten „im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit vorläufige Vereinbarungen praktischer Art“ treffen sollen.

Rechtsanspruch der Türkei auf Ausschließliche Wirtschaftszone

Beim Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland geht es neben dem Streit um Zonen im ägäischen Meer vor allem um die Ausschließliche Wirtschaftszone, die der Türkei nach der internationalen Seerechtskonvention rechtlich zusteht. Die Ausschließliche Wirtschaftszone der Türkei umfasst insgesamt 189.000 km². Nach der umstrittenen Sevilla-Landkarte würde Griechenland durch die zwei Kilometer vor der türkischen Küste liegende und 580 km vom griechischen Festland entfernte Insel Kastelorizo (Meis), die eine Fläche von zirka 10 km² aufweist, unrechtmäßig 40.000 km² erhalten.

Damit blieben der Türkei gerade einmal 41.000 km² vor ihrer eigenen Küste - und das ist für die türkische Regierung auf keinen Fall hinnehmbar. Damit soll die Türkei zum einen vor der eigenen Küste geopolitisch abgeschottet werden und zum anderen von den Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer abgeschnitten werden. Wie aus der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen hervorgeht, darf ein Küstenstaat von der Basislinie des Meeres 200 Seemeilen als Ausschließliche Wirtschaftszone nutzen - zum Beispiel für die Erforschung und Gewinnung von Ressourcen. Nichts anderes beansprucht die Türkei.

Beim Konflikt im östlichen Mittelmeer streiten sich die Türkei und Griechenland um Energieressourcen und Hoheitsrechte. Auf der Akteursebene hat es die Türkei aber nicht mit Athen, sondern mit Frankreich und Deutschland zu tun. Da insbesondere diese beiden Länder über die EU Griechenland finanziell und politisch unterstützen. Ein weiterer Akteur sind die Vereinigten Staaten, die über die NATO auf Athen und Ankara Einfluss ausüben können, da beide Staaten Mitglied sind.

Gibt es eine Lösung für diesen Konflikt?

Eine Lösung des Konflikts ist schwierig, weil Griechenland auf maximalistischen Positionen beharrt und internationales Recht bricht. Zudem hat es die ostägäischen Inseln seit Jahrzehnten rechtswidrig aufgerüstet und schließt bezüglich des Streits mit der Türkei einen Schiedsspruch vor einem internationalen Gericht kategorisch aus. Griechenland beansprucht für seine winzigen Inseln vor der türkischen Küste einen Festlandsockel, hat jedoch im Juni mit Italien ein Seerechtsabkommen über eine Ausschließliche Wirtschaftszone abgeschlossen und dabei als Berechnungsgrundlage nur das griechische Festland herangezogen. Entgegen internationaler Verträge beansprucht Athen bei den Hoheitsrechten im Luftraum über der Ägäis zehn statt sechs Seemeilen. Eine Lösung des Konflikts scheint unwahrscheinlich, weil Griechenland auf Forderungen besteht, die rechtlich auf tönernen Füßen stehen und internationales Recht ignorieren. Deshalb werden der Rechtsweg und Verhandlungen ausgeschlossen.

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