15.07.2022, Saudi-Arabien, Dschidda: Auf diesem von der Saudi Press Agency (SPA) herausgegebenen Foto begrüßt Mohammed bin Salman (r), Kronprinz von Saudi-Arabien, Joe Biden, Präsident der USA, mit einem Faustgruß nach dessen Ankunft. (dpa)
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Eine der Stationen der Nahostreise von US-Präsident Joe Biden war Saudi-Arabien. Während dieser Visite wurden 18 Abkommen und Absichtserklärungen zwischen den USA und Saudi-Arabien unterzeichnet. Selbstverständlich ist der Besuch von US-Präsident Biden von Bedeutung. Denn abgesehen von der Ära Trump waren die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien schon seit dem Beginn des Arabischen Frühlings angespannt. Der zuvor schon von Präsident Obama initiierte militärische Rückzug und Abbau der US-Präsenz im Nahen Osten, seine Haltung während des Arabischen Frühlings sowie die Unterzeichnung des Atomabkommens mit dem Iran sind dabei augenscheinlich die Hauptursachen dieser Spannungen. Zwar scheint der Grund für die aktuellen Verstimmungen zwischen der Biden-Administration und Mohammed bin Salman (MbS) die Ermordung von Jamal Khashoggi zu sein, doch ist wohl auch der Versuch Bidens, den Status quo und somit die eigenen Interessen im Nahen Osten ohne Kosten für die USA zu wahren, Ursache für das kühle Verhältnis zwischen den beiden Ländern.

Die Energieproblematik

Das am meisten diskutierte Thema vor und nach Bidens Besuch war zweifellos die Frage nach alternativen Energiequellen. In einer Zeit, in welcher der Krieg zwischen Russland und der Ukraine noch andauert und die Ölpreise in die Höhe schnellen, gehört es zu Bidens Zielen, die Ölproduktion in Saudi-Arabien zu erhöhen und damit den Ölpreis zu senken. Obwohl die Regierung in Riad bereits im Vorfeld erklärt hatte, die Förderung zu erhöhen, betont sie, diese Entscheidung im Kontext der OPEC getroffen zu haben und nicht infolge der Bemühungen um bessere Beziehungen zur USA. Ausschlaggebend für Riad ist demnach die OPEC, die ihre Förderquoten entsprechend angepasst hat. Russlands Ausspielen seiner Energiekarte gegen Europa und die Bemühungen der USA, die durch die hohen Ölpreise verursachten wirtschaftlichen Probleme zu überwinden, stärken indes die Position Saudi-Arabiens.

Insbesondere die Tatsache, dass sich die europäischen Länder bereits in einem energiepolitischen Strudel befinden und für den kommenden Winter kaum alternative Versorgungsquellen zur Verfügung stehen, beunruhigt nicht nur Europa, sondern auch die USA. Für die Biden-Administration ist es strategisch von großer Bedeutung, dass die Position der europäischen Partner, hier insbesondere Deutschland, die sich von russischem Gas und Öl abhängig gemacht haben, gegenüber Moskau gestärkt wird. Wie MbS in diesem Zusammenhang auf dem Sicherheits- und Entwicklungsgipfel in Jeddah mitteilte, konnte Saudi-Arabien seine Tagesproduktion zwar auf 13 Millionen Barrel steigern, aber diese Quote entspricht noch nicht den Erwartungen Washingtons.

Normalisierung mit Israel

Ein weiteres Thema auf der Tagesordnung von Bidens Staatsbesuch war die Frage der Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel. Die Vereinigten Arabischen Emirate, ihrerseits enge Verbündete Riads und Bahrain, erkannten mit den Abraham-Abkommen Israel an, nahmen diplomatische Beziehungen auf und die bilateralen Beziehungen entwickelten sich auf einem positiven Niveau. Die Regierung in Riad verzichtete bisher jedoch auf die Wiederholung dieser Zeremonie und gibt nach wie vor noch kein grünes Licht für die Aufnahme offizieller Beziehungen zu Israel. Auch wenn Saudi-Arabien während des Besuchs von Präsident Biden beschloss, seinen Luftraum für Israel zu öffnen, kann noch nicht die Rede davon sein, dass es nach den Gesprächen Anzeichen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Riad in Tel Aviv gäbe.

