Jean-Marie Pfaff im Interview mit TRT Deutsch (Screenshot aus dem Interview)
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von Emre Bölükbaşı Jean-Marie Pfaff galt in den 1980er Jahren als einer der besten Torhüter der Welt. Der Belgier verbrachte die erfolgreichsten Jahre seiner Fußballerkarriere beim FC Bayern München. Insbesondere bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 galt er als einer der besten Torhüter des Turniers.

Seine letzte Saison spielte der extrovertierte Spieler für den türkischen Verein Trabzonspor. Im Interview mit TRT Deutsch spricht der damalige Fanliebling über seine Verbundenheit zu der Schwarzmeer-Provinz Trabzon und seine Erfahrungen in Türkiye.

Wie kam Ihr Transfer zu Trabzonspor zustande?

Ich hatte einen Freund in Hannover. Er war Journalist für eine türkische Zeitung – sehr netter Mensch. Die haben gesagt: „Trabzon braucht einen Torwart. Willst du nicht mal in der Türkei spielen? Das wäre sehr schön und du bist da beliebt.“ Ich wollte mal sehen, was möglich war. Und dann habe ich ein super Gespräch mit Präsident Yılmaz gehabt – super Mensch. Ich war sofort begeistert von allem, was sie gesagt haben. Ich war dann im Urlaub in Ruanda, Kigali und dann bin ich von Kigali direkt nach Istanbul geflogen und habe da zwei Tage im Hotel über meinen Vertrag gesprochen. Anschließend sind wir mit einem Privatjet nach Trabzon geflogen, an das Schwarze Meer. Dann war die Hölle los da.

Trabzon ist genau das gleiche wie FC Bayern München. Das ist so wie eine Familie. Wenn du einmal da gewesen bist, dann liegt dein Herz da. Trabzon hat so viele Fans wie FC Bayern München. Überall hast du türkische Trabzon-Fans. Das war für mich ein Empfang am Flughafen – da haben sie fast den Flughafen abgerissen. Dann bin ich in einem offenen Auto wie der Papst ins Zentrum gefahren. Die Straßen waren vom Flughafen bis ins Zentrum unglaublich. Das vergesse ich nie. Das war eine schöne Zeit zum Abschluss meiner Karriere.

3. Dezember 1989: Jean-Marie Pfaff (nieuwsblad.be)

Wie fanden Sie die Fußball Atmosphäre in den türkischen Stadien?

Super. Es war immer ausverkauft bei uns in Trabzon und auch wenn wir auswärts gespielt haben, war es immer ausverkauft. Man musste immer gewinnen – und das haben wir mit Trabzon oft getan. Ich muss ehrlich sagen: Die Atmosphäre war sehr heftig und war immer sehr, sehr stark. Das haben wir auch gesehen beim Training. Die waren immer nett und ich habe sehr gute Erinnerungen an Trabzon.

Wie fanden Sie die türkische Kultur? Wie war ihr Verhältnis zu den Fans in Trabzon?

Ich habe viel Fisch gegessen – „Hamsi“. Ich bin oft auf dem Schiff mitgefahren ins Schwarze Meer. Bei mir zu Hause, wo ich am Schwarzen Meer wohnte, haben die Leute, die vorbeigefahren sind, immer gehupt und „Jean Marie“ gerufen. Die waren sehr warm. Wenn wir mal essen gegangen sind, dann war da ein ganz großes Herz. Dann wirst du empfangen, da ist keine Show dabei.

Wenn ich jetzt noch mal komme, dann ist es immer schön und angenehm. Die vergessen nicht so schnell, die türkischen Menschen. Das finde ich sehr schön. Die haben Respekt.

Jean-Marie Pfaff in der Saison 1989/90 (Others)

Welches Spiel aus Ihrer Zeit in Trabzon können Sie nicht vergessen?

Das Spiel, das ich verloren habe im Pokal-Endspiel gegen Beşiktaş in Izmir. Das hat mir wehgetan. Ich habe da mit einer schweren Verletzung gespielt. Ich habe mit zwei Spritzen gespielt. Aber ich habe gelernt, auch zu verlieren und auch damit zu leben. Das war das einzige Spiel, wo ich ein bisschen unglücklich und traurig war. Ich hätte gerne den Pokal mitgenommen nach Trabzon und wir hätten das verdient in der ersten Halbzeit.

Können Sie Trabzonspor noch verfolgen? Ja. Ab und zu sehe ich mir die Spiele an und die haben eine sehr gute Mannschaft, die ist sehr gut geführt. Aber das war national und jetzt wird es international. Die nächste Saison wird wieder sehr schwierig sein. Du warst der Meister und alle wollen den Meistertitel gewinnen. Aber international muss man da natürlich auch denken, dass man da gegen andere Summen und andere Vereine spielt. Ich hoffe auch, dass sie international auch viel Werbung machen für die Türkei.

Jean-Marie Pfaff in der Saison 1989/90 (Facebook-Account von Pfaff)

Gibt es noch türkische Wörter, die Sie in Erinnerung haben?

Ja: „Merhaba“ (Hallo), „teşekkürler“ (Danke), „iyi akşamlar“ (Guten Abend), „tamam, tamam, tamam“ (okay, okay, okay) . Ich habe natürlich mit viel, viel Spaß die türkische Sprache mitgekriegt. Ich habe noch viel Kontakt mit Menschen aus der Türkei. In Holland oder in Belgien leben viele, viele Türken. Wenn ich die Leute anspreche, dann ist es „merhaba, nasılsınız“. Oder wenn ich weggehe oder abends komme „iyi akşamlar, teşekkürler, evet evet.“ Also ich habe da noch viel mehr gelernt, aber das habe ich noch behalten.

Wenn ein Interview oder etwas in den Zeitungen steht in Türkei denke ich, dann schickt mir das Lemi Çelik durch oder andere Leute. Vergessen bin ich nicht und ich werde nicht vergessen in Trabzon, aber ich werde Trabzon auch nicht vergessen.

Viele haben gesagt: „Spinnst du? Warum geht es in die Türkei?“ Ich habe so viele türkische Freunde in Europa, in Belgien, Holland und in Deutschland. Nationalität spielt für mich keine Rolle. Ich habe in der Türkei in den Herzen viel gefunden.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch