Israelische und deutsche Fahne. / Foto: DPA (dpa)
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Seit dem 7. Oktober vergeht kein Tag, an dem eine muslimische Gemeinde, eine muslimische Person und insbesondere eine Muslimin mit Kopftuch nicht verbal oder körperlich angegriffen wird. Medien und die Politik schweigen zu diesem Thema.

Obwohl die große Mehrheit der Demonstrationen, Kritiken und Proteste seitens deutscher Bürger, Palästinenser, Muslime und antizionistischer Juden gegen die israelische Politik friedlich verlaufen, sie Frieden möchten, Massenmorde verurteilen, also alles, was vernunftbegabte Personen nur verlangen können, picken sich sog. „Experten“ Aussagen von Radikalen heraus, sprechen von „importiertem Antisemitismus“, so als hätte es Antisemitismus in diesem Land ohne Migranten und insbesondere ohne Muslime nie gegeben oder als wäre die deutsche Bevölkerung nach 1945 völlig entnazifiziert worden. Dass beides nicht zutrifft, ist national und international Konsens.

Ein Blick auf die Täter der antisemitischen Straftaten in den Jahresrückblicken zeigt, wo der tatsächliche Antisemitismus immer noch verankert ist. Enttäuschend aber, und nicht nur für Muslime, Migranten oder Deutsche mit Migrationshintergrund, sondern auch für die vielen toleranten, sozialen und demokratischen Deutschen, waren die schuldzuweisenden Handlungen der Politiker der Grünen und der SPD. Und dies geschah dann auch noch in einer herrischen Art, wie sie von anderen Parteien zu erwarten gewesen wäre: Mit dem Zeigefinger den Antisemitismus bei den Muslimen verorten (Innenministerin Faeser in der letzten DIK) oder den Schutz für Muslime vor rechtsradikaler Gewalt an verfassungswidrige Bedingungen knüpfen (Habecks November-Rede).

Was wird eigentlich mit Antisemitismus gleichgesetzt?

Der aktuelle Wahnsinn liegt darin, dass mittlerweile radikale Stimmen nicht gebraucht werden, um sich als „Kämpfer gegen den Antisemitismus“ zu profilieren. Es reicht schon allein Kritik am israelisch-militärischen Vorgehen, an der Tötung von tausenden Zivilisten, unter ihnen tausende Kinder. Es reicht schon Kritik an der Bombardierung der Krankenhäuser, Schulen, Moscheen und Kirchen, der UN-Gebäuden, der Flüchtlingscamps, schon wird man seitens dieser „Kämpfer“ als „Antisemit“ angegriffen.

Die Kritik der Menschenrechtsorganisationen – von Amnesty International bis hin zur jüdischen Organisation B'Tselem – zu zitieren, könnte für jeden Folgen haben, doch wenn ein Muslim und sogar ein israelkritischer Jude dies tut, ist das Urteil bekannt: Antisemit! Es reicht schon, wenn man einen muslimischen Namen trägt und einem berechtigten israelkritischen Tweet auf X zustimmt, schon kann man seinen Job verlieren. Wenn man die Angriffe auf Israel kritisiert und verurteilt und anschließend ein „aber“ dransetzt, um auf die Einhaltung des Völkerrechts hinzuweisen. Wenn antizionistische Juden zitiert werden, welche die als rassistisch bekannte Regierung in Israel kritisieren. Und diese jüdischen Stimmen, international anerkannte Intellektuelle, Historiker, Autoren, erleben derweil etwas, was sie nie für möglich gehalten hätten. Sie bekommen überall auf der Welt Anerkennung, werden gewürdigt, doch in Deutschland sieht es ganz anders aus. Jüdische Israel-Kritiker werden in Deutschland nicht anerkannt. So werden verdiente Preisverleihungen abgesagt, Kunst- und Kulturausstellungen gecancelt, Vorträge blockiert oder verboten.

