Das  am Donnerstag verkündete BGH-Urteil bestätigt die akribische Prozessführung des NSU-Richters Manfred Götzl. (dpa)
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Es ist eine späte Genugtuung für Manfred Götzl, den Vorsitzenden Richter im NSU-Prozess. Immer wieder wurde Götzl während des am Ende mehr als fünf Jahre dauernden Mammutverfahrens vor dem Oberlandesgericht (OLG) München vorgeworfen, mit seiner akribischen Prozessführung das Verfahren in die Länge zu ziehen. Doch Götzl wollte mit dem Beleuchten aller Aspekte mögliche Revisionsgründe vermeiden - mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), das Urteil gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und Holger G. bestehen zu lassen, bekam Götzl nun Recht. Götzl war im Jahr 2013 mit dem erkennbaren Ziel in das NSU-Verfahren gegangen, ein revisionsfestes Urteil zu erreichen. Dies offenbarte die damalige bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU). Götzl gehe den „Weg des geringsten Revisionsrisikos“, sagte Merk damals. Diese Linie zog der Richter im gesamten Prozessverlauf vor dem OLG durch. Was manchen Angehörigen und Prozessbeobachtern auf den Nerv ging, brachte Götzl unter Juristen ein hohes Maß an Anerkennung ein.

Götzl Urteilsbegründung war 3000 Seiten lang

Der am 12. Dezember 1953 geborene Franke ist zwar mit seinen über 67 Jahren mittlerweile im Ruhestandsalter, aber nach wie vor im Staatsdienst aktiv. Götzl wurde Ende 2018 Vizepräsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts. In dieser Funktion war er lange zunächst nahezu vollständig dafür freigestellt, seine Urteilsbegründung für den NSU-Prozess zu schreiben. Die gut 3000 Seiten lange Schrift legte Götzl am 21. April 2020 vor, einen Tag vor Ablauf der Frist zur Abgabe der schriftlichen Urteilsgründe. Die Qualität der Begründung überzeugte offenbar die BGH-Richter. Im NSU-Prozess schieden sich dagegen unter den Beteiligten die Geister an Götzl. Manche Vertreter der Angehörigen etwa lobten ihn ausdrücklich und hoben seine sachkundige, klare Art hervor. Andere stießen sich dagegen immer wieder an der oft schroff und empathielos wirkenden Art Götzls. Der ursprüngliche Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, Wolfgang Heer, brachte dies mit einer im NSU-Prozess entstandenen Wortschöpfung zum Ausdruck. Jeder Prozessbeteiligte kenne das Wort „abgötzeln“, sagte Heer in seinem Plädoyer. „Abgötzeln“ beschreibe die Art, wie der Richter immer wieder Verfahrensbeteiligte zurechtweise. Allerdings wurde davon niemand verschont - Angeklagte nicht, Verteidiger nicht, Nebenkläger nicht, aber auch nicht mit Götzl auf der Richterbank sitzende Richter.

Götzl seit Juli 2010 an der Spitze des Terrorismusverfahren

Seine Autorität erwarb sich Götzl durch eine Reihe bedeutender, von der Öffentlichkeit genau beobachteter Verfahren. Er verurteilte den Mörder des Modeschöpfers Rudolph Moshammer zu lebenslanger Haft, ebenso einen 90 Jahre alten Ex-Wehrmachtsoffizier wegen eines Massakers in Italien. Vor dem NSU-Prozess hatte Götzl schon seit Juli 2010 an der Spitze des für Terrorismusverfahren zuständigen sechsten Senats gestanden. Seine juristische Anfänge hatte er als Staatsanwalt gemacht, bevor er noch in den 80er Jahren Richter wurde. In all den Jahren seiner Tätigkeit ließ der BGH bislang nur einmal Revision gegen ein Urteil Götzls zu. Dabei griff der BGH aber nicht Götzls juristische Bewertung in dem Totschlagsverfahren an, sondern lediglich das Strafmaß - in dem Fall aus dem Jahr 2009 wurde die Haftstrafe am Ende um sechs Monate verkürzt.

Fall André E. noch offen

Im NSU-Verfahren ist nur der Fall André E. noch offen: Sowohl er selbst als auch der Generalbundesanwalt gingen gegen seine Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft in Revision. Darüber wird der BGH im Dezember noch verhandeln. Manch einer würde sich wünschen, dass Götzl nach Abschluss aller Verfahrenshandlungen in Interviews, Dokumentationen oder Büchern seine Sicht auf Zschäpe und den NSU-Prozess preisgibt. Ob der 67-Jährige das tun wird? Bleibt Götzl sich treu, wird er schweigen - seine detaillierte Urteilsbegründung wird seiner Art am besten gerecht.

AFP