Farid Hafez bei der Verleihung des Bruno-Kreisky-Anerkennungspreises 2010 (Wikipedia /Trollma /CC BY 3.0) (Wikipedia)
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von Ali Özkök Ein österreichisches Gericht hat mehrere Razzien, die im vergangenen Jahr gegen angebliche Muslimbrüder durchgeführt wurden, als zumindest in Teilen rechtswidrig bewertet. „Die Verdachtsannahmen dürfen sich nicht in Mutmaßungen und Spekulationen erschöpfen, sondern müssen sich aus einer Bewertung zugänglichen Beweisergebnissen ableiten lassen“, mahnt einem Bericht des „Standard“ vom Dienstag zufolge das Oberlandesgericht Graz die zuständigen Ermittlungsbehörden.

Verdacht nicht ausreichend zur Rechtfertigung von Razzien

Einer der Betroffener von Hausdurchsuchungen durch die Polizei, der Wissenschaftler Farid Hafez, begrüßte im Gespräch mit TRT Deutsch die Entscheidung als ein wichtiges Lebenszeichen einer unabhängigen Justiz in Österreich. Die Hausdurchsuchungen bei neun Beschuldigten seien dem OLG zufolge rechtswidrig gewesen. Das Gericht urteilte, dass der Verdacht gegen die Betroffenen nicht ausreichte, um die Razzien zu rechtfertigen.

Der Islamophobie-Forscher Farid Hafez, der an der Universität Salzburg lehrt und an der Georgetown University zum Thema Rassismus forscht, erklärte dazu: „Ich bewerte die Entscheidung des OLG Graz grundsätzlich als sehr positiv. Besonders dahingehend, dass hiermit die Unabhängigkeit der Justiz dokumentiert wurde. Bei einem Verfahren, das viele als ein politisches Verfahren betrachten, ist das umso wichtiger. Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass es hier eine sehr klare und deutliche und auf Fakten beruhende Entscheidung des OLG Graz gibt.“

Hausdurchsuchung auf Grundlage von Spekulationen

In den Entscheidungsgründen hieß es unter anderem, Aussagen eines „anonymen Hinweisgebers“ seien nicht mehr als Einschätzungen – und keine Tatsachenwahrnehmungen über Verdächtige. Zudem fehle es an einem belastbaren Hinweis darauf, dass jeder Angehörige oder Sympathisant der Muslimbrüder „gleichzeitig auch ein (...) Mitglied oder Förderer einer terroristischen Vereinigung mit entsprechender Zweckausrichtung“ wäre. Bei Verdachtsmomenten, die etwa im Zusammenhang mit familiären Verhältnissen stehen, erklärte das Gericht, dass „Familienhaftung“ per se keine „Beweisführungsmethode“ darstellen könne.

Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie trotz des Dämpfers an den laufenden Ermittlungsverfahren festhalten werde. Hafez teilte TRT Deutsch mit, dass sein Anwalt „die Einstellung des Verfahrens beantragen“ werden. „Insbesondere aus einem Grund, weil das OLG Graz klar und deutlich festgestellt hat, dass hier kein strafrechtlich relevanter Aspekt involviert ist in diesem Verfahren“, fügte der Forscher hinzu.

Rundumschlag als aktionistisches Signal der Entschlossenheit?
Die Wiener Polizei hatte am 9. November in einer als „Operation Luxor“ bezeichneten Razzia 60 Adressen durchsucht. Im Visier waren 30 muslimische Aktivisten und Akademiker. Ihnen wurde die „Gründung einer terroristischen Vereinigung, die finanzielle Unterstützung des Terrorismus, Bildung organisierter Kriminalität und Geldwäsche“ vorgeworfen.

Hintergrund war offenbar der Wunsch der Politik, nach dem Terroranschlag eines Anhängers von Daesh wenige Tage zuvor in Wien der Öffentlichkeit gegenüber Entschlossenheit zu signalisieren – und zu diesem Zweck muslimische Aktivisten ins Visier zu nehmen. Die Razzia wurde Mitte Oktober genehmigt, also Wochen vor dem Anschlag selbst.

Die exzessive Polizeigewalt während der Razzien hat bei Familienmitgliedern Spuren hinterlassen. Mehr als zehn Kinder mussten nach den Einsätzen in psychiatrische Behandlung gegeben werden. Die 30 festgenommenen Personen und deren Familien hatten mit der Angelegenheit vertrauten Quellen zufolge in den letzten zwei Monaten auch mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, da ihre Bankkonten gesperrt wurden.

TRT Deutsch