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Seit dem 20. Jahrhundert gewannen Bodenschätze, insbesondere die großen Ressourcen an Erdölvorkommen, durch die steigenden Mobilitätsbedürfnisse in der westlichen Welt an Bedeutung, was das Bewusstsein der politischen Akteure in Bezug auf die wirtschaftliche Attraktivität der Region zwangsläufig schärfte. Der Nahe Osten avancierte dementsprechend zum Spielball der Großmächte, wofür die Menschen in der Region bis dato einen hohen Preis bezahlen müssen.

Die Neuordnung der arabischen Welt nach dem Osmanischen Reich

Mit dem durch Engländer und Franzosen forcierten Zerfall des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg bekamen diese als neue Kolonialmächte freien Zugang in die Region und bemächtigten sich weiter Teile Arabiens und Nordafrikas, vom Oman bis Marokko. Als neuer Stützpunkt ihrer modernen Besatzungspolitik sollte später der in den Grenzen von Palästina neugeschaffene israelische Staat fungieren.

Nach den beiden Weltkriegen, die zu einem Paradigmenwechsel in der europäischen Architektur führten, begann angesichts der Machtverschiebungen eine neue Zeitrechnung in der globalen Weltordnung. Die kriegsgebeutelten europäischen Länder waren politisch so geschwächt, dass sich die USA und die Sowjetunion mit ihren neu entwickelten und getesteten Atomwaffen (Hiroshima / Nagasaki) als die neuen Weltmächte auf der Weltbühne etablierten. In den elitären Club stieg mit Beginn des 21. Jahrhunderts auch China mit seiner immensen Wirtschaftsmacht, seiner zunehmenden militärischen Stärke und seiner aggressiv auftretenden Außenpolitik auf.

Der Machtkampf der USA mit ihren europäischen Verbündeten

Im Konkurrenzkampf um die Einflussgebiete vertrieben die USA mit ihrer politischen und militärischen Übermacht nach dem Kalten Krieg die europäischen Länder aus vielen Teilen Arabiens und Nordafrikas. Ferner versuchten auch die Russen als Nachfolger der zerfallenen Sowjetunion, in der Region durch Scheinideologien, Zweckbündnisse und Militärmacht eigene Interessen gegen die USA durchzusetzen.

Die US-Administration formulierte das Ziel, nicht nur die neue Supermacht China und das wiedererstarkte Russland sowie die alten europäischen Kolonialmächte zu vertreiben, sondern sie durch souveräne Kontrolle der immensen Energieressourcen auch erpressbar zu machen. Dabei setzten die Amerikaner ihre wirtschaftliche und militärische Übermacht ein und installierten amerikatreue Staatsregierungen in Gestalt von korrupten arabischen Machtpolitikern oder kooperierten zielorientiert mit demokratiefeindlichen Diktatoren bzw. Monarchen. Ferner konnten sie mit uneingeschränkter politischer Unterstützung des Staates Israel ihre Macht fast auf die ganze arabische Halbinsel ausdehnen, zum Leidwesen ihrer Rivalen. In dieser Gemengelage formierte sich eine neue Allianz mit China und Russland sowie dem Iran. Diese bildeten eine gemeinsame starke Front gegen die amerikanische Expansionspolitik.

Um das Hauptziel der amerikanischen Politik zu erreichen, nämlich China und Russland zu destabilisieren und nachhaltig zu schwächen, sollte eine altbewährte Waffe der Europäer eingesetzt werden; der sogenannte radikale Islamismus.
Dafür sollten amerikatreue Gruppierungen in den arabischen Ländern unter der Überschrift „Arabische Frühling“ an die Macht kommen, um längerfristig einen Religionskrieg gegen das schiitische Iran zu führen. In der zweiten Phase der kriegerischen Auseinandersetzung war geplant, die sogenannte „islamische Revolution“ weiter nach Asien zu transportieren.

Die Wahl als Zielland für den Start des Vorhabens fiel auf Syrien

So wurden mit Unterstützung arabischer Länder zehntausende Söldner und fehlgeleitete „Glaubenskrieger“ aus vielen arabischen und europäischen Ländern mit modernsten Waffen ausgerüstet und systematisch nach Syrien eingeschleust. Weitere Rückendeckung erhielten sie von einer Protestbewegung innerhalb der syrischen Bevölkerung, die mit einheimischen Waffen ausgestattet einen grausamen Bürgerkrieg begann, was bisher über 500.000 Menschen, in der Mehrzahl Zivilisten, das Leben kostete. Darüber hinaus wird die Zahl derer, die ihre Heimat verloren, von Hilfsorganisationen mit über 13 Millionen beziffert, und es kam de facto zu einer Aufspaltung des syrischen Territoriums, wobei der Irak sicherlich als Blaupause diente. Noch heute wird ungefähr ein Drittel des syrischen Territoriums (ca. 90 % der syrischen Erdölvorkommen) von den USA sowie ihren Verbündeten YPG/PKK völkerrechtswidrig okkupiert, kontrolliert und ausgebeutet.

