3. Juni 2021: Wahlplakate der CDU und AfD in Sachsen-Anhalt (AFP)
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Rassistische Rhetorik und rechtspopulistische Forderungen

Wirft man einen näheren Blick auf das Wahlprogramm der AfD und ihre Anträge im Bundestag, so ist unschwer zu erkennen, dass sie bei Migration und Asyl Politik auf dem Rücken der Geflüchteten und der hier seit Jahrzehnten lebenden Migranten betreibt. Im Mai forderte die Partei von der Bundesregierung Datenerhebungen zur sogenannten Clankriminalität mit Verweis auf ethnische Herkunft und Staatsangehörigkeit, als ob kriminelle Vereinigungen nur einer spezifischen Kultur angehörten.
„Normal ist es, unsere Grenzen zu schützen.“, steht im Wahlprogramm der AfD unter dem Punkt Asyl und Einwanderung. Die Partei bezieht sich hierbei immer wieder auf die Flüchtlingswelle von 2015, bei der die Bundesregierung aus ihrer Sicht fahrlässig gehandelt habe, weil sie damals eine humane Flüchtlingspolitik verfolgte. Die AfD spricht von gescheiterter Integrationspolitik und Kontrollverlust an den Grenzen. Dies habe zu mehr Clankriminalität geführt. Zudem plädiert sie für deutsche Leitkultur, ohne diese näher zu definieren, statt Parallelgesellschaften.
Diese rassistische Rhetorik kennt man von deutschen Politikern nach dem Mauerfall, als in den 1990ern Häuser von Migranten durch Neonazis in Brand gesetzt wurden und zahlreiche Opfer zu beklagen waren. Wer keinen Zusammenhang zwischen den Worten von Politikern und den Taten von Rassisten erkennen kann und möchte, der verschließt seine Augen vor der Realität, mit der viele Menschen mit Migrationsgeschichte bis heute zu kämpfen haben. Im Jahr 2020 gab es 900 dokumentierte Angriffe auf Muslime und Moscheen in Deutschland.
Und das ist nur die Dunkelziffer, weil viele Fälle aus Angst und Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden nicht gemeldet werden. Verständlich nach Versagen, Ressentiments und Vorurteilsstrukturen bei den Ermittlungen zu den NSU-Morden.

