Die Schlafbox ist mit einer Größe von 1,50 m x 2,80 m nicht viel größer als die Außenmaße eines Smarts. (BOXHOTEL GmbH)
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Herr Blume, Sie haben in Göttingen und Hannover die ersten Boxhotels Deutschlands eröffnet. Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Standorte – und wie die Situation jetzt, in der Corona-Pandemie, für Sie aussieht.

In Göttingen verfügen wir über 67 und in Hannover über 105 Zimmer. In Bremen bauen wir gerade 150 weitere Schlafboxen, Hamburg befindet sich noch in der Planung. Langfristig wollen wir unser bereits patentiertes Übernachtungskonzept weltweit expandieren. Durch Corona hatten wir zuletzt eine schlechtere Auslastung als sonst. Grundsätzlich liegt unsere Belegungsrate bei 70 Prozent, also 10 bis 20 Prozent höher als der Durchschnitt gängiger Hotels.

Oliver Blume, Hotelentwickler und Geschäftsführer bei BOXHOTEL (BOXHOTEL GmbH)

Was ist eine Schlafbox genau?

Anders als ein Hotelzimmer ist eine Schlafbox ein reines Übernachtungsangebot. Es gibt keine Services wie Rezeption oder Frühstück. Dafür ist die Preisspanne standortunabhängig fixiert. Zwischen 25 bis 34 Euro zahlen die Gäste pro Nacht für Bett, Wifi und private Dusche. Die Toiletten werden gemeinschaftlich genutzt. Die Schlafboxen lassen sich komplett abdunkeln – und anders als in den relativ unruhigen Hostels, wo häufig gefeiert wird, legen wir großen Wert auf bequemes und ruhiges Schlafen. Besonders komfortabel sind die Schlafboxen mit einer Matratzenbreite von 120 cm statt 80 cm.

Wie kamen Sie auf die Idee des Schlafens auf kleinstem Raum?

Ich komme aus der Zukunftsforschung und hatte mir Gedanken über Mobilität gemacht. Bei einem Immobilienkongress in Hamburg über Innovationen im Hotelbereich stellte ich als ehemaliger Hotelentwickler fest, dass mich die gängigen Konzepte nicht überzeugten. Ketten wir Motel One oder B&B Hotels machen bei ihren Zimmern nur Abstriche beim Design oder reduzieren um einige Quadratmeter. Ich wollte mehr machen.

Also Design und Komfort steigern bei zugleich sinkenden Kosten?

Ja. Selbst „Budgethotels“ sind bei den steigenden Immobilienpreisen heute nicht mehr wirtschaftlich und lassen sich kaum noch unter 100 Euro pro Nacht vermieten. Meine Idee war es, ein 25-Euro-Angebot zu schaffen. Dabei inspirierte mich vor allem Flixbus: Wer zwischen Hamburg und Berlin für 17 Euro Mobilität bekommt, muss auch ein entsprechendes gutes Angebot zum Übernachten vorfinden – jenseits von Hostels oder Couchsurfing, die vielen zu unsicher oder unruhig sind.

Waren die internationalen Kapselhotels ein Vorbild?

Hauptsächlich entstand das Konzept durch eine meiner Immobilien. Ich fragte mich, wie groß Zimmer sein müssten, um die 25-Euro-Idee zu realisieren, und kam schnell auf die Maße 1,50 x 2,80 Meter. Gleichzeitig war der Plan, die Schlafboxen übereinander zu konstruieren, um die 4 Meter hohe Immobilie richtig auszunutzen. Meine Mitarbeiter waren zuerst skeptisch – schließlich ist das nicht viel größer als die Außenmaße eines Smarts. Mit einem Tischler entwarf ich so eine Box, und wir sahen schnell, dass sich dennoch ein angenehmes Raumgefühl kreieren lässt. Da gab es kein direktes Vorbild. Die herkömmlichen Kapselhotels aus Japan waren für mich eher eine Qual (lacht).

Wie unterscheidet sich eine „Schlafbox“ denn von den japanischen Kapseln?

Bei den wenig komfortablen Kapseln in Tokio beispielsweise muss man hineinkriechen. Wir haben dagegen Stehhöhe und zusätzlich zum Schlafbereich eine Dusche im oberen Geschoss – was sich Umfragen zufolge vor allem Frauen wünschen. Dies haben wir beim Baukonzept berücksichtigt und zudem höchsten Wert auf guten Schlafkomfort gelegt.