Die US-Administration verfolgte in Syrien mehrere grundlegende Ziele. Ins Auge gefasst war die Aufspaltung und damit Schwächung Syriens, was erfolgreich umgesetzt wurde, außerdem die Gründung einer kurdischen Autonomiezone im Norden Syriens an der südlichen Grenze zur Türkei, was den Einfluss der YPG/PKK auf Dauer zementieren sollte. Dieses Territorium sollte außerdem als Basis dafür fungieren, um die türkische Republik längerfristig zu destabilisieren und einen von den USA kontrollierten kurdischen Staat mit einem Staatsgebiet vom Mittelmeer bis an die Grenzen zu Georgien zu gründen, was durch die Intervention der türkischen Streitkräfte erfolgreich verhindert wurde.

Mit Beginn des „Arabischen Frühlings“ sahen die europäischen Atommächte ihre Chance gekommen, ihren Einflussbereich im Nahen Osten zu erweitern. Erwartungsgemäß stellten sie sich auf die Seite der Hegemonialmacht USA sowie der regionalen Atommacht Israel. Auf der anderen Seite des politischen Bollwerks stand die Zweck-Koalition mit den wiedererstarkten Staaten wie Russland und China sowie dem unten den Sanktionen leidenden Iran. Diese Staaten sahen frühzeitig die große Gefahr herbeikommen und intervenierten militärisch, logistisch und finanziell massiv zu Gunsten von Assad und der syrischen Regierung.

Nach 10 Jahren „Arabischer Frühling“ macht sich Ernüchterung breit

Hauptverlierer dieses seit 10 Jahren anhaltenden riesigen Flächenbrandes „Arabischer Frühling“ respektive „Arabischer Alptraum“ sind die arabischen Völker und erwartungsgemäß auch die Europäer. Vor allem Frankreich und England sehen ihren Einflussbereich zunehmend schwinden. Ihre strategischen Interessen in der ganzen Region sind stark beschädigt, die Südflanke im Mittelmeer und der Nahe Osten sind destabilisiert, eine ökonomische und menschliche Katastrophe ist das Resultat. Angesicht dieser prekären Situation handelten der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der russische Präsident Wladimir Putin am 5. März 2020 einen Waffenstillstand aus, der zumindest in Syrien maßgeblich zur Beruhigung der Lage beitrug.

Ist eine Friedenslösung für die leidende Bevölkerung auf der arabischen Halbinsel in Sicht? Diese Frage muss man leider verneinen! Das Endziel der Kriegshandlungen in Syrien und anderen arabischen Ländern wie Irak oder Jemen ist nicht erreicht, die Konfrontation der beteiligten Mächte ist noch größer geworden, die palästinensische Frage ist nicht gelöst und die Völker der Region sind wirtschaftlich ärmer, politisch zerstrittener sowie perspektiv- und hoffnungsloser denn je!

Der „Arabische Frühling“ in Nordafrika

In vielen Ländern Afrikas war Frankreich als Kolonialmacht seit Jahrzehnten militärisch und politisch omnipräsent. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs behielt Frankreich seinen Einfluss in vielen nordafrikanischen Ländern wie Marokko, Algerien und Tunesien bei. Der erdölreiche Staat Libyen unterhielt traditionell enge Beziehungen zu Italien, und zu Ägypten pflegte die Kolonialmacht England gute Beziehungen.

Nachdem Frankreich zu Ungunsten Italiens Gaddafis Herrschaft in Libyen mit dessen Ermordung beendet hatte, entfachte ein Stellvertreterkrieg um die Herrschaft über Libyen. Auf der einen Seite intervenierte Frankreich mit Unterstützung von Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten und Ägypten, auf der anderen Seite wird eine Allianz angeführt von der Türkei sowie Katar, insgeheim gefördert von Amerika, geduldet von Israel.

Die Türkei als Gewinner des Konflikts in Libyen

Die Türkei sah angesichts des Bürgerkriegs in Libyen ihre Interessen so gefährdet, dass sie zu Gunsten der Regierung in Tripolis mit ihren Kampfdrohnen intervenierte und bisher als Sieger aus diesem Machtkampf hervorging. Sowohl Italien als auch Frankreich verspielten einen weiteren ölreichen Staat auf der Landkarte und verlieren in der aktuellen Weltpolitik weiter an politischem Einfluss.
Eine ähnliche Konfliktkonstellation lässt sich auch in Marokko konstatieren, wo sich die USA zunehmend als neue Hegemonialmacht etablieren und Frankreich sowie Spanien als ehemals einflussreiche Mächte ins Abseits drängen.

So bleiben die arabischen Länder nach dem „Arabischen Frühling“ respektive der „Arabischen Depression“ erst recht Spielball der Großmächte. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen der USA mit Europa sowie der USA mit Russland und China tragen hauptsächlich dazu bei. Wieder einmal bleiben die arabischen Völker als Verlierer dieser Konflikte auf der Strecke.

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