Der Islam und die Muslime als Feindbilder

Die AfD ist wohl die einzige Partei, die in ihrem Wahlprogramm mehrere Seiten über den Islam und die Muslime niedergeschrieben hat. Natürlich nicht zur Aufklärung, sondern um weitere Ressentiments gegen Muslime zu schüren und den Islam als Feindbild aufrechtzuerhalten. Am Anfang betont man, dass integrierte Muslime ein Teil der Gesellschaft seien. Doch im weiteren Verlauf der Niederschrift erkennt man den Vorwurf des Antisemitismus und klaren antimuslimischen Rassismus.
Hier werden zwei Minderheiten gegeneinander aufgewiegelt, obwohl laut Bundeskriminalamt (BKA) die größte Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft vom Rechtsextremismus ausgeht. 93,4 Prozent der antisemitischen Straftaten haben einen rechtsextremistischen Hintergrund, ähnlich hoch (90,1 Prozent) ist der Anteil bei den islamfeindlichen Straftaten.
Im Parteiprogramm ist auch fest verankert, dass man die Finanzierung des Baus und Betriebs von Moscheen in Deutschland durch islamische Staaten gesetzlich verbieten möchte. Hinzu kommt die Beendigung der staatlichen Kooperation mit der türkisch-islamischen Anstalt für Religion (DITIB), weil sie Teil der türkischen Religionsbehörde sei. Dabei beruft man sich auf die türkische Innen- und Außenpolitik, obwohl die DITIB seit Jahrzehnten in Deutschland aktiv und kein einziger Extremismusverdacht bekannt ist.
Auch im Bereich der Bildung sollen Rechte und Freiheiten der Muslime eingeschränkt werden. Die islamtheologischen Lehrstühle an Universitäten sollen abgeschafft und auf die Stellen der bekenntnisneutralen Islamwissenschaft übertragen werden. Im Religionsunterricht an staatlichen Schulen soll auch kein Islamunterricht mehr stattfinden, sondern eine Islamkunde im Ethikunterricht. Auch Kleidungsvorschriften im Öffentlichen Dienst und an Schulen sollen insbesondere für muslimische Frauen gelten. Demnach soll das Kopftuch als politisches Symbol im Öffentlichen Dienst verboten und in öffentlichen Schulen weder von Lehrerinnen noch von Schülerinnen getragen werden. Auf der einen Seite von islamischen Verbänden Gleichberechtigung von Mann und Frau fordern, auf der anderen Seite Einschränkungen im Schul- und Berufsleben für muslimische Frauen fordern. Ist das die Alternative für Deutschland?
Unter dem Schirm der Meinungsfreiheit sei es außerdem legitim, den Islam zu kritisieren, ohne als Rassist abgestempelt zu werden. Hier wird der antimuslimische Rassismus in Deutschland bewusst relativiert. Selbst nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau im Februar 2020, bei dem neun Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte ermordet wurden, sprach man von Einzelfall und versuchte, den Attentäter als verwirrten Psychopathen darzustellen. Bei kriminellen Taten von einzelnen Geflüchteten verallgemeinert man hingegen gern und schiebt es auf die Kultur und Religion einer ganzen Religionsgemeinschaft. Auch Minarette und Muezzinrufe seien mit einem toleranten Miteinander der Religionen nicht vereinbar. So viel hält die AfD von der Religionsfreiheit, die durch das Grundgesetz gewährleistet ist. Die systematische Kriminalisierung von Muslimen ist zweifellos Parteipolitik, die von Teilen der Medien und Gesellschaft wohlwollend aufgenommen und mitgetragen wird. Rassismus ist kein gesellschaftliches Randphänomen mehr.

Wählerschaft der AfD und ihre Motive

Obwohl Ziele und Parteiprogramm der AfD für jedermann zugänglich sind, ging man lange Zeit davon aus, dass die AfD vor allem durch Protestwähler immer mehr an Stimmen gewann. Menschen, die aus Überzeugung diese Partei wählen, bildeten angeblich nur eine Minderheit. Eine Stimme für die AfD sei vielmehr ein Denkzettel für die etablierten Parteien, die angeblich nicht mehr auf Bedürfnisse der Wähler eingingen. Die Auswertung der Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa zeigt die Gesinnung der AfD-Wählerschaft deutlich und dass rechtsextreme Überzeugungen weit verbreitet sind.
Demnach heißt es in der Forsa-Untersuchung, dass AfD-Anhänger sich durch große Nähe zu rechtsradikalen Bewegungen und durch extreme Fremdenfeindlichkeit auszeichnen. Sie seien außerdem anfällig für völkisches Gedankengut und hätten große Distanz zum demokratischen System. 75 Prozent der Wahlberechtigten mit AfD-Präferenz finden demnach, dass rechtsradikale Gruppen mit „manchem durchaus Recht“ haben. Zum Vergleich: In der Gruppe der Nicht-AfD-Wähler lag die Zustimmung bei 21 Prozent. Für 87 Prozent der befragten AfD-Anhänger gibt es in Deutschland zu viele Ausländer. Nicht-AfD-Wähler stimmen nur zu 25 Prozent dieser These zu. Außerdem sind 42 Prozent der AfD-Anhänger der Überzeugung, dass Deutschland wieder einen starken Mann als Führer brauche. Unter den Wählern ohne AfD-Präferenz teilen lediglich sieben Prozent diese Sehnsucht nach einem Führer. 74 Prozent der AfD-Anhänger sind unzufrieden mit dem demokratischen System, und stolze 87 Prozent sind unzufrieden mit dem politischen System, so wie es derzeit funktioniert. An diesen Zahlen kann man deutlich erkennen, dass die Mehrheit der AfD-Wähler die AfD aus ideologischer Überzeugung wählt.

