Vatikan: Keine deutschen Reformen im Alleingang (dpa)
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In einer offiziellen Erklärung hat der Vatikan den deutschen Katholiken die Einführung weitgehender Reformen im Alleingang verboten. „Der ‚Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“, stellte der Heilige Stuhl in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung klar. „Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden.“ Der Vatikan lädt die deutschen Katholiken jedoch ein, ihre Vorstellungen in den derzeit ebenfalls laufenden sogenannten synodalen Prozess der Weltkirche einzubringen. Diesen Prozess hat Papst Franziskus angestoßen und allfällige Neuerungen mit verbindlichem Charakter für alle Katholiken könnten auch nur auf dieser Ebene beschlossen werden.

Papst Franziskus zieht Notbremse Der 2019 begonnene Synodale Weg der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist nach Angaben der Protagonisten eine Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal. Er strebt Reformen in vier Bereichen an: beim Umgang mit Macht, bei der katholischen Sexualmoral, der Position der Frauen und der verpflichtenden Ehelosigkeit der Priester (Zölibat). Zu den konkreten Erneuerungen, die angestrebt werden, gehören etwa ein Mitspracherecht der Gläubigen bei der Ernennung von Bischöfen, der Segen für gleichgeschlechtliche Paare und das Diakonat der Frau, eine Vorstufe zum Priestertum. Neben Kritikern, die den deutschen Gremien eine mutwillige Abkehr von Struktur und Lehren der katholischen Kirche vorwerfen, hatte sich auch Papst Franziskus schon mehrfach skeptisch zum Synodalen Weg geäußert. So sagte er kürzlich, in Deutschland gebe es schon eine evangelische Kirche - „wir brauchen nicht zwei davon“. Die Deutsche Bischofskonferenz kündigte für Donnerstagabend eine Stellungnahme an. Nach Einschätzung des Kirchenrechtlers Thomas Schüller hat der Vatikan den deutschen Reformbemühungen mit der Erklärung eine klare Absage erteilt. „So kann es mit den Blütenträumen der deutschen Synodalen gehen: Sie zerplatzen an den römischen Mauern“, sagte der Münsteraner Professor. „Rom stellt ein Stoppschild auf und beharrt auf seinem alleinigen Führungsanspruch, was die Veränderung von Macht und Lehre in der Kirche angeht.“

Deutsche Kirche vor allem mit sich selbst beschäftigt? Der Vatikan befürchte, dass die deutschen Katholiken einen Sonderweg einschlagen könnten, und offenbar schafften es die skeptischen Kräfte in der römischen Zentralverwaltung, Papst Franziskus in seiner kritischen Sicht auf die deutsche Kirche zu bestärken. Aus Sicht des Papstes dächten die Deutschen zu sehr in Strukturen und kümmerten sich zu wenig um die aktive Verkündung des Glaubens. Dabei seien Änderungen in der Lehre ebenso ein Gebot der Stunde wie die „Einhegung bischöflich-absolutistischer Macht“, sagte Schüller. „Auch die Weltkirche und damit Rom könnte von einer Teilkirche wie der in Deutschland durchaus lernen, will es aber augenscheinlich nicht.“

Die Zahlen sprechen unterdessen für Rom. Während die katholische Weltkirche allein im Jahr 2019 die Zahl ihrer Gläubigen um 15,4 Millionen auf 1,34 Milliarden steigern konnte, ist jene der deutschen Katholiken von ihrem Höchststand von 28,5 Millionen im Jahr 1990 auf zuletzt 21,6 Millionen gesunken - Tendenz: weiter rückläufig.

dpa