Symbolbild – Spinnen, Kolibris, Affen und menschenähnliche Formen: die geheimnisumwitterten „Nasca-Linien“ in Peru. (Others)
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Stellen Sie sich vor, Sie fliegen mit dem Flugzeug über den Wüstenhimmel im Süden Perus. Wahrscheinlich erwarten Sie dabei einen Blick auf triste, blasse, gleichartig geformte Felsen und viel Sand. Aber in dieser Region gibt es noch viel mehr zu sehen als das. Die Landschaft des Landes birgt ein 2000 Jahre altes Mysterium. Erst aus der Luft sind sie gut zu sehen: die sogenannten Nasca-Linien.

Sie wurden in einer Region Perus, etwas mehr als 200 Meilen südöstlich von der Hauptstadt Lima, in der Nähe der heutigen Stadt Nasca entdeckt. Insgesamt gibt es über 800 gerade Linien, 300 geometrische Figuren und 70 Tier- und Pflanzenmuster, die als Biomorphs bezeichnet werden. Einige der geraden Linien sind bis zu 30 Meilen lang, während die Biomorphs zwischen 15 und 365 Meter lang sind, also so groß wie das Empire State Building.

Am bekanntesten sind die Darstellungen von Tieren und Pflanzen wie Spinne, Kolibri, Kaktus, Affe, Wal, Lama, Ente, Blume, Baum, Eidechse und Hund. Am ungewöhnlichsten ist jedoch die Zeichnung einer menschenähnlichen Figur, die den Spitznamen „Der Astronaut“ trägt.


Der berühmte „Astronaut“, eine menschenähnliche Form in den Nasca-Linien von Peru. (Others)

Anthropologen gehen davon aus, dass die Menschen der Antike die Figuren gestalteten, indem sie 12 bis 15 Zentimeter des Gesteins abtrugen und tief gruben. So wurde demnach der hellere Sand darunter freigelegt, der die Figuren in der mit Eisenoxid beschichteten Kiesschicht sichtbar machte. Vermutlich haben sie mit kleinen Figuren begonnen und diese dann vergrößert.

Nach Ansicht der Wissenschaftler wurden die Linien vom Volk der Nasca geschaffen, das etwa von 1 bis 700 n. Chr. lebte. Die Chavin- und Paracas-Kulturen, die vor dem Nasca-Volk lebten, könnten ebenfalls einige der Geoglyphen gezeichnet haben.

Aber was ist der Zweck dieser Linien? Diese Frage wartet seit über 80 Jahren auf eine Antwort.

Und wenn es sie schon so lange gibt, warum werden sie dann erst seit 80 Jahren untersucht? Nun, die Linien erlangten breite Aufmerksamkeit, als Piloten sie in den 1930er Jahren mit ihren Flugzeugen überflogen. Davor konnte niemand die Formen vom Boden aus erkennen und wusste über dieses Geheimnis Bescheid.

Zusammenhang zwischen Nasca-Linien und Außerirdischen?

In den späten 1930er Jahren begann der amerikanische Historiker Paul Kosok, die Linien sowohl vom Boden aus als auch aus der Luft zu untersuchen. Aufgrund der relativen Lage einer der Linien zur Sonne um die Wintersonnenwende nahm er an, dass die Geoglyphen einen astronomischen Zweck erfüllten. Für ihn ist die 310 Quadratmeilen große Wüste das „größte Astronomiebuch der Welt“.

Auch die aufgrund ihrer 40-jährigen Forschungsarbeit als „die Liniendame“ bekannte deutsche Archäologin Maria Reiche stimmt mit Kosok überein, dass die Linien eine astronomische und kalendarische Bedeutung haben. Reiche zufolge stellten einige Tiergeoglyphen Gruppen von Sternen am Himmel dar.

Eine völlig andere Theorie stammt von dem Schweizer Schriftsteller Erich von Däniken, der in seinem Buch „Erinnerungen an die Zukunft“ (1968) behauptet, dass diese Linien ein Landeplatz für UFOs waren. Die Menschen der Antike hätten laut Däniken Außerirdische als „fremde Götter“ betrachtet.

Andere Theorien, die sich ebenfalls auf Außerirdische beziehen, legen ähnliche Annahmen nahe und besagen, dass die Formen von Außerirdischen geschaffen wurden und zur Steuerung ihrer Raumschiffe und als Landeplätze dienten.

In den späten 1960er Jahren untersuchten Forscher wie der amerikanische Astronom Gerald Hawkins die Nasca-Linien. Sie widersprechen den astronomischen und außerirdischen Erklärungen. Es gibt jedoch Untersuchungen, die die Struktur und Ökologie der Region analysierten und dem Zweck der Nasca-Linien am nächsten zu kommen scheinen.

„Schauen Sie sich das große ökologische System an, was um Nasca herum liegt, und wo sich die Nasca-Leute befanden“, sagt Johan Reinhard, ein Explorer-in-Residence der National Geographic Society. Er verweist auf das trockene Klima der Region, in der es nur etwa 20 Minuten pro Jahr regnet.

Während das trockene Klima erklärt, wie es die außergewöhnlichen Formen ohne Schaden in unsere Zeit schaffen konnten, offenbart es auch einen wichtigen Einblick in den Zweck der Nasca-Linien: das Bedürfnis nach Wasser.

Rituale für Fruchtbarkeit und Wasser?

„Es scheint wahrscheinlich, dass die meisten Linien nicht auf irgendetwas am geografischen oder himmlischen Horizont zeigten, sondern zu Orten führten, an denen Rituale durchgeführt wurden, um Wasser und Fruchtbarkeit der Ernten zu erhalten“, schreibt Reinhard in seinem Buch „The Nazca Lines: A New Perspective on their Origin and Meaning“.

Wahrscheinlich führten die Nasca-Leute Rituale durch, um ihre Götter um Wasser zu bitten. Vielleicht wurden die Linien so groß gemacht, damit ihre Götter sie sehen konnten und um ihnen ihr verzweifeltes Bedürfnis nach Wasser als Botschaft durch die Formen zu zeigen. Reinhard zufolge waren Tiersymbole und spiralförmige Motive, die in den Formen zu sehen sind, auch in anderen alten peruanischen Stätten üblich.

Betrachtet man die Bedeutung dieser Symbole in der peruanischen Antike, so zeigt sich, dass Spinnen als Zeichen des Regens gelten, Kolibris und Affen mit dem Amazonasgebiet, einem Ort mit Wasserreichtum, in Verbindung gebracht werden.

Der Kolibri, der unter den Formen besonders hervorsticht, scheint diese These zu bestätigen. Es ist bekannt, dass Kolibris in tropischen Gebieten in der Nähe des Äquators leben, also in Regionen, in denen es am Tag stundenlang und nicht nur 20 Minuten im Jahr regnet.

„Keine einzelne Auswertung beweist eine Theorie über die Linien, aber die Kombination von Archäologie, Ethnohistorie und Anthropologie lässt solide Schlüsse zu“, so Reinhard.

Wasser ist die Quelle des Lebens, aber auch die Quelle des Wandels. Vielleicht ist es das, was die Nasca sagen wollten: dass sich die Wüste, in der sie lebten, durch das Aussenden von Botschaften verändern sollte.

Und vielleicht wünschten sie sich Zugang zu Wasser – etwas, das uns in Zukunft aufgrund der globalen Erwärmung und der gestörten Wettermuster ebenfalls fehlen könnte. Mehr zum Thema: Neue Fundorte rund um das türkische Antikenwunder Göbekli Tepe entdeckt

TRT Deutsch