Das algerische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das die französische Kolonialherrschaft als Verbrechen einstuft und von Frankreich „offizielle Entschuldigungen“ und Reparationen fordert. Im Plenarsaal standen die Abgeordneten am Mittwoch mit Schärpen in den Farben der algerischen Flagge um den Hals und applaudierten nach der einstimmigen Verabschiedung des Textes, der dem französischen Staat „die rechtliche Verantwortung für seine koloniale Vergangenheit in Algerien und die daraus resultierenden Tragödien“ zuschreibt. Paris wies den Schritt als „feindselig“ zurück.
Der Text listet die „Verbrechen der französischen Kolonisierung“ auf, die als unverjährbar gelten: „Atomtests“, „außergerichtliche Hinrichtungen“, die weit verbreitete „praktische Anwendung physischer und psychologischer Folter“ sowie die „systematische Plünderung der Reichtümer“ des nordafrikanischen Landes.
In dem Text heißt es weiter, dass „vollständige und gerechte Entschädigung für alle materiellen und immateriellen Schäden, die durch die französische Kolonisierung verursacht wurden, ein unveräußerliches Recht des algerischen Staates und Volkes ist“.
Der algerische Parlamentspräsident Brahim Boughali begrüßte die „einstimmige“ Verabschiedung des Gesetzes durch die Abgeordneten. Diese riefen unter großem Jubel: „Es lebe Algerien!“
Während der Debatten am Wochenende hatte Boughali versichert, dass dieser Schritt „kein Volk ins Visier“ nehme und „weder Rache noch das Schüren von Groll zum Ziel“ habe.
Algerien ist die einzige frühere Kolonie Frankreichs (1830 bis 1962) in Afrika, die sich mit Waffengewalt aus der französischen Vorherrschaft befreite. Nach einem fast achtjährigen Krieg erlangte das nordafrikanische Land 1962 seine Unabhängigkeit.
Im Algerienkrieg wurden hunderttausende Menschen getötet, mindestens die Hälfte der algerischen Toten waren Zivilisten. Der Algerienkrieg wird in Frankreich erst seit 1999 offiziell Krieg genannt. Zuvor war nur von „blutigen Ereignissen“ die Rede.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zwar eingeräumt, dass die Kolonisierung Algeriens ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ war, eine Entschuldigung blieb er jedoch schuldig.
Das französische Außenministerium wies das Gesetz am Mittwoch zurück. Es sei „eine offensichtlich feindselige Initiative, die sowohl dem Willen zur Wiederaufnahme des französisch-algerischen Dialogs als auch einer sachlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Erinnerung zuwiderläuft“, hieß es in einer Stellungnahme. Zugleich erklärte das Ministerium, „an der Wiederaufnahme eines anspruchsvollen Dialogs mit Algerien“ arbeiten zu wollen, vor allem zu „Sicherheits- und Migrationsfragen“.
Trotz seines hohen Symbolwerts könnten die tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes auf die Reparationsforderungen Experten zufolge begrenzt sein. „Rechtlich gesehen hat dieses Gesetz keine internationale Tragweite und kann Frankreich daher nicht verpflichten“, erklärte der auf Kolonialgeschichte spezialisierte Historiker Hosni Kitouni von der britischen Universität Exeter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Es markiere jedoch „einen Bruch in der Erinnerungskultur Frankreichs“.
