Selbst wenn dieser aktuelle Wahnsinn in diesem Ausmaß vor dem 7. Oktober nicht vorhanden war, so wurden schon antizionistische Juden und Jüdinnen für ihren Einsatz für Palästina heftig angegriffen. So sagte auch die Holocaustüberlebende Esther Bejarano, die 2021 verstarb und von Politikern aller Parteien für ihren Einsatz gegen den Hass gewürdigt wurde, in einem Interview, dass sie ebenfalls als Antisemitin beschuldigt wurde, weil sie die BDS-Boykottbewegung unterstützte und die Politik Israels kritisierte.

Perfider Antisemitismus

Man kennt dieses einseitige proisraelische Vorgehen als „Philosemitismus“. Philosemitismus, also eine wohlgesinnte Haltung zum Judentum ist per se nicht falsch, es kann sogar Antisemitismus abbauen, wenn auch in kritischen Diskussionen und Artikeln mit „Philosemitismus“, die „unkritische Haltung zu Israels Politik“ gemeint ist. „Perfider Antisemitismus“ ist mehr, diese Bezeichnung zielt auf das perfide Spiel hinter diesem „unkritischen Philosemitismus“.

Perfider Antisemitismus ist z.B., wenn einseitige Solidaritätsbekundungen Israel gegenüber ausgesprochen, aber israelkritische Juden als Antisemiten geschmäht werden. Wenn tatsächlicher Antisemitismus (und Rassismus) in den eigenen Parteien bewusst übersehen wird (eine Google-Suche mit „Hitlergruß Politiker“ dürfte reichen) und stattdessen der Antisemitismus Minderheiten auferlegt wird. Wenn tatsächliche Antisemiten in den eigenen politischen Reihen geduldet und stattdessen israelkritische (nicht antisemitische) Personen mit Migrationshintergrund aus Politik und Medien ausgeschlossen werden. Wenn antisemitische Vorfälle in Polizei, Medien, Parteienlandschaft, Staatsapparat und der Öffentlichkeit verharmlost und stattdessen Muslime als Quelle des antisemitischen Übels dargestellt werden.

Wenn also einseitig, absolut und unkritisch Solidarität geäußert und dabei bewusst kalkuliert wird, durch diese einseitige Unterstützung bei einer Minderheitsgruppe Feindseligkeit auf Israel und auf die Juden schüren zu können. Perfider Antisemitismus ist der Versuch, über Umwege (wie durch Schuldzuweisung) den „Persilschein“ zu erlangen, ohne sich tatsächlich zu entnazifizieren. Ziel dieses perfiden Antisemitismus ist es, Muslime und Juden gegeneinander auszuspielen.

Wie die Welt Deutschland heute sieht?

Der Wahnsinn, der über Deutschland gekommen ist, der Rassismus gegenüber Muslimen und Juden, geschieht zwar im Namen der Antisemitismusbekämpfung. Doch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hat den Grund des aktuellen Wahnsinns nicht befürwortet, wie kürzlich in einer Umfrage deutlich wurde.[2] Der Grund für diesen Wahnsinn, nämlich die Politik „ohne Wenn und Aber“, ist zugleich verfassungswidrig (GG 1,2): „Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“

Sollte also die Welt nicht allzu schnell urteilen, sondern genauer hinsehen, wird man nicht nur Medien und Politiker wie Baerbock, Scholz oder Habeck (oder Oppositionspolitiker) sehen, die „keinen Frieden möchten“. Man wird auch das entschlossene Bestreben vieler Bürger Deutschlands sehen, des Weiteren die zahlreichen Aktionen von Muslimen und Juden, die sich trotz Antisemitismusvorwürfen und trotz der Anstrengungen der perfiden Antisemiten nicht von der politischen und medialen Meinungsmache mundtot machen lassen. Sie stehen und kämpfen gemeinsam unermüdlich für den Erhalt des friedlichen Zusammenlebens und für den Frieden (auch in Palästina und Israel). Die Welt sollte (auch) diese mutigen Menschen nicht vergessen. Auch sie sind Deutschland.

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