Die Ära von Angela Merkel neigt sich dem Ende zu. Nach dem Zusammentritt des neuen Bundestags am Dienstag wird die Bundeskanzlerin nach 16 Jahren ihre Entlassungsurkunde erhalten – und bleibt dennoch erst einmal im Amt. Denn bis nach der Bundestagswahl die neue Regierung steht, arbeitet das alte Kabinett geschäftsführend weiter.
Warum ist der Zusammentritt des neuen Bundestags eine Zäsur?
Nach Artikel 39 Grundgesetz muss der neu gewählte Bundestag spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl zusammentreten. Dieses Mal ist das der 26. Oktober. Damit endet die alte und beginnt die neue Gesetzgebungsperiode. Schon beschlossene Gesetze behalten ihre Gültigkeit, noch nicht verabschiedete Vorhaben müssten aber neu in den Bundestag eingebracht werden.
Was bedeutet das für die Regierung?
Nach Artikel 69 des Grundgesetzes endet mit dem Zusammentritt des neuen Bundestags in jedem Fall die Amtszeit der alten Regierung. Kanzler und Minister erhalten vom Bundespräsidenten ihre Entlassungsurkunden. Ist wegen andauernder Koalitionsverhandlungen aber noch keine neue Regierung startklar, ersucht der Bundespräsident das alte Kabinett, geschäftsführend im Amt zu bleiben.
Ziel ist es, einen regierungslosen Zustand zu verhindern. Ablehnen können die bisherigen Kabinettsmitglieder die geschäftsführende Amtsausübung außer bei schwerer Krankheit nicht.
Hat die geschäftsführende Regierung weniger Befugnisse?
Formal nein. Die geschäftsführende Regierung kann so agieren wie eine normale. So kann sie Gesetze oder sogar einen neuen Haushalt in den Bundestag einbringen. Auch die Minister behalten ihre Befugnisse. Sie können Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. Das Parlament besitzt seinerseits gegenüber der geschäftsführenden Regierung dieselben Kontrollrechte wie sonst auch.
Aber muss die scheidende Regierung sich nicht zurückhalten?
Rechtlich gesehen nein. Praktisch sind ihre Handlungsspielräume aber begrenzt, weil sie keine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat.Zudem gebieten es politische Tradition und Zurückhaltung, dass eine Regierung, die nur noch geschäftsführend im Amt ist, keine weitreichenden Vorhaben mehr auf den Weg bringt oder wichtige personelle Entscheidungen trifft. Denn dies würde den Handlungsspielraum ihrer Nachfolgerin einschränken.
Wäre eine Regierungsumbildung während der geschäftsführenden Amtszeit möglich?
Nein. Es gilt das sogenannte Versteinerungsprinzip. Mit Beginn der Geschäftsführung ist auch der Austausch oder die Neuernennung von Ministern nicht mehr möglich. Wird ein Kabinettsmitglied etwa durch Krankheit amtsunfähig, werden seine Aufgaben von anderen Regierungsmitgliedern übernommen.
Könnte Merkel noch eine Bundestagsauflösung auslösen?
Nein. Dass geschäftsführende Kanzler oder Kanzlerinnen die Vertrauensfrage stellen, die zu einer Bundestagsauflösung und Neuwahlen führen kann, ist nach gängiger Rechtsauffassung nicht möglich. Denn die geschäftsführende Bundesregierung hat ohnehin nie das Vertrauen der Abgeordneten erhalten.
Gibt es eine Frist für ein Ende der geschäftsführenden Regierung?
Nein. Sie muss solange im Amt blieben, bis eine neue Regierung vereidigt wird. Dies kann sehr unterschiedlich sein. Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 dauerte die Bildung einer neuen Regierung zwischen 30 und 171 Tagen.
AFP
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