Tatsächlich stellt der begrenzte Platz für unsere Gäste kein Problem dar, denn durch die Höhe von 4 Metern merkt man beim Hereinkommen gar nicht, dass es sich um etwas Kleines handelt. Vielmehr hat man den Gedanken: Wow, das passt!

Sind Ruhe und Privatsphäre ein Problem?

Gerade bei Hostels haben Gäste die Schwierigkeit, dass sie keine Privatsphäre haben, da ständig gefeiert wird. Unser Konzept ist dagegen rein auf gutes Schlafen fokussiert. Ich habe mich da an meinen eigenen Bedürfnissen orientiert, da ich früher viel auf Reisen war und Vorträge hielt. Ich wollte damals nur bequem im Hotel schlafen, nutzte die Facilities jedoch gar nicht.

Was ist aus Ihrer Sicht für gutes Schlafen essentiell?

Das Wichtigste sind qualitativ hochwertige Matratzen. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass Fenster für gutes Schlafen abträglich sind. Durch Fenster lässt sich vieles nicht regulieren: Emissionen, Licht, Gerüchte, Lautstärke. Ein Blick auf die Historie unseres Schlafens zeigt, dass wir eigentlich aus Höhlen kommen und erst seit knapp 100 Jahren durch die Zentralheizung Schlafzimmer mit Fenster haben.

Interessanterweise empfinden gerade Frauen diesen Höhlencharakter als gute Rückzugsmöglichkeit und nutzen die Schlafboxen, um mal wirklich gut zu schlafen, da sich komplette Dunkelheit herstellen lässt. Über die Luftqualität muss man sich da keine Sorgen machen, denn wir schießen über das Belüftungssystem jeden Tag 1,2 Mio. Liter gereinigte und gefilterte Frischluft in jede Box hinein: Damit haben wir eine bessere Versorgung gegenüber der Außenluft und vielen Hotels, deren Klimaanlagen die Luft nur umwälzen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Ursprünglich vor allem Studenten und beruflich Reisende, inzwischen kommt eine ganze Bandbreite an Übernachtungsgästen. In Göttingen haben wir viele Professoren, doch auch Senioren und Touristen nutzen das Angebot. Vor der Pandemie hatten wir zu 40 Prozent ausländische Gäste. Wir werden sehen, wie sich das nach der Krise entwickelt.

Geht es bei der Entscheidung für eine Schlafbox nur um die Kosten – oder auch um Nachhaltigkeit?

Wir haben einen sehr geringen Platzverbrauch und brauchen nur ein Achtel des Platzes im Vergleich zu einem Hotel mit der gleichen Anzahl von Zimmern. Zudem bauen wir nur aus Holz, ohne Stahl. Wir sind mit LED-Technik im Strom- und Energieverbrauch unwahrscheinlich günstig aufgestellt und dadurch nachhaltig.

Haben Sie hierzulande bereits Konkurrenz?

Es gibt in Deutschland momentan keine echte Konkurrenz zu unserem Übernachtungsangebot. Lediglich in Koblenz gibt es ein Kapselhotel nach chinesischem Vorbild. Die Asiaten sind bei dieser kommenden Entwicklung schon weiter.

Aus der Zukunftsforschung wissen wir, dass Konzepte sich zunehmend fokussieren. Wer neu in eine Branche einsteigt und nicht die gesamte Branche kennt, kann sich besser kreieren. So kann der Bäcker um die Ecke unter Umständen das bessere Frühstücksangebot bereithalten. Ebenso kann der Coworking Space zum Arbeiten besser geeignet sein als die Tagungsräume des Hotels.

Wieso ist „Schlafen auf kleinstem Raum“ Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren weltweit so populär geworden?

Das geht auf die beliebte Tiny-House-Bewegung in der Architektur zurück. Ich arbeite gemeinsam mit Hochschulen an diesen Themen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Wohnen grundsätzlich immer teurer wird. Daher müssen wir uns mit günstigen Bauweisen auseinandersetzen, auch für temporäres Wohnen.

Viele merken jetzt, dass Raum Ballast sein kann – und sie eigentlich eine einfache Art des Schlafens bevorzugen: Es muss nicht zwangsläufig eine große Suite sein, wenn man auf dem angebotenen Raum genauso gut schläft. Den Platz benötigt man höchstens zum Aufenthalt. Das muss erst einmal in die Köpfe der Menschen hinein.

Viele fühlen sich durch Zimmer-Upgrades belohnt. Wir sagen im Gegenteil dazu: „Ihr belohnt euch, indem ihr auf weniger Raum wohnt und u.U. sogar besser schlaft.“

Vielen Dank für das Gespräch!