Biruni (TRT)
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Von Ufuk Necat Tascı

Es erforderte viel Vorstellungsvermögen, den Radius der Erde vor über tausend Jahren zu berechnen. Al-Biruni (kurz: Biruni), ein muslimischer Universalgelehrter aus dem 10./11. Jahrhundert, vollbrachte genau diese Leistung, Er kombinierte Trigonometrie und Algebra. Birunis Vermächtnis inspirierte Wissenschaftler über mehrere Jahrhunderte. Seine Forschung wird auch heute noch gewürdigt.

Der berühmte tadschikische Akademiker Bobojon Gafurov bezeichnete ihn als Universalgenie. 1975 schrieb er in einem Artikel im Unesco-Kurier, al-Biruni sei „seiner Zeit weit voraus“ gewesen. „Seine brillanten Entdeckungen erschienen den meisten Gelehrten seiner Zeit unverständlich.“ George Sarton, der Begründer der Wissenschaftsgeschichte, bezeichnete das 11. Jahrhundert als das Biruni-Zeitalter.

Gelehrte wie Biruni wurden zu einer Zeit geboren, als ein Großteil derwissenschaftlichen und mathematischen Schriften auf der Welt ins Arabische übersetzt wurde – vor allem aus der griechischen Antike. Als er volljährig wurde, beschäftigte er sich mit Theorien von Gelehrten aus verschiedenen Zivilisationen und Jahrhunderten. Von der wissenschaftlichen Literatur der Babylonier über die der Römer bis hin zu altindischen Texten über Astrologie - Biruni studierte sie alle. Wie andere muslimische Gelehrte aus dem Goldenen Zeitalter des Islam war auch er wissensdurstig.

Nach Angaben des türkischen Orientalisten Prof. Dr. Fuat Sezgin führten der 27-jährige Biruni und der 18-jährige Ibn Sina intellektuelle Debatten zum Thema „Die Ausbreitung des Lichts und seine Messung“. Laut Sezgin finden derartige Gespräche auf jenem hohen Niveau heute nicht mehr statt. Sezgin erforschte eine Reihe dieser historischen Debatten der beiden Universalgelehrten, die sich unter anderem über Wärme und Strahlen austauschten. Biruni und Ibn Sina kamen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Die Ausbreitung der Wärmestrahlen der Sonne war aber ein Streitpunkt. Biruni sah Licht und Wärme als immateriell an. Er war der Ansicht, die Wärme existiere in den Strahlen. Ibn Sina hingegen ging noch einen Schritt weiter. Demnach breitet sich Wärme nicht von selbst aus, sondern durch Sonnenstrahlen.

Laut dem deutschen Historiker Max Meyerhoff ist Biruni vielleicht die prominenteste Figur unter den muslimischen Gelehrten. Seine Beiträge ausverschiedenen Gebieten brachten ihm den Titel „al-Ustadh“ (Meister) ein.

Aber zurück zum Radius der Erde - wie hat er ihn gemessen? Es war sicherlich seine größte Leistung. Zuerst maß er die Höhe eines Hügels in der Nähe des Forts von Nandana – in der heutigen Provinz Punjab in Pakistan. Dann bestieg er den Hügel, um den Horizont zu messen. Mit Hilfe trigonometrischer und algebraischer Gleichungen ermittelte er den Wert 6339,6 km - was einer Genauigkeit von rund 99 Prozent entspricht.

Basierend auf seinen Berechnungen begann Biruni auch über die Möglichkeit nachzudenken, dass die Erde sich möglicherweise um die Sonne dreht. Eine Idee, die zu der damaligen Zeit ignoriert wurde. Aber Biruni war sich seiner Theorie und seines Instinkts sicher. Er dokumentierte ausführlich Daten über die Sonne, ihre Auswirkungen und die Sonnenfinsternis. Darüber hinaus erfand er astronomische Instrumente und beschrieb, wie sich die Erde um die eigne Achse dreht. Dabei stellte er genaue Breiten- und Längenberechnungen an. Seine Theorien und Beobachtungen notierte er in seinem Buch „Al-Athar Al-Baqiya“. Er schrieb auch eine Abhandlung über die Zeitmessung im Jahr 1000 n. Chr. Darüber hinaus entdeckte er auch mehrere Möglichkeiten, die Himmelsrichtungenzu bestimmen. Außerdem entwickelte er mathematische Formeln zur Bestimmung der Jahreszeiten.

