Bundesregierung will Zivilschutz wegen militärischer Bedrohung stärken
Die deutsche Politik zieht Lehren aus dem Ukraine-Krieg. Vor dem Hintergrund der erhöhten militärischen Bedrohung spricht Bundesinnenministerin Faeser von einer „Zeitenwende“ und kündigt die Stärkung des Zivilschutzes an.
Archivbild. 05.04.2022, Berlin: Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, gibt nach der Unterzeichnung eines Deutsch-Schweizerischen Polizeiabkommens eine Pressekonferenz. (DPA)

Angesichts der gestiegenen militärischen Bedrohung in Europa will die Bundesregierung den Zivilschutz in Deutschland stärken und den Abbau bestehender Schutzeinrichtungen umgehend stoppen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach in der „Welt am Sonntag“ von einer „Zeitenwende“ aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, die erfordere, „dass wir den Schutz auch vor militärischen Bedrohungen erheblich stärken müssen“.

„Es existieren aktuell noch 599 öffentliche Schutzräume in Deutschland“, sagte Faeser. „Wir werden prüfen, ob es noch mehr solcher Anlagen gibt, die wir ertüchtigen könnten. Der Rückbau ist jedenfalls gestoppt.“ Generell solle die Bausubstanz von Gebäuden verstärkt werden. „Da geht es um Tiefgaragen, U-Bahnhöfe und Keller“, sagte die Ministerin. Die Regierung arbeite hierfür an neuen Konzepten.

Faeser sicherte mehr finanzielle Mittel des Bundes für den Katastrophenschutz zu. Dies betreffe neben dem Schutz vor militärischer Bedrohung auch „medizinische Ausrüstung, Schutzkleidung, Masken oder Medikamente“. Ziel sei, dass „der Bund hier stärker koordinieren und steuern kann“.

Als einen Schwerpunkt nannte Faeser auch den Ausbau von Warnsystemen wie neue Sirenen und Warnhinweisen auf dem Handy. Für den Wiederaufbau der in den vergangenen Jahrzehnten abgebauten Sirenen habe der Bund bereits 88 Millionen Euro bereitgestellt, erinnerte Faeser. Das Programm laufe, „aber wir sind damit, was die bundesweite Abdeckung angeht, nicht ansatzweise durch“. Rufe nach Stärkung des Zivilschutzes werden laut

Die Grünen forderten, die Stärkung des Zivilschutzes müsse Teil des geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr sein. „Wer die Stärkung der Landesverteidigung ohne den Zivilschutz denkt, der vergisst, dass wir Menschen beschützen wollen und nicht nur einen Landstrich“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Leon Eckert der Nachrichtenagentur AFP.

Auch er verlangte, besonders „die vollumfängliche Einsatzfähigkeit unserer Warninfrastruktur“ sicherzustellen. Für den Zivil- und Katastrophenschutz müsse es ein bundesweites Lagebild geben, um etwa einheitliche Funkrufkennungen und Sirenensignale zu gewährleisten. „Dazu muss das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe finanziell und personell gestärkt werden.“

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte wegen der aggressiven Politik Russlands einen deutlichen Ausbau des Zivilschutzes in Deutschland. „Der Bund darf den Fokus nicht nur auf den militärischen Schutz legen, sondern muss auch den Zivilschutz nachhaltig stärken“, sagte Herrmann dem „Handelsblatt“. Dafür seien „erhebliche Investitionen“ notwendig.

Zudem plädierte auch Herrmann generell für eine wieder stärkere Ertüchtigung des Katastrophenschutzes. „Der Ausbau eines flächendeckenden Sirenennetzes und die Einführung des Mobilfunkdienstes Cell-Broadcast muss mit hoher Priorität angepackt werden“, verlangte der CSU-Politiker. Das Sirenenförderprogramm des Bundes sei ein wichtiger Schritt, aber bei Weitem nicht ausreichend. Außerdem müsse der Schutz wichtiger Infrastruktur vor Hackerangriffen und Manipulationen verstärkt werden.

AFP