Natürlich wäre es für einen Akteur wie Bahrain nicht möglich gewesen, ohne die Zustimmung Saudi-Arabiens offizielle Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Dennoch ist zu unterstreichen, dass die politischen Verantwortlichen in Riad trotz der massiven Erwartungen Israels noch nicht bereit sind, die bisher verdeckt gehaltenen Beziehungen in einen offiziellen Rahmen zu packen. Nichtsdestotrotz nähern sich Saudi-Arabien und Israel, die sich in der Region gemeinsam gegen den Iran positionieren, hinsichtlich ihrer Bedrohungsanalysen und nationaler Sicherheitsprioritäten weiter an, wobei sich die strategischen Prioritäten beider Länder mit Blick auf die problematischen Beziehungen der Biden-Administration zu MbS und Israel gerade ändern.

Geben die USA noch immer den Ton an?

Ein weiterer Punkt, der während des Besuchs des US-Präsidenten für Aufmerksamkeit sorgte, war die Aussage Bidens, dass „die USA kein Vakuum hinterlassen werden, das Russland und China im Nahen Osten ausfüllen können“. Diese Rhetorik Bidens ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass sich die USA seit der Ära Obama militärisch immer stärker aus dem Nahen Osten zurückgezogen und damit den Druck auf die Golfstaaten erhöht haben, ihre eigene Sicherheit selbst zu gewährleisten. Das hatte natürlich auch zur Folge, dass Russland und China seitdem bemüht sind, ein etwaiges Machtvakuum in der Region auszufüllen. Letztlich beschreibt Präsident Biden mit diesen Sätzen eine aktuelle Bedrohung und kein Zukunftsszenario. So versuchen die USA zwar seit 2010, die Kosten ihrer militärischen Präsenz im Nahen Osten zu drücken, dennoch versuchen sie politisch und diplomatisch, die Kontrolle in der Region nicht zu verlieren, wobei sie aber hinsichtlich der nationalen Sicherheitsbedenken regionaler Mächte auch nicht mehr in der Lage scheinen, zufriedenstellende Antworten zu geben. Diese Situation hat dazu geführt, dass Saudi-Arabien und auch andere Golfstaaten trotz ihrer Abhängigkeit von den USA inzwischen auch mit alternativen Mächten kooperieren. Zu einer Zeit, in der die USA ihre Position im internationalen System neu bewerten, erscheint es unwahrscheinlich, dass Präsident Biden über eine bloße Rhetorik, die vorgeblich einen Führungsanspruch formuliert, hinausgeht. Insofern wird Saudi-Arabien Bidens Äußerungen nicht ernst nehmen, es sei denn, das Land sieht konkrete Schritte der USA im Zusammenhang mit der eigenen nationalen Sicherheit, etwa die Bedrohung durch den Iran oder eine strategische Unterstützung bei Themen wie dem Jemen.

Offensichtlich wollte die Biden-Administration mit dem Besuch untermauern, dass sie in der Region und der Nahostpolitik noch immer den Ton angibt. Allerdings ist zu konstatieren, dass die Glaubwürdigkeit Washingtons aufgrund wiederholter Vertrauenskrisen mit Ländern wie Saudi-Arabien und den aktuellen Unwägbarkeiten der Nahostpolitik der USA auf einem sehr niedrigen Niveau verweilt. Insofern werden wohl auch in nächster Zeit die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien ähnlich kühl bleiben wie die Begrüßung Bidens durch Kronprinz Mohammed Bin Salman.

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