Verfassungswidrige Forderungen

Mit Blick auf das Wahlprogramm der Partei sind die Forderungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Kölner Verwaltungsgericht wird aber vor der Bundestagswahl nicht mehr über den Streit um eine Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall entscheiden. Dies liege auch an der hohen Komplexität des Verfahrens.
Die deutsche Staatsangehörigkeit sei ein kostbares Gut und dürfe nicht an das Geburtsortprinzip, sondern an das Abstammungsprinzip gekoppelt sein, wie es bis zum Jahr 2000 galt. Auch die Anforderungen für eine Einbürgerung sollen erheblich steigen.
Die AfD fordert ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst. Außerdem soll in Bildungseinrichtungen weder von Lehrerinnen noch von Schülerinnen Kopftuch getragen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 entschieden, ein generelles Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen sei verfassungswidrig. Ein pauschales Verbot verstößt laut Urteil gegen die im Grundgesetz verankerte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.
Auch in der Migrationsfrage hält die AfD die Genfer Flüchtlingskonvention von 1949, zu der sich auch Deutschland verpflichtet hat, für überholt und fordert ausschließlich qualifizierte Einwanderung nach japanischem Vorbild. Und lediglich eine humanitäre Aufnahme nur für vom Bundestag ausgewählte, besonders schutzbedürftige Personen, für deren Auswahl ein mit der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbarer kultureller und religiöser Hintergrund ein wichtiges Kriterium sei. Aus ihrer Sicht ist dann kein Platz für muslimische Geflüchtete, was allein schon aus ethischen Gründen nicht hinnehmbar sein sollte.

Wahlkampagne der AfD

Mit Alice Weidel und Tino Chrupalla als Spitzenkandidaten zieht die Alternative für Deutschland in den Wahlkampf. Gemeinsam erklären sie auf einem der Plakate, wohin sie wollen: „Zurück zur Normalität“. Das liest man oft auf Wahlplakaten der AfD zu fast jedem politischen und gesellschaftlichen Thema. Doch was versteht die Partei unter Normalität? Auf einem der Wahlplakate ist eine vermeintliche Migrantin abgebildet mit der Aufschrift „Wofür mein Vater nach Deutschland kam? Für deutsche Leitkultur. Unser Land, unsere Werte“.
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen damals nach Deutschland kamen oder flüchteten. Schwer vorstellbar, dass sie ihren Familien erzählten, sie hätten Deutschland für die deutsche Leitkultur ausgesucht. Aber das ist auch ein Statement der Partei. Es sind wohl nur Migrantinnen und Migranten willkommen, die ihre eigene Kultur ablegen, leugnen und sich voll und ganz assimilieren lassen. Eine homogene Gesellschaft. Das versteht die Partei wohl auch unter deutscher Normalität neben der Normalität vor der Corona-Pandemie. „Deutschland muss offen bleiben“, lautet ein weiterer Slogan. Damit sind nicht die Grenzen gemeint, wie man irrtümlicherweise annehmen könnte, sondern der Lockdown.
Im Wahlkampf konzentriert sich die Partei neben Themen wie Umwelt und Energie, Rente und Soziales auf innere Sicherheit, Asyl und Einwanderung, bei denen sie sich mehr Stimmen von Wählern erhofft. Vor allem nach der politischen Krise und der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan rechnet man wieder mit Flüchtlingsströmen, denen man Einhalt gebieten möchte. Aber auch andere Politiker wie Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) möchten nicht, dass sich 2015 wiederholt.
Beim Thema Migration möchten einige Parteien das Feld nicht der AfD überlassen, aber buhlen damit bewusst oder unbewusst um die Stimmen ihrer Wählerschaft.

Man hat als Mensch mit Migrationsgeschichte das Gefühl, dass während die AfD mit rassistischer Rhetorik die Alternative für Deutschland sein möchte, einige Politiker versuchen, die Alternative für die AfD zu sein. Ist das die Zukunft bzw. die Alternative, die man sich für Deutschland vorstellt?

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