Zahl der Reichsbürger in Hamburg und Rheinland-Pfalz stark angestiegen / Photo: DPA (dpa)
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Die Zahl der Reichsbürger in Hamburg ist auf einen neuen Höchststand gestiegen. Das geht aus dem am Montag in der Hansestadt vorgestellten Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr hervor. Sie erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr 2021 demnach um 50 auf 340. Laut Verfassungsschutz ist die Steigerung einerseits auf Zulauf für die Szene zurückzuführen, andererseits auf Aufklärung der Behörden.

Das Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter, welche die Bundesrepublik und ihre demokratischen Institutionen ablehnen, rückte zuletzt wegen zweier aufgedeckter großangelegter Umsturz- und Terrorverschwörungen verstärkt in den Fokus. Der Hamburger Verfassungsschutz betrachtet diese als Teil des sicherheitsrelevanten Phänomens „Verschwörungsideologischer Extremismus“.

Verfassungsschutzchef: Rechtsterrorismus größte Gefahr für Demokratie

Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß warnte in diesem Zusammenhang vor einer „Entgrenzung“ demokratiefeindlicher Argumentationen und Stimmungen im Rahmen gesellschaftlicher Debatten. „Verfassungsfeinde jeglicher Couleur“ versuchten, diese für ihre Zwecke zu nutzen, „in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und Bündnisse mit demokratischen Initiativen zu schließen“, erklärte er. Er halte dies „für eine der größten Gefahren für unsere Demokratie“. Verfassungsfeinde versuchten so, ganze Diskurse zu lenken.

Laut Verfassungsschutzbericht stellen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus derzeit „insgesamt“ die größte Gefahr für die Demokratie dar. Zugleich wurde aber unter anderem auch vor einer starken extremistischen Szene gewarnt. Die Zahl der Mitglieder in der Hansestadt erhöhte sich demnach im Jahresvergleich um etwa hundert auf rund 1750. 82 Prozent davon galten als gewaltorientiert.

Der Bericht verwies außerdem auf eine traditionell starke linksextremistische Szene in Hamburg. 75 Prozent ihrer Mitglieder würden als gewaltorientiert eingestuft. Linksextremistische Gruppierungen versuchten, viel diskutierte gesellschaftliche Themen wie den Kampf gegen den Klimawandel für ihre eigenen ideologischen Zwecke zu nutzen, hieß es in der jährlichen Zusammenfassung.

Rheinland-Pfalz: 950 Menschen gelten als Szenemitglieder - 2018 waren es 550

Die Zahl der sogenannten Reichsbürger ist in Rheinland-Pfalz binnen vier Jahren stark gestiegen. Ende 2022 galten 950 Menschen als Mitglieder der Szene, wie das Landesinnenministerium am Montag im Verfassungsschutzbericht mitteilte. Davon seien etwa 140 gewaltorientiert gewesen. 2018 hatten noch rund 550 Menschen zur Szene gehört, davon 77 Gewaltorientierte. Damit seien Reichsbürger der größte aller extremistischen Phänomenbereiche in Rheinland-Pfalz, hieß es in Mainz.

Der Anstieg sei durch eine Erhellung des Dunkelfelds zu erklären. Dennoch seien die sicherheitspolitischen Herausforderungen erneut größer geworden, erklärte Innenminister Michael Ebling (SPD). „Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, die sich auch im Verfassungsschutzbericht widerspiegeln“, fügte er hinzu.

Rechtsextremisten, Reichsbürger und sogenannte Delegitimierer vernetzten sich zunehmend virtuell miteinander. „Ihr Ziel ist es, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung zu schwächen“, erklärte Ebling.

Als Beispiel dafür nannte der Minister die Gruppe Vereinte Patrioten, deren Mitglieder sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Koblenz wegen Umsturzplänen und einer geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verantworten müssen.

Wenig Veränderung gab es in Rheinland-Pfalz im Bereich des Rechtsextremismus. Aktuell gelten 750 Menschen als rechtsextrem, davon 150 Gewaltorientierte. Auch die Zahl der rechtsextremen Straftaten verharrte mit 740 auf einem gleichbleibenden Niveau.

660 Menschen gelten als Terroristen, auch diese Zahl blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert. 2022 kehrten drei Anhängerinnen der Daesh nach Rheinland-Pfalz zurück.

Als Linksextremisten gelten 500 Menschen, ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Die politisch motivierte Kriminalität von links ging erneut zurück auf nun 79 Fälle. 2021 waren es noch 140 gewesen. Die Gewalttaten verdoppelten sich von vier auf acht.

AFP