Biruni beobachtete im Jahr 1019 die Sonnenfinsternis vom 8. April sowie die Mondfinsternis vom 17. September. Die Sonnenfinsternis sah er in Lamghan - einem von Bergen umgebenen Tal zwischen den Städten Kandahar und Kabul. Er schrieb: „Bei Sonnenaufgang sahen wir, dass etwa ein Drittel der Sonne verdunkelt war und die Sonnenfinsternis abnahm.“ Die Mondfinsternis beobachtete er bei Ghazna. Dabei gab er genaue Angaben über die Höhe verschiedener bekannter Sterne zum Zeitpunkt des ersten Kontaktsan. Er beschrieb die Milchstraße als eine Ansammlung unzähliger Fragmente nebliger Sterne.

In dem Buch „Al-Tafhim-li-Awail Sina'at al-Tanjim“ fasste er seine Arbeit über Mathematik und Astronomie zusammen. Ramsay Wright übersetzte das Werk 1934. Birunis Beiträge zur Physik umfassen Arbeiten zur genauen Bestimmung des spezifischen Gewichts von achtzehn Elementen und Verbindungen - darunter viele Metalle und Edelsteine. Sein Buch „Kitab-al-Jamahir“ erörtert die Eigenschaften verschiedener Edelsteine. Er war ein Pionier in der Erforschung der Winkel und der Trigonometrie. Biruni entwickelte zudem eine Methode zur Dreiteilung eines Winkels. Er erläuterte das Prinzip der Position und diskutierte auch die indischen Ziffern.

In den Bereichen Geologie und Geographie trug Biruni zu geologischen Eruptionen und Metallurgie bei. Angesichts seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde er als Begründer der Geodäsie bezeichnet. Sein Buch „Al-Athar Al-Baqiyah fi Qanun al-Khaliyah“ befasst sich mit der antiken Geschichte und Geographie. Es wurde von Edward Sachau übersetzt.

Birunis Leben

Biruni wurde in Kath, Choresmien im Westen Zentralasiens geboren. Er lebte zwischen 973 und 1048.

Biruni verließ seine Heimatstadt schon in jungen Jahren und wanderte durch Persien und Usbekistan. Nachdem Mahmud von Ghazni das Emirat Buchara erobert hatte, zog er nach Ghazni. Die Stadt liegt im heutigen Afghanistan und diente als Hauptstadt der Ghaznawidendynastie.

Biruni ist vor allem durch seine enge Verbindung zu Mahmud von Ghazni und seinem Sohn Sultan Masud bekannt. Beeindruckt von seiner Gelehrsamkeit und seinem Ruhm nahm ihn Sultan Ghazni mehrmals mit auf seine Reisen nach Indien. 20 Jahre bereiste Biruni das Land und studierte bei den Gelehrten hinduistische Philosophie, Mathematik, Geographie und Religion. Im Gegenzug lehrte er sie Wissenschaften und Philosophie.

Biruni betrachtete die islamische Lehre als Eckpfeiler seines wissenschaftlichen Katalogs und fasste sein Streben nach Wissen folgendermaßen zusammen: „Meine Erfahrung im Studium der Astronomie, Geometrie sowie Experimente in der Physik haben mir gezeigt, es muss einen planenden Geist mit unbegrenzter Macht geben. Meine Entdeckungen in der Astronomie haben gezeigt, dass es im Universum fantastische Feinheiten gibt, die beweisen, es gibt ein schöpferisches System und eine akribische Kontrolle, die nicht durch schiere physikalische und materielle Ursachen erklärt werden können."

Er nutzte seine Arbeit nie als Mittel zur Erlangung von Ruhm, Autorität oder materiellem Gewinn. Als Sultan Masud ihm drei Kamelladungen Silbermünzen als Anerkennung für sein enzyklopädisches Werk „Al-Qanoon al-Masoodi“ (Der Kanon der Mas'udi) schickte, gab Biruni das königliche Geschenk höflich mit den Worten zurück: „Ich diene dem Wissen um des Wissens willen und nicht wegen des Geldes.“

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