0.08.2021, Russland, Moskau: Wladimir Putin, Präsident von Russland, überreicht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU,r) Blumen während ihres Treffens im Kreml. (dpa)
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Merkels letzte offizielle Reise nach Russland

Zum ersten Mal reiste die Bundeskanzlerin im Januar 2006 nach Moskau, kurz nach ihrer Wahl. Damit betonte sie die herausragende Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen, gerade im Energiebereich. Sie steht damit in der von Willy Brandt und Egon Bahr geprägten Ostpolitik im Geiste der Aussöhnung mit der Sowjetunion. Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der mit Wladimir Putin eine Männerfreundschaft pflegt und Aufsichtsratsvorsitzender der Energieunternehmen Rosneft und Nord Stream 2 ist, praktizierte die gebürtige Hamburgerin einen anderen Stil. Neben ihren kontinuierlichen Bemühungen, mit ihrem russischen Pendant gute und belastbare Arbeitsbeziehungen zu unterhalten, suchte sie auch das Gespräch zu zivilgesellschaftlichen Akteuren, in der Regel anerkannte Bürgerrechtler. Merkel und Putin haben zwar gemeinsam, dass sie gänzlich oder teilweise in der DDR lebten, allerdings war sie in der evangelischen Kirche und 1989 in der DDR-Opposition aktiv, wohingegen Putin in Dresden für den sowjetischen Auslandsnachrichtendienst arbeitete. Trotzdem war Merkel immer bereit, bilaterale Herausforderungen und Dissonanzen pragmatisch anzugehen. Nun stellt ihr 21. Besuch auch das vorläufige Ende einer speziellen deutschen Russlandpolitik dar.

Erdgashandel als bedeutender Aspekt im Verhältnis zwischen Berlin und Moskau

Nichtsdestotrotz hatte sie immer sowohl deutsche als auch gewisse russische Interessen im Auge, wie das Beispiel Nord Stream 2 zeigt. Das Erdgasinfrastrukturprojekt steht kurz vor der Fertigstellung. Es gab zahlreiche Kontroversen und eine diesbezügliche Spannung in den Beziehungen Deutschlands zu den USA. Letztlich gelang es Bundeskanzlerin Merkel in einem Abkommen mit Präsident Biden, alle noch bestehenden Hürden aus dem Weg zu räumen. Ist die Ostseepipeline auch keine Herzensangelegenheit der deutschen Regierungschefin, so hat sie doch Wort gehalten und das Projekt bis zur Implementierung flankiert. Bereits 2014, als Deutschland mit seinen europäischen und transatlantischen Partnern Sanktionen gegen die Regierung in Moskau wegen deren Ukraine-Politik verhängte, wurden die Erdgasimporte aus der Russischen Föderation nach Europa ausgeklammert. Angela Merkel war sich der Bedeutung dieser russischen Exportgüter für die deutsche und westeuropäische Industrie und die jeweiligen Energiesektoren bewusst. Diesbezügliche Probleme löste sie diskret auf ihre bekannte nüchterne Art. Das brachte ihr den Respekt von Präsident Putin ein. Er bezeichnete deshalb Angela Merkel während ihres Kreml-Aufenthaltes als „leuchtende politische Persönlichkeit“.

Derzeit sind die bilateralen Beziehungen angespannt

Wladimir Putin verabschiedete sich von Angela Merkel höflich mit einem Rosenstrauß. Nichtsdestotrotz wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz im prunkvollen Alexandersaal des Kremlpalastes von der Bundeskanzlerin, die angespannt wirkte, offen ausgesprochen, dass es schon als Erfolg zu werten sei, dass beide Seiten miteinander sprechen. Denn im Gegensatz zum kleinsten gemeinsamen Nenner, den Erdgasbeziehungen, gibt es derzeit viele Dissonanzen. Das betrifft die politische Situation in Belarus und die russische Unterstützung für den dortigen Herrscher Alexander Lukaschenko. Einige Experten vermuten sogar, dass der Preis für Moskaus Kredite und politische Rückendeckung seitens der russischen Administration der Verlust der Unabhängigkeit dieses Landes sein wird. Doch der Westen, vor allem Deutschland, Polen und die baltischen Staaten, betrachtet Belarus als Pufferzone und möchte einen Anschluss an die Russische Föderation unbedingt verhindern.

Ein weiteres Gesprächsthema zwischen den deutschen und russischen Spitzenpolitikern war die Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die Taliban. Putin machte deutlich, dass aus seiner Sicht der „westliche Demokratieexport“ gescheitert sei und regionale Strukturen und Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Er warb für eine politische Annäherung an die neuen Machthaber in Kabul sowie internationale Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung. Dabei hatte er auch die Niederlage der Sowjetunion in dem Land am Hindukusch, verbunden mit dem unrühmlichen Abzug der sowjetischen Streitkräfte 1989, im Hinterkopf.

Merkel vermied es auch nicht, die Lage der Oppositionellen sowie der unabhängigen Medien zu thematisieren. Sie sprach die Lage von Alexei Nawalny an und forderte seine Freilassung aus der Lagerhaft. Putin ging jedoch nicht darauf ein. Auch der Wunsch der Bundeskanzlerin, dass drei deutsche Nichtregierungsorganisationen mit kritischem Bezug zur jetzigen Politik der russischen Regierung, wie der „Deutsch-Russische Austausch“ und das „Zentrum der liberalen Moderne“ ihre Tätigkeiten in der Russischen Föderation wieder aufnehmen können, blieb unbeantwortet.

Merkels letzter Besuch stellt eine Zäsur dar. Wer auch immer ihr im Amt des Bundeskanzlers folgt, wird andere Akzente in der Politik gegenüber Moskau setzen. Man kann nur hoffen, dass eine gewisse Verlässlichkeit in den bilateralen Beziehungen sowie eine Mittlerfunktion im Kanzleramt erhalten bleiben.

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